ZEITZEUGEN - IM INTERVIEW: MANFRED GENTZ

"Es wurde eine Chance verpasst"

Über die gescheiterte Börsenfusion und Kasinoelemente des Hochfrequenzhandels, über Insichgeschäfte von Banken und sein Bauchgefühl bei Vergütungen

"Es wurde eine Chance verpasst"

– Herr Dr. Gentz, Sie haben in der Realwirtschaft gearbeitet, die Finanzwirtschaft ist Ihnen als ehemaligem Debis-Chef und durch Aufsichts- bzw. Verwaltungsratsmandate mindestens ebenso vertraut. Wie bewerten Sie das Verhältnis zwischen beiden Seiten?Das Verhältnis ist grundsätzlich durchaus gesund. Die Banken kommen ihrem Auftrag, Unternehmen und Märkte zu finanzieren, weitestgehend nach. Insofern ist das funktionale Zusammenwirken in Ordnung. Das gilt nicht nur für das Kreditgeschäft, sondern auch für sinnvolle Absicherungsgeschäfte. Das Problem liegt darin, dass viele Menschen den Eindruck haben, die Finanzwirtschaft beschäftige sich überwiegend mit sich selbst und mache spekulative Geschäfte, die nicht ihrer eigentlichen Funktion entsprechen.- Ein begründeter Eindruck?Die Kritik trifft aus meiner Sicht nur eine relativ geringe Zahl von Finanzinstitutionen. Die große Mehrzahl der Banken konzentriert sich auf ihre angestammten Aufgaben und nimmt diese sachgerecht wahr.- Von Industrieverbänden und Unternehmensführern sind zunehmend kritische Äußerungen über die Banken zu hören.Das Vorurteil, dass alle Übel dieser Welt von den großen Banken ausgehen, ist weit verbreitet, nicht zuletzt in Politik und Medien. Sicher hat die Finanzwirtschaft ihren Teil dazu beigetragen, dass wir in diese Krise hineingerutscht sind. Aber ich warne vor Verallgemeinerungen.- Soweit Banken für die Krise mitverantwortlich sind: Fehlt es an der Moral?Teilweise mag das mit mangelhafter Moral zusammenhängen. Eine größere Rolle scheint mir zu spielen, dass einige Akteure nicht genug darüber nachdenken, welche Grundfunktion die Finanzwirtschaft hat oder haben sollte. Geld hat letztlich die Funktion, den Austausch von Produkten und Dienstleistungen zu ermöglichen, ihn effizienter und schneller zu machen. Daraus leitet sich die Hauptaufgabe der Banken ab. Wenn Sie sich die einschlägigen Statistiken anschauen, stellen Sie aber fest, dass global 90 bis 95 % aller Transaktionen nicht unmittelbar diesem Zweck dienen. Da bleiben also nur 5 oder 10 %, wenn Sie großzügig rechnen vielleicht 15 % übrig. Selbst wenn Sie die sinnvollen Absicherungsgeschäfte über Derivate berücksichtigen, kommen Sie auf einen riesigen Anteil von Transaktionen, die letztlich nichts anderes sind als Insichgeschäfte oder Geschäfte der Finanzinstitute untereinander bzw. mit Anlegern mit spekulativem Charakter.- Welche Rolle spielen dabei die Vergütungen bzw. die Anreizsysteme?Sie waren ein Teil des Problems. Die außergewöhnlich hohen Vergütungen sind ja vor allem in Bereichen aufgefallen, in denen kurzlaufende und spekulative Geschäfte dominieren. Die Regulierung und die öffentliche Kritik haben mittlerweile dazu geführt, dass die gröbsten Fehlentwicklungen korrigiert werden. Ich meine, dass extreme Incentives, wie wir sie teilweise gesehen haben, auch gar nicht notwendig sind. Nach meiner Überzeugung haben die meisten Menschen Freude an einer interessanten Aufgabe und wollen mit ihrer Arbeit etwas Sinnvolles zum Nutzen der Gesellschaft beitragen. Dafür können finanzielle Anreize zusätzliche Impulse geben, aber sie dürfen nicht zum Selbstzweck werden.- Sie glauben an das Gute im Menschen?Sagen wir mal so: Den Menschen wurde durch extensive Incentivesysteme die Befriedigung an der eigenen Arbeit ausgetrieben. Sie wurden gewissermaßen dazu erzogen, sich auf die finanziellen Anreize zu fokussieren. Das wird man nicht vollkommen zurückdrehen können, und dafür plädiere ich auch gar nicht. Aber der mögliche materielle Zugewinn sollte nicht die alleinige Antriebsfeder sein.