"Es gibt einen gewissen Gewöhnungseffekt"
– Herr Knof, die Covid-19-Pandemie trifft die Deutsche Bank mitten im Umbau. Was bedeutet das für den Ausblick des Privatkundengeschäfts?Natürlich hat die Pandemie Auswirkungen auf die Wirtschaft in Deutschland, also auch auf die Rahmenbedingungen für das Privatkundengeschäft. Aus makroökonomischer Sicht scheint die Hoffnung auf eine schnelle Erholung der Wirtschaft sich nicht zu erfüllen. Allerdings ist Deutschland weltweit ein Paradebeispiel für gutes Krisenmanagement, wie unsere Ökonomen gerade erst ausgeführt haben. Die anderen großen Volkswirtschaften werden daher wohl auf einem noch niedrigeren Level wieder aufsetzen. Für das von mir verantwortete Privatkundengeschäft in Deutschland sehe ich bislang nur geringe negative Folgen. Es gibt zwar einige Bereiche, in denen wir hinter dem Vorjahr liegen, aber zum Beispiel das Baufinanzierungsgeschäft ist die ganze Zeit über gut gelaufen. Auch im Wertpapiergeschäft sehen wir eine stabile Nachfrage nach Beratung und Anlagemöglichkeiten. Und was kommt im Kreditgeschäft auf Sie zu?Bis Ende Mai haben wir in Deutschland etwa 75 000 Anfragen unserer Kunden nach Stundungen für Darlehen erhalten, die wir auch schon weitgehend abgearbeitet haben. Etwa 40 % entfielen auf Baufinanzierungen, 60 % auf Konsumentenkredite. Es geht für uns da wie auch in der Branche insgesamt um einen niedrigen einstelligen Prozentsatz aller Kredite. Das ist nichts, was uns schlaflose Nächte bereiten würde. Wir wollen schließlich unseren Kunden zur Seite stehen, auch wenn die Zeiten mal nicht rosig sind. So dramatisch die volkswirtschaftlichen Einbrüche sind, so hat sich das Privatkundengeschäft doch recht stabil entwickelt. Wie gut ist die Integration der Postbank in Zeiten des Homeoffices vorangekommen?Die Transformation der Bank kommt gut voran. Anschauliches Beispiel ist die planmäßige Verschmelzung des gesamten deutschen Privatkundengeschäfts auf den Konzern. Dieser Schritt ist ein wichtiger Baustein, um unsere Ziele für die Ertrags- und Kostenentwicklung im Privatkundengeschäft zu erreichen. Ich bin sehr stolz auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass wir das trotz der Arbeit von Zuhause aus zeitlich und qualitativ planmäßig hinbekommen haben. Das war ja ein sehr komplexes Unterfangen, denn immerhin handelt es sich um eine der größten Fusionen im deutschen Privatkundengeschäft der vergangenen Jahre. Die Verschmelzung hilft dem Konzern, nicht nur mit Blick auf die Kosten, sondern auch beim Abbau von Komplexität. Es entfallen viele Anforderungen, die eine eigene rechtliche Einheit mit sich bringt. Zugleich erleichtert das uns, die IT- und Infrastrukturfunktionen neu aufzustellen. Auch da kommen wir gut voran. Soll es auch nach der Verschmelzung bei mehreren Standorten bleiben?Sie meinen unsere Zentrale an zwei Standorten, in Frankfurt und in Bonn. Wir bleiben dabei: Bonn wird auch künftig ein wichtiger Standort für uns sein. Worüber wir aber noch einmal reden müssen, ist die weitere Harmonisierung von Produkten und Prozessen. Mir kommt es darauf an, nicht zig unterschiedliche Lösungen für Baufinanzierungen oder Konsumentenkredite anzubieten. Und auch im Wertpapiergeschäft ist mir an möglichst einheitlichen Produkten und Prozessen gelegen. Im breiten Geschäft mit Millionen von Kunden ist es nicht sinnvoll, eine solche Vielfalt von Produkten vorzuhalten, wie wir es derzeit tun. Eine Vereinheitlichung ist auch notwendig, um die Möglichkeiten der Digitalisierung und der Automatisierung voll auszuschöpfen. Das erhöht die Übersicht und den Komfort für unsere Kunden, unabhängig davon, ob sie in die Filiale kommen, sich mobil beraten lassen oder das Digitalangebot nutzen. Und es bringt die Bank ihren Ertrags- und Ergebniszielen näher. Deshalb liegt darauf momentan unser Fokus. Um die angekündigten Einsparungen von 1 Mrd. Euro umzusetzen, müssen