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Es wird immer smarter

Faktor-ETF kommen bei institutionellen Anlegern gut an. Nächste Welle Multi-Faktor.

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Von Anna-Maria BorseMinimum-Volatility-, Value- oder Size-Faktor-ETF sind in diesem Jahr das große Thema gewesen. Immer mehr ETF-Anbieter sind mit neuen Produkten auf den Markt gekommen. Grund für den Hype: Aufgrund der jahrelangen Niedrigzinspolitik suchen Investoren nach immer neuen Renditemöglichkeiten. “Einerseits lässt sich durch den Einsatz von Faktor-ETF beispielsweise die Volatilität des Portfolios senken, andererseits sind auch Überrenditen möglich”, erklärt Dag Rodewald, Leiter UBS ETF Deutschland & Österreich. Seiner Ansicht nach sind Faktor-ETF sehr gut als Beimischungen für Portfolios geeignet, die nach dem Core-Satellite-Ansatz gemanagt werden. Keine NeuentdeckungFaktor-ETF gehören zur Gruppe der Smart- Beta-Produkte und beschränken sich – anders als die klassischen ETF – nicht auf die Abbildung eines einfachen, nach Marktkapitalisierung gewichteten Index. Sie greifen vielmehr einen Faktor heraus, der höhere Renditen verspricht. Der Index­anbieter MSCI hat sechs Faktoren ermittelt, mit denen Anleger einen klassischen Index in der Vergangenheit schlagen konnten: Dividendenrendite, Momentum, Nebenwerte (“Low Size”), niedrige Volatilität (“Minimum/Low Volatility/Variance”, “Low Beta”), Quality und Value. Andere nennen noch Growth und Buyback als zusätzliche Faktoren. Factor Investing ist nichts Neues, im aktiven Fondsmanagement ist es längst etabliert. In dem von Eugene Fama und Kenneth French erarbeiteten Fama-French-Dreifaktorenmodell aus dem Jahr 1993 werden neben dem im Capital Asset Pricing Modell (CAPM) herausgestellten Marktrisiko als Renditequelle bei Aktien noch Size und Value als Prämie für die Übernahme von Risiko genannt. Bei Size geht es um den Renditeaufschlag von Unternehmen mit kleiner Marktkapitalisierung gegenüber solchen mit großer, bei Value um den von Substanzwerten, die gemessen am inneren Wert der Aktie zu billig sind. Mark Carhart hat 1997 noch eine Erweiterung um den Faktor Momentum vorgenommen. Dabei handelt es sich um höhere Renditen von Aktien mit in der Vergangenheit starker Performance. Size gehört zu den Faktoren, deren Wirksamkeit am besten nachgewiesen ist, doch auch für die Überrendite von Momentum, Value, Quality und Low Volatility sprechen viele Studien. Mit dem Faktor Quality wird auf Unternehmen besonderer Qualität gesetzt, erkennbar etwa an einer stabilen Profitabilität, starker Cash-Generierung und vergleichsweise geringer Verschuldung. Minimum-Volatility-Strategien stellen unterdessen auf den Zusammenhang zwischen geringen Volatilitäten und Überrenditen ab. Dies gilt als besonders rätselhaft, gesprochen wird daher von der “Low-Volatily-Anomalie”: Eigentlich müsste, wer an der Börse höhere Risiken eingeht, mit höheren Erträgen belohnt werden, die Praxis sieht jedoch anders aus. Großes ProduktangebotIm ETF-Bereich gab es Factor Investing lange Zeit nicht, lediglich High-Dividend-Produkte sind schon lange am Markt. Mittlerweile sind an der Börse Frankfurt 20 Minimum-Volatility-ETF gelistet, 24 Value-, neun Momentum-, vier Growth-, zwölf Quality- und fünf Size- sowie zahlreiche weitere Mid- oder Small-Cap-ETF. Fast alle der auf dem deutschen Markt aktiven ETF-Anbieter haben entsprechende Produkte aufgelegt: iShares, Lyxor, UBS, Amundi, Ossiam, DB X-Trackers, PowerShares, BNP Paribas, SPDR, Deka und Source. Klarer Marktführer ist iShares. Viele der ETF beziehen sich auf MSCI-Indizes, das Unternehmen hat zahlreiche Faktor-Indizes aufgelegt. Produktseitig sind neben den Dividendenstrategie-ETF Low-Volatility-Produkte die größten: iShares-ETF wie der iShares Edge MSCI Europe Minimum Volatility (IE00B86MWN23) und der iShares Edge MSCI World Minimum Volatility (IE00B8FHGS14) haben