- Sie sind ja als Befürworter eines Cap bekannt.Ich bin nicht für einen absoluten Cap. Aber kein Incentivesystem sollte nach oben offen sein. Man hört mitunter den Einwand, so viele positive Einflüsse könne das zugrunde liegende Schema gar nicht gleichzeitig entfalten, dass die Vergütung durch die Decke geht. Die Erfahrung zeigt: Sie kann doch durch die Decke gehen. Deshalb bin ich dafür, Obergrenzen im System festzulegen. Diese mögen sich von System zu System unterscheiden. Der Cap kann zum Beispiel durch einen Multiplikator der vereinbarten Fixvergütung definiert sein.- Sie sagen aber nicht, 15 Mill. Euro sind jenseits von Gut und Böse und 10 Mill. Euro sind noch diesseits davon?Wie viele andere Menschen habe ich dazu ein Bauchgefühl, kann aber nicht wirklich rational begründen, was noch angemessen ist und was nicht mehr. Wir können nicht den Markt ignorieren: Wenn wir wollen, dass sich die zunehmend internationale Ausrichtung der deutschen Unternehmen auch in ihren Führungs- und Aufsichtsgremien widerspiegelt, muss dem in gewissem Umfang auch bei der Vergütung Rechnung getragen werden. Sie können auf Dauer die deutschen Vorstände nicht schlechter bezahlen, wenn sie mindestens das Gleiche leisten wie ihr amerikanischer Kollege. Auf der anderen Seite stellt sich eben die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz.- Hier kommt das Bauchgefühl ins Spiel?Ja. Wenn das Bauchgefühl vieler Menschen sagt, 10 Mill. Euro oder 20 Mill. Euro sind nicht mehr in Ordnung, beeinflusst das letztlich die Akzeptanz des Wirtschaftens in einer freien Marktwirtschaft insgesamt. Und wenn dieses System in Misskredit gerät, weil es am Vertrauen in die Führungspersonen hapert, sind wir in unserem freiheitlich-demokratischen und marktwirtschaftlich organisierten Staatswesen mit einem massiven Problem konfrontiert. Das muss sich jeder klarmachen, der über Vergütungen zu entscheiden hat.- Bauchgefühl ist aber schwer zu messen.Deshalb ist es kaum möglich, sich auf absolute Zahlen zu verständigen. Aber der Aufschrei bei manchen Vorstandsvergütungen zeigt schon, was die Gesellschaft nicht mehr akzeptiert. Das wird nicht nur von der Presse hochgespielt. Die Ablehnungsfront ist sehr breit. Ich rate allerdings dazu, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Es gibt in Deutschland nur ganz wenige Vorstände, die sich in extremen Vergütungsregionen bewegen. Das Gros der Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer liegt innerhalb eines Rahmens, der überhaupt nicht zu beanstanden ist.- Ein anderes Thema: Ist Korruption ein Problem in der deutschen Wirtschaft?Das Korruptionsproblem in der deutschen Wirtschaft ist nicht größer oder kleiner als in den meisten anderen Nationen der westlichen Welt. Natürlich stellt sich gerade für ein stark exportorientiertes Land, das seine Produkte auch in Staaten liefert, die als korruptionsgeneigt gelten, die Frage, inwieweit man sich dubiosen Praktiken entziehen kann.- Und kann man?Vorweg: Schmiergelder zahlt niemand aus lauter Begeisterung, sondern nur deshalb, weil er in bestimmten Regionen nicht vom Geschäft abgeschnitten werden will. Das ist keine Rechtfertigung, aber man sollte das wissen. In den deutschen Unternehmen ist in den vergangenen Jahren aufgrund der Diskussionen über einige bekannt gewordene Einzelfälle und als Folge der erhöhten Anforderungen an Compliance sehr viel getan worden, um Regelverletzungen im Allgemeinen und Korruption im Besonderen so weit wie möglich einzudämmen. Dass das 100-prozentig gelingen kann, wage ich zu bezweifeln. Unternehmen sind mit ihren Mitarbeitern ein Spiegelbild der Gesellschaft, und in dieser Gesellschaft wird es immer Leute geben, die sich nicht so verhalten, wie sie sich verhalten sollten – trotz aller Vorkehrungen.