"Erhoffen uns Unterstützung von unseren US-Investoren"
Herr Freund, man könnte den Eindruck gewinnen, das Investment von Goldman Sachs wäre kurzfristig zustande gekommen, da Raisin zuletzt im Februar eine größere Finanzierungsrunde hatte. Ist das so?Nein, denn solche Investments sind keine Bauchentscheidung, sondern ein langfristiger Prozess bis zum Abschluss solcher Gespräche. Erste Kontakte mit dem Goldman-Team fanden schon vor drei Jahren statt. Wir sind in Verbindung geblieben, und jetzt passte es. Goldman hat ja noch nicht in großem Stil im deutschen Markt investiert. Elinvar war das erste öffentlich bekannt gegebene Investment. Hatte sich seit der Finanzierung im Februar die Perspektive für ein Investment verändert?Die Perspektive hat sich vor allem seit den ersten Gesprächen 2016 verändert. Raisin hat sich besser entwickelt als geplant – insbesondere im ersten Halbjahr 2019. Da kamen 4 Mrd. Euro Vermittlungsvolumen hinzu, und aus 60 Partnerbanken haben wir 80 gemacht. Goldman Sachs hat gesehen, wie wir unsere Ziele umsetzen. Beispiel: Wir sind bereits in sechs europäischen Ländern mit lokalen Plattformen präsent und erreichen über unsere Raisin.com-Plattform über 28 europäische Länder – diese paneuropäische Perspektive haben wir seit Gründung. Zudem haben wir unser Versprechen erfüllt, auch etwas für die Anlageseite zu tun. In dem Weltinvest-ETF-Portfolio befinden sich ein Jahr nach dem Start bereits mehr als 100 Mill. Euro Anlagegelder. Und mit Amerika kommt ein größerer Schritt, den wir im nächsten Jahr angehen wollen. Dieses Jahr nutzen wir, um das sauber vorzubereiten. Und natürlich erhoffen wir uns an der einen oder anderen Stelle Unterstützung von unseren US-Investoren. Sind Paypal und Goldman reine Finanzinvestoren oder auch strategische Anteilseigner?Das sind zunächst reine Finanzinvestoren, die aber eine strategische Perspektive haben. Einen kommerziellen Aspekt der Partnerschaft gibt es derzeit nicht. Aber die eigenen Retail-Erfahrungen, die Goldman mitbringt, werden die Entscheidung sicherlich beeinflusst haben, in einen Retail-Marktplatz zu investieren. Sind strategische Übernahmen geplant?Dafür sind wir offen – aber es gibt keine Akquisitionsliste. Mit der UK-Akquisition wollten wir uns auch auf den Brexit vorbereiten, zudem passte das prima mit dem Team dort. Generell gilt: Wenn wir was finden und handeln wollen, können wir dank der Finanzsituation schnell reagieren. Wie ist die Partnerschaft mit der Commerzbank angelaufen?Sehr gut. Wir sind ja in einem sehr abgegrenzten Segment tätig bei Geschäftskunden – die werden ja fast ein wenig stiefmütterlich behandelt, wenn es um zusätzliche Einlagenprodukte geht. Denn der normale Geschäftskunde sucht nicht selbst online nach Zinsprodukten, ganz anders als ein privater Sparer. Und da hat die Commerzbank als im deutschen Mittelstand verankerte Bank natürlich ein ungeheuer großes Potenzial, bei Geschäftskunden das Bewusstsein für die Vorzüge eines solchen Zinsmarktplatzes zu schärfen. Die Partnerschaft ist gut angelaufen, und wir werden Ende des Jahres klarer sehen, wie groß das werden kann. Wie ausgeprägt ist die Konkurrenzsituation zu Deposit Solutions?Wir werden sehr oft gemeinsam genannt, zugleich schauen wir aber am liebsten nur auf uns. Denn ein paar Sachen sind schon anders. Die Internationalisierung ist bei uns Teil der DNA, das haben wir früh angestoßen. Deshalb definieren wir unser Produkt als eines, das für den europäischen Sparer funktionieren soll, und für den wir Angebote von 80 Partnerbanken aus ganz Europa anbieten – das ist für uns ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal. Bei der Investmentlösung sehen wir gar keinen Wettbewerb. Mit unserem Marktanteil und bei der Größe des Einlagenmarktes brauchen wir uns nicht über Konkurrenz in Deutschland Gedanken machen. Für uns ist es eher die Herausforderung, die Trägheit des Kunden zu überwinden. Denn im derzeitigen Zinsumfeld haben viele resigniert und schauen nicht mehr nach attraktiven Zinsprodukten, die es ja noch gibt. Das ist derzeit die Herausforderung – und Großbritannien, denn das ist ein sehr dynamischer Markt, da funktioniert alles elektronisch inklusive der Unterschrift. Dort sind einige Akteure im Einlagenmarkt aktiv. Das wirkt sich stärker aus als Konkurrenz im Heimatmarkt. Das Interview führte Björn Godenrath.