über 1 Mrd. Euro an Assets under Management, der iShares Edge S & P Minimum Volatility (IE00B6SPMN59) sogar fast 1,7 Mrd. US-Dollar. Nicht alle zur gleichen Zeit erfolgreichDie meisten Faktor-ETF sind relativ neuen Datums, bislang lässt sich über die längerfristige Performance noch nicht viel sagen. Ein Problem haben die auch “Single-Factor-ETF” genannten Produkte aber in jedem Fall: Die Faktoren überzeugen auf lange Sicht, aber nicht alle zur gleichen Zeit, mal läuft der eine Faktor gut, mal der andere. Value-Aktien trumpfen zum Beispiel in der frühen Phase eines Wirtschaftszyklus auf, Momentum-Werte in Phasen mit klaren Aufwärts- oder Abwärtstrends. Quality zahlt sich besonders in späteren Zyklusphasen und im wirtschaftlichen Abschwung aus. Minimum-Volatility-Strategien reüssieren unterdessen in unsicheren Phasen – etwa während des Rücksetzers an den Börsen im Sommer 2015 und Anfang dieses Jahres. Die Alles-in-einem-Produkte”Das Timing ist ein Problem”, räumt Heike Fürpaß-Peter von Lyxor ein. Manche Assetmanager setzen ohnehin lieber auf einen aktiven Ansatz: “Es ist einfach unrealistisch, von einer systematischen Strategie eine langfristige Outperformance zu erwarten”, erklärt Arne Staal, Head of Multi-Asset Quantitative Strategies beim zur britischen Standard-Life-Versicherungsgruppe gehörenden Assetmanager Standard Life Investments. Der hat in einer Studie untersucht, ob es algorithmisch gesteuerten Indizes gelingt, nachhaltig Outperformance zu erzielen. Faktoren lieferten im Verlauf eines Zyklus eben unterschiedliche Ergebnisse relativ zum allgemeinen Markt, heißt es. Ein erfolgreiches Navigieren durch diese Zyklen erfordere ein tiefes Verständnis des wirtschaftlichen Umfelds und des entsprechenden Verhaltens einzelner Investments – da mache ein aktiver Ansatz mehr Sinn. Unterschiedliche AnsätzeEinen Ausweg für Anleger wollen sogenannte Multi-Faktor-ETF bieten, die verschiedene Faktoren in einem Portfolio bündeln. Amundi hat 2014 den ersten Multi-Faktor-ETF auf den Markt gebracht, mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Produkten. Die Ansätze unterscheiden sich: Während Lyxor zum Beispiel sämtliche Faktoren gleich gewichtet, legen andere Emittenten viel Wert auf die Berücksichtigung von Korrelationen. So kombiniert Amundi die vier Faktoren Volatilität, Bewertung, Momentum und Größe nach fünf Gewichtungskriterien wie etwa der niedrigsten Korrelation. Welcher Ansatz der bessere ist, muss sich noch zeigen.Rodewald von der UBS sieht Multi-Faktor-ETF grundsätzlich positiv: “Sie können helfen, Risiko-Ertrags-Profile zu verbessern, und haben den Vorteil, dass eine mögliche Underperformance eines einzelnen Faktors durch einen oder mehrere andere Faktoren kompensiert werden kann.” Das Timing-Risiko könne somit reduziert werden. “Dabei ist es aus meiner Sicht aber wichtig, dass die Auswahl und die Gewichtung der einzelnen Faktor-Strategien transparent und gut nachvollziehbar sind.” Von den Kosten her können ETF – wie immer – punkten: Diese liegen bei Faktor-ETF mit meist 20 bis 30 Basispunkten für die Single-Factor- und 40 für die Multi-Faktor-Produkte zwar über denen der traditionellen ETF, aber immer noch deutlich unter denen von aktiven Fonds, bei denen es oft 150 Basispunkte sind – was gerade in Niedrigzeiten wie den aktuellen eine große Rolle spielt. Vom ursprünglich simplen ETF-Konzept haben sich vor allem die Multi-Faktor-ETF allerdings weit entfernt. Zwar agieren auch diese Produkte regelbasiert, ganz einfach ist es aber nicht zu durchblicken, wie ein Multi-Faktor-ETF funktioniert. Wer sich für die Anlage entscheidet, sollte sich in jedem Fall Gedanken darüber machen, wie die Faktoren gewichtet sein sollen und ob und wie ein Rebalancing vorgenommen wird. Fürpaß-Peter empfiehlt Faktor-ETF vor allem institutionellen Investoren. “Als Basisinvestment für Privatanleger eignen sich eher die herkömmlichen Indizes.”