- Ist Ihnen deshalb die Unterzeichnung des UN-Abkommens gegen Korruption durch die Bundesregierung so wichtig?Es geht mir um die Glaubwürdigkeit der deutschen Wirtschaft. Die Unternehmen bauen heute routinemäßig Compliance-Klauseln in ihre Verträge ein. Von ausländischen Geschäftspartnern müssen sie sich dann sagen lassen: “Eure Regierung hält solche Regeln offenbar nicht für nötig.”- Warum blockiert Berlin die Verabschiedung des Abkommens?Wenn Sie mit Abgeordneten darüber sprechen, hören Sie heraus, dass es eine gewisse Angst vor übereifrigen Staatsanwälten gibt. Wenn ich sehe, wie Verdächtige gelegentlich an den Pranger gestellt werden, kann ich diese Sorge sogar verstehen.- Sie meinen Hausdurchsuchungen mit öffentlicher Begleitmusik?Die Fälle, bei denen neben einem Großaufgebot der Polizei “zufällig” gleich die Presse aufmarschiert ist, sind bekannt. So kann man die Betroffenen in der Öffentlichkeit unmöglich machen, selbst wenn sich ein Verdacht später als haltlos erweist. Andererseits darf das kein Argument sein, eine UN-Konvention zu blockieren, die schon von mehr als 160 Ländern unterzeichnet und in Kraft gesetzt wurde. Der Bundestag muss einen Weg finden, das Gesetz so zu formulieren, dass nicht jede Einladung zu einer Tasse Kaffee oder von mir aus auch zu einem Fußballspiel den Staatsanwalt auf den Plan rufen kann.- Weil sonst der nützliche Kontakt zwischen Wirtschaft und Politik unterbunden würde?Sinnvolle Lobbyarbeit ist auch im gesellschaftlichen Gesamtinteresse nützlich und notwendig. Politiker sind heute mit einer Fülle von Themen befasst, die sie unmöglich in ihrer ganzen Breite und Tiefe durchdringen können. Gute Lobbyarbeit zielt deshalb zunächst einmal darauf ab, ein Problem aus der Sicht der Wirtschaft transparent zu machen und das Verständnis für die Grundlagen von Entscheidungen zu verbessern. Wenn Abgeordnete sich nicht mehr mit Wirtschaftsvertretern treffen können, weil sie Angst haben müssen, mit ihnen zusammen gesehen zu werden und irgendeinen Verdacht zu erregen, und dadurch dieser wichtige Kontakt verloren geht, haben wir mit Zitronen gehandelt.- Wo zieht man die Grenze zwischen “unverdächtig” und “verdächtig”?Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Es ist ein sensibles Thema, das auf allen Seiten Fingerspitzengefühl dafür verlangt, was geht und was nicht geht.- Was geht denn?Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn ein Autokonzern einem Abgeordneten für begrenzte Zeit ein Elektroauto zur Verfügung stellt, damit er ausprobieren kann, wie das funktioniert und wo diese Technik an Grenzen stößt, finde ich das nicht verwerflich. Es dient der fundierten Meinungsbildung und Entscheidungsfindung im volkswirtschaftlichen und im umweltpolitischen Interesse. Von der Möglichkeit, Testfahrzeuge zu nutzen, macht auch die Presse ausgiebig Gebrauch, um ihre Leser sachgerecht zu informieren.- Erleben wir zurzeit eine Krise, wie es sie immer wieder mal gibt, oder ist diese Krise so säkular, wie viele sie empfinden?Neu ist die globale Ausstrahlung. Diese Dimension hatte nicht einmal die Weltwirtschaftskrise 1929. Die heutige Krise greift aufgrund der engen Verflechtung der Weltwirtschaft wesentlich weiter und schneller um sich. Dementsprechend fordert sie nachgerade dazu heraus, sich auf global gültige Spielregeln zu verständigen. Das fällt aber bekanntlich schon in Europa schwer. Umso schwerer ist es zwischen Europa und Amerika, die beide sehr unterschiedliche Herangehensweisen haben. Und die Asiaten weisen mit Recht darauf hin, dass auch sie Rezepte haben, wie man mit solchen Situationen umgeht.