ESG-Grundsätze bei Wohnimmobilieninvestments
Dr. Andreas PeppelHead of Fund Structure Advisory bei Institutional Investment Consulting PartnersInvestments nach ESG-Grundsätzen (Environmental, Social, Governance) gewinnen bei institutionellen Investoren zunehmend an Bedeutung – auch im Bereich Wohnimmobilien. Diese zeigen sich jedoch unter dem Aspekt der Sozialverantwortung besonders sensibel, wie zahlreiche Medienberichte widerspiegeln, in denen Mieter über (überzogene) Mieterhöhungen, Luxusmodernisierungen oder unzureichende Instandhaltung durch den Eigentümer klagen. Anleger, die die Wirtschaftlichkeit einer Wohnimmobilienanlage im Lichte ethisch-moralischer Grundsätze betrachten, sehen sich immer öfter in einem Zielkonflikt, denn sorgfältig ausgesuchte Wohnimmobilien bieten einen stetigen Ertrag, sind mittelfristig wertstabil und dienen der sektoralen Diversifikation. Bei der Abwägung zwischen Rendite und sozialer Verantwortung kann die intelligente Implementierung von ESG-Kriterien helfen. Hierfür sind für alle Wertschöpfungsbausteine und Investitionsphasen des Fonds konkrete und verpflichtende ESG-Leitplanken für das Immobilienmanagement zu definieren. Klar ist: Das kostet Rendite, weil so eventuell nicht alle Potenziale eines Wohnobjektes gehoben werden können. Die ESG-Kriterien sollten z. B. in Form einer Sozialcharta verständlich und möglichst eindeutig definiert sein. Gängige Beispiele sind Verbote von sogenannten Privatisierungsgeschäften oder Luxusmodernisierungen, welche die Ausstattung, den baulichen Zuschnitt und das Wohnumfeld derart ändern, dass die betroffene Bestandswohnung anschließend überwiegend die einkommensstärksten Nachfrager anspricht.Bei der inhaltlichen Ausgestaltung von sozialverträglichen Investitionsleitplanken verweisen Fondsinitiatoren gerne auf geltendes Mietrecht. Doch auch in den eingangs erwähnten Negativfällen wurde oftmals gesetzeskonform gehandelt. Obwohl der Gesetzgeber mit dem zum 1.1.2019 in Kraft getretenen Mietrechtsanpassungsgesetz (MietAnpG) die (wirtschaftlichen) Interessen der Mieter nochmals gestärkt hat, zeigt sich in der Praxis nach wie vor, dass ESG-Maßstäbe strenger sein sollten, als es das Mietrecht vorsieht. Bei der Anwendung der Mieterhöhungsoptionen nach § 557 BGB (Mieterhöhungen nach Vereinbarung oder Gesetz) und § 558 BGB (Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete) ist ebenso Fingerspitzengefühl gefragt, wie bei der Planung von Modernisierungsmaßnahmen, deren Kosten mit bis zu 8 % nach § 559 BGB auf die Miete umgelegt werden können. Hier steht die wirtschaftliche Belastbarkeit einzelner Mieter im Fokus, die gemäß dem Motto “(höchstmögliche) Rendite nicht um jeden Preis” nicht überstrapaziert werden darf.Das Fingerspitzengefühl eines Assetmanagers und des beauftragten Propertymanagers zeigt sich bereits in der Kommunikation mit den Mietern. Nach Übergang von Nutzen und Lasten sollten die Mieter im Rahmen einer Informationsveranstaltung über den Eigentümerwechsel und gegebenenfalls über die Zweckmäßigkeit beabsichtigter (baulicher) Maßnahmen in dem Objekt informiert und “abgeholt” werden. So erhält der Manager im direkten Dialog mit den Bewohnern ein Gefühl über deren Sorgen und Nöte und kann sich hierauf einstellen.Die Einhaltung der Sozialcharta muss mit dem Assetmanager und dem ggf. beauftragten externen Propertymanager vertraglich geregelt sein. Bewährt hat sich die Integration der ESG-Grundsätze in den Dienstleistungsvertrag zwischen Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) und Assetmanager. Fondskonstruktionen, in denen die immobilienbezogenen Leistungen und die Fondsadministration durch jeweils unabhängige Unternehmen erbracht werden, erweisen sich gegenüber solchen als vorteilhaft, bei denen aus der Hand einer Unternehmensgruppe geleistet wird. Denn bei einem Fehlverhalten des Assetmanagers dürfte eine sichtbare und wirkungsvolle Sanktionierung im Sinne des Investors bis hin zum Austausch des Managers schwierig sein, wenn KVG und Assetmanager assoziiert sind.Darüber hinaus muss der Assetmanager dafür sorgen, dass auch alle durch ihn beauftragten Dienstleister die Sozialcharta befolgen. Die Arbeitsprozesse sind so zu gestalten, dass die Einhaltung der ESG-Leitlinien regelmäßig kontrolliert wird. Bereits eine kundenunfreundliche Kommunikation mit Mietern kann eskalieren, wenn seitens der Hausverwaltung z. B. Wasserschäden bagatellisiert und nicht in einer vorher definierten Reaktionszeit bearbeitet werden. Der Assetmanager muss daher in jeder Phase eines Objektlebenszyklus maximale Transparenz über ESG-sensitive Themen gegenüber Anlegern und KVG darstellen. Bei besonders wichtigen Themen müssen Genehmigungs- und Abstimmungsprozesse vorgelagert sein, um unerwünschte Ereignisse von vornherein auszuschließen. So sollte jede angestrebte gerichtliche Durchsetzung von (wirtschaftlichen) Interessen des Fonds gegenüber einzelnen Mietern vorab mit den gegebenen ESG-Kriterien abgewogen und in jedem Fall mit der KVG abgestimmt werden. Denn in ihrem Namen wird geklagt und entsprechend steht sie gegebenenfalls im Fokus von Medien und Öffentlichkeit.Bereits im Ankaufsprozess können Objekte identifiziert werden, bei denen ein Konflikt mit ESG-Kriterien entstehen könnte. Wenn aus der Mieterliste hervorgeht, dass im Objekt vorwiegend ältere, alleinstehende Personen zu einem im Vergleich zum näheren Umfeld geringen Mietzins wohnen, könnten die Spielräume einer sozialverträglichen Renditeoptimierung sehr begrenzt sein. Der Businessplan des Assetmanagers müsste dann eine entsprechende Modellierung der Cash-flow- und Renditeoptimierung zeigen. Eine vollständige Anpassung an die Marktmiete würde dann erst nach Auszug des jeweiligen Mieters erfolgen können. In einem Wohnimmobilienfonds verbindlich definierte ESG-Kriterien ordnen wirtschaftliche Interessen der sozialen Verantwortung unter. Auch wenn dadurch Renditepotenziale nicht vollends ausgeschöpft werden, schafft dieses Vorgehen ein hohes Vertrauen in die Umsetzungsfähigkeit ethisch-moralischer Aspekte im Rahmen der institutionellen Kapitalanlage.