Sie Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern führen. Geht das momentan überhaupt?Ja, wir sind weiter im guten Dialog. Auch wenn der Austausch einmal über Telefon oder Videokonferenz läuft, funktioniert das sehr ordentlich. Wie wir beim Investorentag dargelegt haben, sollen in den kommenden Jahren in den Abwicklungseinheiten und der IT etwa 400 Mill. Euro eingespart werden, im Vertrieb und in der Zentrale noch einmal jeweils 200 Mill. Euro. Weitere 200 Mill. Euro sollen sich aus einem dann normalisierten Investitionsniveau ergeben. Das ist meines Wissens das ehrgeizigste Kostensenkungsprogramm einer europäischen Bank. Und wir sind da auf Kurs. Bis wann wollen Sie die Gespräche denn abgeschlossen haben?In Deutschland ist in den vergangenen Monaten in so vieles ein ganz neues Tempo gekommen ist – nehmen Sie etwa den Wechsel hin zum Arbeiten von Zuhause oder auch die umfassenden Gesetzesvorhaben, die die Bundesregierung in sehr kurzer Zeit durchsetzen konnte. Ich hoffe, etwas von diesem Schwung auch in unsere Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern mitnehmen zu können. Ich bin zuversichtlich, die Gespräche wie geplant in den kommenden Monaten führen und abschließen zu können. Apropos Homeoffice: Manche Banken waren mangels Betriebsvereinbarungen gezwungen, ziemlich zu improvisieren, um ihre Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten zu lassen. Wie sah das bei Ihnen aus?Wir hatten schon vor der Krise eine Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten. Da alles bereits ausgehandelt war und die technischen Voraussetzungen vorhanden waren, lief das weitgehend reibungslos. Wir waren sofort wieder einsatzbereit, obwohl außerhalb des Vertriebs fast 80 % der Belegschaft von zuhause aus gearbeitet haben, im Ausland zeitweise fast 100 %. Berater, deren Filialen vorübergehend geschlossen wurden, konnten die Kundengespräche sehr gut von anderen Bürostandorten oder von Zuhause aus führen. Gleichzeitig – dass darf man nicht vergessen – haben Tausende Kolleginnen und Kollegen in der Deutschen Bank und in der Postbank das Gros unserer Filialen auch in der schlimmsten Zeit der Pandemie offen gehalten, sind Tag für Tag zu ihren Arbeitsplätzen gependelt und waren trotz der persönlichen Risiken, die das mit sich brachte, für die Kunden an Ort und Stelle da. Das alles war und ist eine Riesenleistung unserer Mannschaft und zeigt das große Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für das ich sehr dankbar bin. Manchen Firmen wollen ja beim Homeoffice bleiben, weil das so gut funktioniert hat.Ich bin überzeugt davon, dass die Welt nach Covid-19 eine andere sein wird, zumal es einen gewissen Gewöhnungseffekt gibt, bei Kunden wie bei Mitarbeitern. Das ist auch gut so, weil es der Bank wie den Mitarbeitern mehr Flexibilität verschafft. Ich glaube aber, dass es auf eine Kombination unterschiedlicher Arbeits- und Kundenbetreuungsmodelle herauslaufen wird. Der persönliche Kontakt in den Filialen und im mobilen Vertrieb bleibt wichtig, auch wenn es die Kunden zu schätzen gelernt haben, dass sie ihren Berater per Video oder Telefon ebenfalls erreichen können. Deshalb halten wir an unserem Filialnetz natürlich weiterhin fest. Viele Filialen der Postbank mussten geöffnet bleiben, weil dort auch Postdienstleistungen erbracht werden. Gab es dort viele Covid-19-Infektionen?Nein, insgesamt hatten wir glücklicherweise nur wenige Infektionen im Privatkundengeschäft. In Deutschland waren es über beide Marken hinweg weniger als 100 Fälle. Wir haben allerdings auch schon sehr früh umfangreiche Maßnahmen ergriffen; das war das ganze Programm, von der Desinfektion des Arbeitsplatzes, über Plexiglaswände, Abstandsregelungen mit den entsprechen Markierungen, Mund-Nasen-Schutzmasken bis hin zu einer Grenze, wie viele Kunden sich gleichzeitig in der Filiale aufhalten können. Und wie sieht es mit anderen Viren