- Was tun?Ich halte es für zwingend, den Rahmen für die Finanzwirtschaft so weit zu vereinheitlichen, dass regulatorische Arbitrage so weit wie möglich ausgeschlossen ist. Denn solange es von Land zu Land ein regulatorisches Gefälle gibt, finden kreative Investmentbanker Wege, das auszunutzen.- Wie nah stehen wir am Abgrund?Ich habe so viel Vertrauen in die Vernunft der Menschen, dass ich denke, die Krise wird zwar nicht kurzfristig, aber doch schrittweise beigelegt werden können. In Europa ist bei allen Unterschieden in den nationalen Interessen der Druck, gemeinschaftlich zu handeln, so groß, dass man sich verständigen wird. Auch die historische Erfahrung spricht dafür, dass am Ende die Vernunft siegt, auch wenn die Europäer sich immer wieder streiten wie die Kesselflicker.- Wie gefällt Ihnen das Krisenmanagement?Es ist leicht, die Politik zu kritisieren. Natürlich kann man rückblickend über die Richtigkeit einzelner Schritte, etwa im Fall Griechenland, trefflich streiten und sicher auch zu dem Ergebnis kommen, dass die eine oder andere Entscheidung falsch war. Ich selbst bin da zurückhaltend. Sie dürfen nicht vergessen, dass die Regierungen unter enormem Handlungsdruck stehen, zu dem auch die Finanzmärkte maßgeblich beitragen. Welche Dimensionen die Krise angenommen hat, konnte niemand vorhersehen. Hinzu kommt, dass die politisch Verantwortlichen von der Wissenschaft ziemlich allein gelassen wurden und bestenfalls wenig fundierte und oft widersprüchliche Ratschläge bekommen haben.- Sie unterstützen also den Kurs von Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble?Beide haben entscheidende Positionen gehalten und vielfach auch mit Erfolg in Europa für diese Positionen geworben. Das ist eine beachtliche Leistung. Sie hatten dabei den Mut, sich im Ausland unbeliebt zu machen oder sich sogar – ich meine: zu Unrecht – zum Buhmann abstempeln zu lassen. Frau Merkel und Herr Schäuble haben als Erste deutlich ausgesprochen, dass – wenn wir den Euro erhalten wollen – eine stärkere Kontrolle des Finanzgebarens der Länder nötig ist und dass das nicht ohne weiteren Souveränitätsverzicht möglich sein wird. Oder nehmen Sie das Beispiel Euro-Bonds: Auch dieses Instrument kann ohne ausreichende Kontrolle des Verhaltens wenigstens aller Euro-Länder nicht funktionieren, weil es sonst auf eine Vergemeinschaftung aller Schulden auf Dauer hinausliefe und es keinerlei Anreize mehr gäbe, sich finanzpolitisch solide zu verhalten. Konkret zu Ihrer Frage: Ja, ich halte den von der Bundesregierung eingeschlagenen Weg jedenfalls grundsätzlich für richtig.- Aber was sagen Sie als Jurist zum Bail-out von Euro-Ländern oder zu Anleihekäufen der EZB und anderen unorthodoxen Interventionen?Manche Maßnahmen erscheinen in der Tat zumindest als grenzwertig. Allerdings ist es für Juristen immer leicht, die Einhaltung vermeintlich klarer Regeln anzumahnen. Aber vielleicht sind Notmaßnahmen zur Abwendung eines viel schlimmeren Übels doch gerechtfertigt? Diese spannende Frage liegt jetzt beim Europäischen Gerichtshof auf dem Tisch. Das Bundesverfassungsgericht hat gefordert, dass die Informations- und Mitentscheidungsrechte des Parlaments hinreichend gewahrt bleiben müssen. Das kritisiere ich nicht. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass nicht alles, was Regierungen tun, justiziabel sein kann. Es muss einen Ermessens- und Handlungsspielraum geben.