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"Es sind große, sehr starke Tech-Firmen entstanden"

Interview mit Hyun Ho Sohn

"Es sind große, sehr starke Tech-Firmen entstanden"

Hyun Ho Sohn managt seit 2013 den Fidelity Global Technology Fund und verfügt über mehr als 20 Jahre Investmenterfahrung, mit starken Fokus auf TechnologiewerteHerr Sohn, was ist das Besondere am Technologiesektor?Dass er das tägliche Leben von uns allen immer mehr beeinflusst. Die Menschen nutzen zunehmend Technologie. Sie sind ständig online, sie informieren sich und kaufen immer mehr im Netz, sie schreiben und versenden Nachrichten, Fotos und Filme, sie schauen Videos, sie können durch Technologie ihren Arbeitsplatz nach Hause verlagern und vieles mehr. Dieser Siegeszug der Technologie ist möglich durch eine entsprechende Infrastruktur, durch neue Software und durch verbesserte Verbindungen. Und immer mehr starke Firmen tragen dazu bei, dass Technologie einen größeren und wachsenden Einfluss auf unser tägliches Leben hat.Was hat sich bei den Technologieunternehmen geändert?Es sind in den vergangenen Jahren einige große, sehr starke Tech-Firmen entstanden. Also weltweit tätige Unternehmen mit starken Bilanzen, die hohe laufende Cash-flows erwirtschaften und die im Durchschnitt hohe Gewinne erzielen. Die Corona-Pandemie hat weltweit zu einem Schub bei der Digitalisierung gesorgt. Wird dieser auch nach Corona anhalten oder geht die Bedeutung von Technologie wieder zurück, sobald die Pandemie besiegt ist?Das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Corona hat die Art und Weise verändert, wie Menschen arbeiten. Die jetzt gesehenen Vorteile werden zum Großteil bleiben. Firmen werden die neuen Möglichkeiten zu arbeiten auch nach Corona nutzen wollen. Neue Technologien wie Cloud Computing bleiben bedeutsam und dürften sogar in den kommenden Jahren noch zulegen. Natürlich werden die Menschen nach Corona wieder mehr reisen und vielleicht auch wieder ein wenig mehr in Geschäften einkaufen. Doch dürften sich Trends wie der wachsende Einfluss von E-Commerce fortsetzen. Die Bedeutung von Technologie ist durch Corona gewachsen und wird auch nach Corona hoch bleiben. In zehn oder zwanzig Jahren dürfte der Stellenwert von Tech noch deutlich höher sein als heute.Sind der Technologiesektor und vor allem die FAANG-Aktien inzwischen nicht sehr hoch bewertet, so dass Rückschläge drohen? Insgesamt sind die FAANG-Aktien inklusive Microsoft sehr gesunde Unternehmen, die wachsende Cash-flows erwirtschaften, durch stetig steigende Gewinne überzeugen und langfristig exzellente Wachstumsperspektiven aufweisen. Da wir uns darüber hinaus in einer Niedrigzinsphase befinden, würde ich sie insgesamt nicht als überbewertet ansehen. Denn bei einer fundamentalen Bewertung sind auch die Gewinnentwicklung, die starke Marktposition und die Perspektiven für die nächsten Jahre zu berücksichtigen. So sind diese großen Technologie-Aktien zum Beispiel auch in einer weitaus besseren Verfassung als noch vor wenigen Jahren.Aber es gibt doch auch Übertreibungen?Ja, es ist zuletzt bei einzelnen Titeln oder Sektoren auch zu Übertreibungen gekommen. So sind zum Beispiel die Kurse einzelner Aktien massiv geklettert, nur weil diese Gesellschaften einen Stock Split angekündigt haben. Das ist reines Marktsentiment, denn am fundamentalen Wert eines Unternehmens ändert sich durch ein Split ja überhaupt nichts. Diese Übertreibungen haben aber dann in den vergangenen Wochen auch wieder zu teils heftigen Korrekturen geführt.Ältere Semester haben bei Technologieaktien noch das Platzen der Dotcom-Blase in den Jahren 2000 bis 2002 im Gedächtnis. Liegt jetzt nicht wieder eine Blase vor, die bald platzen dürfte?Das glaube ich nicht, die Unterschiede zu der Situation vor zwanzig Jahren sind schon erheblich. Die großen Tech-Unternehmen heute sind gesund und befinden sich in einer exzellenten Verfassung, es liegt vor diesem Hintergrund keine Blase des Sektors vor. Um die Jahrtausendwende gab es viele Unternehmen mit schwachen Geschäftsmodellen, die keinen Gewinn erwirtschaftet haben Das Internet war neu, und allein dieser Neuigkeitswert des Webs hat mithin zu Bewertungsexzessen des gesamten Sektors geführt. Und was ist heute anders?Heute machen Firmen wie Apple, Amazon, Google, Microsoft oder Facebook, und übrigens auch eine SAP, reales Geschäft in erheblichem Ausmaß und verdienen dabei enormes Geld. Bei diesen Companies wird kein Geld verbrannt, wie bei einigen Firmen in der Dotcom-Blase, sondern Geld verdient. Und die Erträge sind zum einen in den vergangenen Jahren zudem massiv geklettert. Zum anderen sind die Gewinnaussichten nach wie vor nach oben gerichtet.