aus? Experten haben vor einer steigenden Zahl von Cyberattacken gewarnt, weil Kriminelle versuchen könnten, Schwachstellen bei der Arbeit im Homeoffice auszunutzen.Das ist ein Thema, bei dem wir weiterhin äußerst wachsam bleiben. Internationale Sicherheitsbehörden und auch unsere eigenen Experten haben eine Zunahme von Cyber-Attacken beobachtet, die in Bezug zur Corona-Pandemie stehen. Kriminelle nutzen die Angst und Unsicherheit rund um das Virus aus und zielen beispielsweise über sogenannte Phishing-Mails auf sensible persönliche Daten. Wir verfolgen eine mehrschichtige Sicherheitsstrategie, die neben technologischen Schutzmaßnahmen auch auf das Sicherheitsbewusstsein unserer Mitarbeiter setzt. Wir informieren und sensibilisieren intern laufend über aktuelle Gefahren, um sie in ihrem Arbeitsalltag – egal ob im Büro oder von zuhause aus – dabei zu unterstützen, sich selbst und die Bank zu schützen. Wie kommt die IT-Integration der früheren Postbank voran?Dieses Programm wird über drei Jahre laufen. Schon kurz nachdem unser IT-Chef Bernd Leukert und ich im vergangenen Sommer zur Deutschen Bank gekommen sind, haben wir die Entscheidung getroffen, dass die IT der Postbank auf die Systeme der Deutschen Bank überführt wird. Unser Ziel ist es, die komplexe IT-Landschaft zu modernisieren, effizienter zu machen und markenübergreifend auf unsere Bedürfnisse ausrichten. Dabei gehen wir in zwei Schritten vor, die sich zum Teil zeitlich überschneiden werden. Im ersten Schritt werden wir bis spätestens Mitte 2022 die IT-Systeme der Postbank auf die der Deutschen Bank migrieren. Parallel werden wir in einem zweiten Schritt an der Modernisierung der Kundenschnittstellen arbeiten und unsere Prozess- und Produktlandschaft weiter konsolidieren und vereinfachen. Das Ziel ist eine zukunftsfähige IT-Plattform. Was muss ich mir darunter vorstellen?Es geht darum, die Möglichkeiten des Cloud-Computing stärker zu nutzen, wie es der Konzernvorstand im vergangenen Herbst im Rahmen der neuen Technologiestrategie beschlossen hat. Im Februar hat die Deutsche Bank dazu Gespräche mit verschiedenen Anbietern aufgenommen. Wir gehen davon aus, dass uns nach dem Abschluss der Migration bereits die ersten Cloud-Anwendungen zur Verfügung stehen werden, die wir dann direkt für die Arbeit mit den Kunden nutzen können. Gibt es schon eine Indikation, auf welchen Cloud-Anbieter die Wahl fallen könnte?Nein, der Auswahlprozess läuft noch. Dann lassen Sie uns weiter über das Migrationsprojekt sprechen. Wie viele Mitarbeiter sind damit beschäftigt?Das Integrationsprogramm ist eine gemeinsame Initiative der Privatkundenbank und der Unternehmensbank, die ja von einer gemeinsamen IT kommen und deshalb viele gemeinsame Schnittstellen haben. Daher wird ein Großteil unserer rund 2 500 IT-Mitarbeiter in Deutschland einen Beitrag zu dem Programm leisten. Hinzu kommen dann noch Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichen Kontrollbereichen. Welcher Wettbewerber macht Ihnen aktuell mehr Sorgen: ie Verbundbanken mit ihrem übermächtigen Filialnetz oder wendige Neobanken wie N26?Sorgen mache ich mir keine. Wir sind sehr gut aufgestellt. Das heißt aber nicht, dass wir den Wettbewerb nicht im Blick hätten. Die Deutsche Bank ist mit 19 Millionen Kunden die größte Privatkundenbank in Deutschland. Wir haben deutlich früher als viele unserer Wettbewerber angefangen, unsere Aufstellung zu optimieren, auch in unserem Filialnetz. Wir haben jetzt ein kraftvolles Transformationsprogramm aufgelegt, mit dem wir in den kommenden drei Jahren 1 Mrd. Euro an Synergien realisieren wollen. Und wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten gezeigt, dass wir auch unter widrigsten Umständen, mitten in der größten Krise der Nachkriegszeit, umsetzen und liefern. So leisten wir unseren Beitrag zur positiven Entwicklung der Deutschen Bank insgesamt. Das Interview führte Anna Sleegers.