Ermotti geht mit zwiespältiger Bilanz
Ein Manager, der gute Geschäftszahlen zeigen kann, muss sich weniger mit Eigenlob behelfen. Nach diesem Motto gestaltete Sergio Ermotti am Dienstag seine letzte Ergebnispräsentation als UBS-Chef. “Die Zahlen sprechen für sich selbst”, sagte er mit Blick auf die 2,1 Mrd. Dollar, welche die Bank im dritten Quartal verdient hatte. Von Daniel Zulauf, Zürich Es war in der Tat das beste Quartalsergebnis seit zehn Jahren, das die UBS vorgelegt hat – mit 2,1 Mrd. Dollar im dritten Quartal 2020 doppelt so hoch wie jenes im Vorjahr, und dies inmitten der Coronakrise. Den Anlegern gefiel’s: Die Aktien zogen zeitweise um mehr als 4 % an – doch sie kommen von tief unten.Die Auseinandersetzung mit den Aktionären brachte UBS-Chef Sergio Ermotti in seinen neun Jahren als CEO öfter mal in Wallung. Auf einer Investorenkonferenz im Oktober 2018 in London sagte er unter Verweis auf die schwache Kursentwicklung: “Unsere Ziele werden entweder nicht verstanden, oder wir haben sie nicht gut genug erklärt.” Seit jenen Tagen ist der Aktienkurs der Großbank um weitere 25 % gefallen, und positive Ausschläge wie gestern sind kurzfristige Ausnahmen geblieben.Daran ändern auch die vielen Zahlen nichts, mit denen Ermotti seine erfolgreiche Geschäftsführung unter Beweis zu stellen suchte. 18 Mrd. Dollar habe die Bank seit Ende 2011 an Dividenden ausgeschüttet bzw. für diesen Zweck zurückgestellt. 4 Mrd. Dollar erhielten die Eigentümer in Form von Aktienrückkäufen zurück. Zudem habe die UBS in dieser Zeit 11 Mrd. Dollar an Gewinnreserven zur Seite gelegt und so das eigene Kapital gestärkt. Eine Wirkung auf den Aktienkurs ist dennoch nicht erkennbar. Der Börsenwert der UBS ist mit aktuell rund 43 Mrd. sfr etwa gleich hoch wie bei Ermottis Antritt. Besonders bitter ist, dass der Börsenwert der UBS rund 15 Mrd. sfr geringer ist als deren Eigenkapital. Dies bedeutet, dass die Investoren der Bank nicht zutrauen, nachhaltig Mehrwert zu schaffen. Mit diesem Problem ist die UBS freilich nicht allein, denn es beschäftigt alle international tätigen Großbanken in Europa meist sogar noch stärker.Für Ermotti ist dies aber ein schwacher Trost. Er, der seinen Aktionären im ersten Jahr als CEO noch eine Eigenkapitalrendite von 12 bis 17 % in Aussicht gestellt hatte, musste bald erkennen, dass solche Ziele auch für die von der großen Krise 2008 genesene UBS unerreichbar bleiben. Im laufenden Jahr dürfte die Eigenkapitalrendite der Bank knapp 9 % erreichen. 2015, in Ermottis mit Abstand erfolgreichstem Jahr, erreichte sie 11,8 %.Enttäuschend für den CEO ist diese Performance auch vor dem Hintergrund seiner vielfältigen Bemühungen, die Bank besser aufzustellen. Das Geschäft mit kapitalmarktgestützten Finanzierungen und die damit verbundenen Handelsaktivitäten (Investment Banking), mit dem die UBS in der Finanzkrise beinahe untergegangen wäre, stutzte Ermotti ab 2012 kräftig zurück.Doch die neue Flaggschiffdivision Vermögensverwaltung vermochte die hohen Erwartungen nicht zu erfüllen. Die Konkurrenz wächst seit Jahren, und die Preise für Vermögensberatung und damit verbundene Dienstleistungen sinken laufend. Der Trend erzwingt umfangreiche Maßnahmen zur Kostensenkung und zugleich große Investitionen in die Automatisierung.Fruchtlos blieben Ermottis Bemühungen trotzdem nicht. Die Bank ist unter seiner Ägide stabiler geworden. Der letzte Milliardenverlust datiert vom Jahr 2012. Seither schwanken die Ergebnisse in zunehmend engeren Bandbreiten. Zufrieden sind die Aktionäre damit aber noch lange nicht. Das zeigte sich im vergangenen Frühjahr, als sie der UBS-Geschäftsführung auf der Generalversammlung die Entlastung verweigerten. Das Hauptargument für diese höchst seltene Protestnote waren die offenkundig gewordenen Risiken eines Rechtsstreits in Frankreich, der die Bank nach einem ersten Gerichtsurteil 4,5 Mrd. Euro an Strafe kosten könnte. Im Unterschied zur bisherigen Praxis hatte sich die UBS-Führung in Frankreich entschlossen, gegen den Vorwurf der Beihilfe zum Steuerbetrug mit einer offensiven Prozessstrategie anzukämpfen. Die Aktionäre erwarten, dass sich das Management für die potenziellen Kosten dieses Rechtsstreites mit in die (finanzielle) Verantwortung nehmen lässt.Ermottis bisherige Lohnentwicklung spricht aber eine andere Sprache. In seinem ersten ganzen Jahr als CEO verdiente er 8,9 Mill. sfr. 2019 waren es 12,5 Mill. sfr (+40 %) und in den Jahren dazwischen mehrfach mehr als 14 Mill. sfr. Solche Cheflöhne passen nicht nur schlecht zum Bild, das die UBS ihren Aktionären abgibt. Vielmehr liegen sie auch im Vergleich mit anderen europäischen Großbanken weit über dem Durchschnitt. Vielleicht ist auch das mit ein Grund dafür, dass sich Ermotti (und sein Präsident Axel Weber) in jüngster Zeit so laut für Fusionen unter europäischen Großbanken starkmachten. Vielleicht wird man die Antwort schon bald von seinem Nachfolger Ralph Hamers hören.