ESM schlägt Backstop für Versicherer vor
ESM schlägt Backstop für Versicherer vor
Öffentlich-private Risikoteilung bei Naturkatastrophen – Letztsicherung bei europäischer Bankenabwicklung als Blaupause
Der milliardenschwere Backstop für den europäischen Bankenabwicklungsfonds könnte einem Vorschlag des Euro-Rettungsfonds ESM zufolge eine Blaupause auch für die Versicherungsbranche sein. Eine solche Letztsicherung mit möglichen Krediten könnte demnach bei Naturkatastrophen zum Einsatz kommen.
In die Debatte, wie die zunehmenden Schäden durch Naturkatastrophen künftig noch versichert werden können, mischt sich jetzt auch der Europäische Stabilitätsmechanismus ein. In einem Debattenbeitrag, der der Börsen-Zeitung vorab vorliegt, schlagen die ESM-Ökonomen eine europäische Letztsicherung für die Versicherungsbranche nach dem Vorbild des ESM-eigenen Backstops für den Bankenabwicklungsfonds SRF vor.
Private und öffentliche Risikoteilungsmodelle könnten dazu beitragen, die Wirtschaft widerstandsfähiger gegen Klimarisiken zu machen, indem sie auch die aktuelle Versicherungsschutzlücke verringerten, argumentieren die Luxemburger Ökonomen. „Die Grundsätze, die der Gestaltung des ESM-Backstops für den Einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) zugrunde liegen, können als Blaupause für die Entwicklung eines öffentlichen Systems dienen.“
Hintergrund der Debatte sind die steigenden Risiken aus dem Klimawandel. Zuletzt hatten unter anderem Waldbrände, Sturmschäden sowie die jüngsten Überschwemmungen in Slowenien, Österreich und Griechenland die Debatte noch einmal angeheizt. In den USA bieten einige Versicherer Hausbesitzern bereits keinen Schutz mehr vor Schäden durch Naturkatastrophen.
Dazu kommt: Bei Naturkatastrophen sind häufig weniger als die Hälfte der Schäden oder gar nur ein Bruchteil versichert. Weltweit summierte sich der Schaden aus Stürmen, Überschwemmungen oder Erdbeben im ersten Halbjahr 2023 laut Daten der Munich Re auf 110 Mrd. Dollar. Davon waren 43 Mrd. Dollar versichert. Die weite Versicherungslücke ist dabei mitnichten nur ein Problem von Schwellen- oder Entwicklungsländern: Die schweren Überschwemmungen im Nordosten Italiens und angrenzenden Ländern im Mai führten zu etwa 10 Mrd. Dollar an Schäden – nur gut ein Zehntel davon war versichert. Auch bei der Flutkatastrophe an der Ahr im Juli 2021 war weniger als ein Viertel des geschätzten Gesamtschadens von rund 40 Mrd. Euro von der Assekuranz gedeckt.
Kredite bei Extremfällen
Konkret schlägt der ESM vor, dass bei einer öffentlich-privaten Risikoteilung Lösungen des Privatsektors zuerst greifen sollen. Darauf aufsetzend könnte ein europaweiter Rückversicherungspool für Naturkatastrophenschäden die Risikotragfähigkeit der Erstversicherer verbessern. Ein dahinter geschalteter öffentlicher Backstop auf supranationaler Ebene, der in Extremfällen Kredite bis zu einer festgelegten Höhe an den Rückversicherungspool vergeben würde, könne aber privatwirtschaftliche Lösungen fördern und stärken und die finanzielle Belastungen für die einzelnen nationalen Regierungen begrenzen - und damit in einigen Ländern natürlich auch die Risiken für die Schuldentragfähigkeit.
Mit seinem Votum für eine öffentlich-private Partnerschaft zur finanziellen Absicherung von steigenden Naturkatastrophenschäden steht der ESM nicht alleine da. Vielmehr greift der Euro-Rettungsfonds damit eine Vorlage der Europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA und der Europäischen Zentralbank (EZB) aus dem Frühjahr auf, die in einem gemeinsamen Papier bereits versucht hatten, die Rolle des öffentlichen Sektors bei der immer schwieriger werdenden Versicherung von Naturkatastrophen auszuloten. In Deutschland wird zudem seit Jahren um eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden gerungen - auch dabei sind öffentlich-rechtliche Modelle in der Diskussion.
Im Bankenbereich wurde mit dem Backstop für den Single Resolution Fonds (SRF) schon ein passendes Design für eine öffentlich-rechtliche Risikoteilung vorgelegt. Der SRF wird bis Jahresende von den Banken selbst mit 78 Mrd. Euro gefüllt sein. Sollte diese Summe nicht ausreichen, wenn etwa mehrere große Banken in Schieflage geraten, soll die 68 Mrd. Euro schwere Letztsicherung zum Einsatz kommen, die beim ESM angesiedelt wird. Dies ist längst in der Eurogruppe beschlossen, aber noch nicht endgültig umgesetzt, weil Italien die hierfür notwendige ESM-Reform bislang nicht ratifiziert hat.
Welches Volumen ein Versicherungs-Backstop erhalten könnte, ließen die Luxemburger Ökonomen in ihrem Papier offen - ebenso, ob der ESM selbst bereit wäre, einen zweiten Backstop in ihr Portfolio zu nehmen. Dies müsse das Ergebnis weiterer politischer Beratungen sein.