"Es gibt kein Basel IV"
Die Bank of England hat den Banken klare Ansagen gemacht, was sie von ihnen künftig in Sachen Kapitalausstattung erwartet. Die Institute und der Markt hatten mit höheren Anforderungen gerechnet. Sorgen macht sich die Bank of England um die Entwicklung in den Emerging Markets.Von Andreas Hippin, LondonDie Bank of England hat den Banken Klarheit darüber verschafft, welche Kapitalanforderungen sie in den kommenden Jahren erfüllen müssen. Hatten das Baseler Komitee und die britische Vickers-Kommission vor fünf Jahren noch eine Kernkapitalquote von 18 % für optimal gehalten, so liegen die Vorgaben nun deutlich darunter. Das finanzpolitische Komitee (FPC) der Notenbank hält eine Quote von 11 % der risikogewichteten Assets für angemessen, 9,5 % müssten Eigenkapital der höchsten Qualität sein, der Rest lasse sich mit anderen Instrumenten darstellen. Das sei weniger, als manche vielleicht erwartet hätten, räumte Notenbankgouverneur Mark Carney bei der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts ein. Zum Vergleich: Alle sieben Banken, die sich in diesem Jahr dem Bilanztest der Zentralbank unterziehen mussten, hatten per Ende September eine höhere Kernkapitalquote – im Schnitt lag sie bei 12,2 %. Allerdings dürften neue Regeln zur Risikobewertung, die eine größere Einheitlichkeit herstellen sollen, dafür sorgen, dass die Quote nicht auf diesem Niveau bleibt. Die meisten Banken haben also wegen der Festlegungen des FPC kein überschüssiges Kapital zur Verfügung. Sie müssen aber auch kein zusätzliches Kapital aufnehmen. Freiwillige Puffer”Allen sollte klar sein: Da kommt keine neue Welle der Regulierung in Sachen Kapitalausstattung”, sagte Carney. “Es gibt kein Basel IV.” Der FPC nahm zudem Notiz davon, dass einige Institute freiwillig mehr Eigenkapital als erforderlich vorhalten. “Ein Teil dieser freiwilligen Puffer könnte Unsicherheit über die künftige Höhe der Eigenkapitalanforderungen sein”, heißt es im Finanzstabilitätsbericht. Durch die klare Darstellung der künftigen Vorgaben soll dafür kein Anlass mehr gegeben werden. “Unser Ziel war nie, die Kapitalanforderungen grenzenlos zu erhöhen”, sagte Carney. “Oder heimlich.” Er begründete die überraschend niedrige Mindestquote mit Fortschritten bei der Abwicklung von Instituten in Schieflage, einer effizienteren Aufsicht, Strukturreformen und dem Einsatz antizyklischer Puffer. Bis zum Ende des Auftaktquartals will die Bank of England über die künftige Höhe der zusätzlichen Rücklage entscheiden, die derzeit auf null gesetzt ist. Er werde sich in Höhe von rund 1 % der risikogewichteten Assets bewegen. Sein Einsatz stellt einen weiteren Schritt in Richtung Normalisierung nach der Finanzkrise dar.Die wachsende Verschuldung des privaten Sektors in den Emerging Markets macht dem FPC weiterhin Sorgen. Das direkte Exposure der britischen Banken zu Schwellenländern (inklusive China) belaufe sich auf ihr 3,4-faches Kernkapital (siehe Grafik). Per Ende 2014 hatten britische Vermögensverwalter 2,0 % ihrer Assets in Wertpapiere aus Emerging Markets investiert, Versicherer und Versorgungswerke 1,5 %. Ein starker Abschwung in den Schwellenländern war eines der Themen, die in diesem Jahr in das Szenario des Bilanztests für die britischen Banken eingearbeitet wurden. Während die chinesische Konjunktur den offiziellen Daten zufolge weniger scharf abbremste als im Planspiel der Zentralbank, ähnelte die Entwicklung an den Rohstoffmärkten weit mehr dem Stressszenario. Der Preis für Öl der Sorte Brent lag sogar unter dem Wert, den die Volkswirte der Bank of England darin angesetzt hatten.Das Komitee fürchtet, dass die Standards bei der Kreditvergabe an Käufer von Wohnimmobilien, die diese im Anschluss vermieten wollten, abbröckeln könnten. Das Segment ist ein wesentlicher Wachstumstreiber für die Hypothekenvergabe. “Buy to let” hat sich unter Pensionären, die sich ihre Rentenansprüche auszahlen lassen, zu einer beliebten Anlageform entwickelt. Zudem seien die Preise am Gewerbeimmobilienmarkt deutlich gestiegen, heißt es im Finanzstabilitätsbericht. Immobilienfonds verzeichneten starke Zuflüsse. Nach dem Thema Brexit sucht man in dem Bericht vergebens, obwohl das Referendum über die Zukunft Großbritanniens in der EU näher rückt. Ein Austritt dürfte die Finanzierung des enormen Leistungsbilanzdefizits deutlich erschweren.