Erweiterter Zugriff auf deutsche Banken
Nicht wirklich neu ist, dass deutsche Banken mit US-Geldwäschegesetzen in Konflikt geraten können. Und der jüngste Fall der Schweizer Bank Julius Bär im Zusammenhang mit FIFA Bestechungsgeldern unterstreicht den weiter ungestillten Appetit der US-amerikanischen Justiz auf Verfolgung von Geldwäsche auch bei internationalen Banken.
Ein weiteres Indiz für eine Verschärfung der US-Gangart gegenüber nichtamerikanischen Banken ist ein zu Beginn des Jahres in Kraft getretenes Geldwäschegesetz, der Anti-Money Laundering Act of 2020. Dieses Gesetz führt nicht nur Meldepflichten für Unternehmen zum wirtschaftlichen Eigentümer in einem nicht öffentlichen, sonst aber mit dem deutschen Transparenzregister vergleichbaren Register ein. Es erhöht weiter nach Vorbild der US-Börsenaufsicht SEC den monetären Anreiz für Whistleblower und verbietet deren Diskriminierung.
Hier interessiert eine Bestimmung, die die Pflicht deutscher Banken mit US-Korrespondenzbankkonto zur Vorlage von Kontounterlagen an US-Behörden erheblich ausdehnt. Diese erscheint zwar nach Einordnung in den größeren Zusammenhang der US-Rechtsverfolgung in Deutschland nicht mehr so bedrohlich, wie es der bloße Wortlaut des Gesetzes vermuten ließe. Das Signal, dass es der US-Gesetzgeber mit der internationalen Rechtsverfolgung ernst meint, ist hingegen unübersehbar.
Banken spielen bei der Verfolgung von Geldwäsche eine besondere Rolle, weil sie Information vorhalten, die für das Nachvollziehen von Zahlungsströmen erforderlich sind. Weil diese Information im Verhältnis zwischen deutscher Bank und ihrem Kunden durch Bankgeheimnis und Datenschutz geschützt ist, kommt eine sanktionslose Herausgabe von in Deutschland belegener Information an in- und ausländische Verfolgungsbehörden nur bei Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage – etwa des Rechtshilfeübereinkommens zwischen den USA und Deutschland – in Betracht.
Anders bei der hier relevanten und vom US Department of Justice oder Department of Treasury ausschließlich nach amerikanischem Recht erlassenen Subpoena, einer strafbewehrten Vorlageanordnung, mit der sich die Behörden für Zwecke der Geldwäschebekämpfung direkt an die deutsche Bank richten: Hat die deutsche Bank eine Niederlassung in den USA, kann die Subpoena nach unverändert bleibendem Recht dort und mit Wirkung für Kontounterlagen unabhängig von deren in- oder ausländischen Belegenheitsort verfügt werden. Gegenüber einer deutschen Bank ohne US-Niederlassung konnte nach bisherigem Recht eine Subpoena mit extraterritorialer Wirkung für im Ausland belegene Kontounterlagen nur mit Bezug zu einem Geldwäschedelikt im Zusammenhang mit deren US-Korrespondenzbankkonto erlassen werden. Die Idee hinter dieser im Gefolge von 9/11 geschaffenen Befugnis war, dass sich die Verfolgung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auch auf den durch ein Korrespondenzbankkonto mediatisiert am amerikanischen Finanzsystem teilnehmenden Bankkunden erstrecken soll.
Die Neuregelung hingegen erlaubt den US-Behörden nunmehr bei jeder ausländischen Bank mit einem US-Korrespondenzbankkonto die Vorlage von Kontounterlagen mit Bezug zu Geldwäsche, aber auch zu sämtlichen anderen US-Straftaten wie Korruption oder Steuerhinterziehung, unmittelbar anzuordnen. Dies selbst bei fehlendem Zusammenhang der Straftaten oder der zu beauskunftenden Unterlagen mit dem Korrespondenzbankkonto – im Ergebnis also für jedes bei der ausländischen Bank auch außerhalb der USA gehaltene Konto. Der Bank ist die Information des Kontoinhabers über die Subpoena verboten. Eine Verletzung der Vorlagepflicht führt zu einer Geldbuße von bis zu 50000 Dollar für jeden Tag der Zuwiderhandlung sowie nach 60 Tagen zu verschärften Sanktionen. Die wohl schwerwiegendste Sanktion für die ausländische Bank ist die erzwungene Schließung des Korrespondenzbankkontos.
Weil die US-Subpoena gerade keine gesetzliche Grundlage zur Übermittlung von nach deutschem Recht geschützten Kontounterlagen bietet, kann die deutsche Bank vor der Entscheidung stehen, entweder amerikanisches oder deutsches Recht zu befolgen – und damit das jeweils andere Recht zu verletzen. Dieser vom amerikanischen Gesetzgeber antizipierte Konflikt wurde, wenngleich mit Widerstand in der parlamentarischen Debatte, zu Gunsten der Vorlageverpflichtung geregelt: Das zur Überprüfung einer Subpoena angerufene amerikanische Gericht darf die Vorlageanordnung nicht allein wegen ausländischer Gesetze zur Geheimhaltung und Vertraulichkeit einschränken oder aufheben. Eine Bewertung des erneut verschärften extraterritorialen Zugriffs auf deutsche Banken soll vor folgendem Hintergrund erfolgen: Die US-Gesetzgebung richtet sich weder speziell gegen deutsche Banken noch berührt sie die Politik der US-Behörden, sich im internationalen Rechtsverkehr primär effizienter Rechtshilfeübereinkommen nach Art des mit Deutschland gelebten zu bedienen, ehe auf die Subpoena als Ultima Ratio zurückgegriffen wird. Vielmehr soll die schleppende Kooperation im Rechtshilfeverkehr mit China in einem im Jahr 2019 entschiedenen Fall einen weiteren Ausschlag für das neue Gesetz gegeben haben.
Sollte sich die Behörde dennoch im Einzelfall einer Subpoena bedienen, ist sie sich des Dilemmas für die deutsche Bank bewusst. Wenngleich deutsches Bankgeheimnis und Datenschutz nach der neuen gesetzlichen Regelung je für sich die Aufhebung oder Einschränkung einer Subpoena zwar nicht erlauben, so hat das amerikanische Gericht im Rechtsmittelverfahren dennoch die Härte der deutschen Sanktionen für die Bank wegen der deutschen Rechtsverletzungen zu berücksichtigen.
Sofern also Bankgeheimnis und Datenschutz nicht pauschal als Vorwand für unterbleibende Kooperation instrumentalisiert werden, lassen sich in der Praxis mit den US-Behörden Lösungen entwickeln, die der deutschen Bank weitgehende Compliance mit den konfligierenden Anforderungen beider Rechtsordnungen ermöglicht. Der Druck aus den USA zur internationalen Verfolgung von Straftaten wie etwa Geldwäsche, Korruption oder Steuervergehen wird demnach auch für deutsche Banken mit US-Korrespondenzbankkonto nicht nachlassen – und die USA setzen diesen Kampf im Bedarfsfall nun mit einem erweiterten juristischen Arsenal fort.