- Ein ganz anderes Thema: Trauern Sie der gescheiterten Fusion von Deutscher Börse und Nyse Euronext noch nach?Ich trauere ihr nicht nach, aber es wurde eine Chance verpasst. Die Chance lag darin, gemeinsam eine in Europa dominierende und transatlantisch kooperierende Börse für den Derivate- wie für den Kassamarkt zu formen, die insbesondere gegenüber den aufkommenden Wettbewerbern aus Asien eine starke Position hätte einnehmen können. Wir müssen die Entscheidung der Europäischen Kommission respektieren, auch wenn ich sie nach wie vor für falsch halte, und zwar aus zwei Gründen: Der Derivatemarkt wurde falsch abgegrenzt, und man hat geglaubt, der europäische Markt habe mit dem globalen Markt nichts zu tun. Wir haben immer gesagt, unser größter Konkurrent weltweit ist die amerikanische CME Group. Den Beweis hat die CME wenige Wochen nach der Brüsseler Entscheidung geliefert, als sie ankündigte, den Derivatemarkt in London weiter massiv ausbauen zu wollen.- Sind die deutsche und die amerikanische Unternehmenskultur überhaupt kompatibel? Sie haben ja reichlich Erfahrung auf dem Gebiet, nicht zuletzt mit Daimler-Chrysler.Ich denke schon, dass die Kulturen zumindest kompatibel gemacht werden können. Aber ein Zusammenschluss, der als Merger of Equals konzipiert ist, bekommt unabhängig von den jeweiligen Unternehmenskulturen Probleme, wenn jeder der Equals überzeugt ist, der Bessere zu sein und als Einziger zu wissen, wie man das Geschäft richtig betreibt. Integration und das Heben von Synergien dürfen nicht nur theoretisch angesteuert werden, sondern müssen gelebt werden. Inwieweit das geschieht, ist nicht zuletzt eine Frage der Führung. Aber wenn Fusionen nicht zustande kommen oder scheitern, hat das meist mehrere Gründe, auch externe. Denken Sie nur an “9/11”. Der Terrorangriff auf die USA bedeutete auch einen unglaublichen Schlag für den Markt.- Was halten Sie vom Hochfrequenzhandel: sinnvoll für die Volkswirtschaft oder Finanzkasino?Der Hochfrequenzhandel hat schon viele Kasinoelemente. Es gibt eine technische und eine inhaltliche Ebene. Die erste Ebene können Sie mit dem Zwang zur Schaffung von Transparenz, also mit Registrierungs- und Offenlegungspflichten, oder auch mit Abbruchmechanismen in den Griff kriegen. Das ist national und international inzwischen auf einem guten Weg. Was die inhaltliche Ebene angeht, sollten Börsenbetreiber sich auch über die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit des Handels Gedanken machen, der auf ihren Plattformen stattfindet. Ist diese Art von Geschäften wirklich das, was unsere Volkswirtschaft weiterbringt? Daran kann man zumindest für Teile des Hochfrequenzhandels Zweifel hegen.- Sie sind – neben anderen Ehrenämtern – Präsident der Internationalen Handelskammer (ICC) Deutschland. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?Unsere Vorväter, die 1919 die ICC gegründet haben, nannten sich “Merchants of Peace”. Sie waren unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs der Überzeugung, dass Länder umso schwerer gegeneinander Krieg führen können, je enger sie wirtschaftlich verflochten sind und Handel miteinander treiben. Diese Idee gilt im Grunde bis heute. Die Arbeit der von Unternehmen und Institutionen aus 130 Ländern getragenen ICC ist von hohem Nutzen für den freien und fairen Welthandel und die Investitionsfreiheit und damit letztlich für die Beseitigung von Armut. Die ICC unterhält zudem den renommierten Internationalen Schiedsgerichtshof, der maßgeblich hilft, Handelsstreitigkeiten schneller und effizienter beizulegen, als es durch staatliche Gerichte möglich ist. Die ICC leistet also insgesamt sehr gute Dienste. Leider wissen zu wenige davon.—-Das Interview führte Bernd Wittkowski.