Ähnlich wie im Jahr 2000 gibt es aber heute wieder viele Tech-IPOs, und das auch verstärkt von Unternehmen, die nicht profitabel arbeiten.Das stimmt, es gibt derzeit bestimmte Ähnlichkeiten zu der Zeit vor zwanzig Jahren, die durchaus bei einigen Werten oder Sektoren zur Vorsicht mahnen. Bei den IPOs gilt es auf jeden Fall sehr genau hinzuschauen, wie ein Börsenneuling bewertet ist und welche Perspektiven er hat. Auch kann ein hohes Interesse speziell von Retailinvestoren an bestimmten Aktien oder IPOs zwischenzeitlich zu Übertreibungen führen. Daher ist es notwendig, jedes Tech-Unternehmen eingehend zu analysieren. In unserem Fonds kaufen wir jedenfalls keineswegs blind einen Wert, nur weil die Aktie sich zuvor positiv entwickelt hat oder weil die Stimmung für einen Titel gerade sehr positiv ist.Bestehen nicht Gefahren für Big-Tech durch eine stärkere Regulierung?Es gibt durchaus das Risiko für die großen Technologiefirmen einer stärkeren Regulierung. Schließlich verfügen sie zum einen teilweise über eine große Marktmacht. Zum anderen wird auch der Umgang mit persönlichen Daten häufig kritisiert. Doch muss eine stärkere Regulierung nicht zwangsläufig negativ für Big Tech sein. Denn diese großen Firmen haben die Fähigkeit, auf die Veränderungen des regulatorischen Umfelds zu reagieren und sich anzupassen. Sie dürften dann weiterhin erfolgreich sein. Selbst eine theoretische Zerschlagung von großen Tech-Firmen wäre für Investoren kein Drama, sondern dürfte mehr Innovationen auslösen.Welche Sektoren favorisieren Sie in Ihrem Fonds?Langfristig gesehen ist der Technologiesektor ein Outperformer am Aktienmarkt. In unserem Fonds lege ich daher breit diversifiziert an und favorisiere vor allem die strukturellen Gewinner des digitalen und technologischen Wandels. Ich bevorzuge dabei aktuell die Sektoren Internet und Halbleiter. Bei den großen Titeln zählen Titel wie Alphabet, Amazon, Facebook oder Netflix zu den Gewinnern des strukturellen Wandels. Bei den Halbleitern hat zwar zuletzt der Konflikt zwischen den USA und China belastet und zu einer Konsolidierung geführt. Hier gehe ich von einer zyklischen Erholung aus. Darüber hinaus investiere ich in innovative Unternehmen, die langfristig zu den Gewinnern im Technologiesektor gehören dürften. Dabei sind insbesondere auch einige Gaming-Titel attraktiv.Investiert Ihr globaler Technologiefonds auch in deutsche Titel? Halten Sie Anteile an SAP?Obwohl wir derzeit Softwaretitel insgesamt eher etwas untergewichten, halten wir weiterhin Anteile an SAP. Der Softwarekonzern ist gut positioniert. Vor allem bewerten wir den Wandel hin zum Cloud-Anbieter als positiv.Was müssen Investoren im Tech-Sektor noch beachten?Der Technologiesektor hat zwar in den vergangenen Jahren insgesamt deutlich an Wert gewonnen und dürfte auch langfristig weiterhin überdurchschnittlich zulegen. Doch ist natürlich nicht jeder Tech-Wert automatisch ein Überflieger, es gibt gerade in diesem Sektor auch Titel mit hohen Kursverlusten. Als Tech-Investor gilt es daher vor allem diejenigen Unternehmen zu identifizieren, die durch ihre Innovationen langfristig erfolgreich sein dürften. Dazu ist es notwendig, die Firmen und ihre Geschäftsmodelle zu verstehen. Nicht zuletzt ist auch Disziplin wichtig, so sollte man bei allzu extremen Bewertungen mit Investments vorsichtig sein. Und auch Geduld spielt eine Rolle: Es kann manchmal eine gewisse Zeit dauern, bis auch der Kapitalmarkt den Erfolg eines Unternehmens in vollem Umfang realisiert.Das Interview führte Werner Rüppel.