17. FinanzplatztagKapitalmarktunion im Blick

ESMA-Chefin nennt Grenzen der Regulierung

Die Bausteine der Kapitalmarktunion haben für die EU-Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA große Bedeutung. Die Chefin der Behörde warnt davor, bei dem Projekt nur auf Regulierung zu setzen.

ESMA-Chefin nennt Grenzen der Regulierung

Grenzen der Regulierung

ESMA-Chefin will bei Kapitalmarktunion mehr Flexibilität – Eurogruppe tagt

Die einzelnen Bausteine der europäischen Kapitalmarktunion haben für die EU-Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA große Bedeutung. Die Chefin der Behörde, Verena Ross, muss dabei nach vorne denken und jüngste EU-Gesetze mit umsetzen. Sie warnt davor, bei dem Projekt nur auf Regulierung zu setzen.

wbr Frankfurt

Die Harmonisierung der Kapitalmärkte ist eines der ältesten Finanzprojekte der EU. Auf dem Finanzplatztag der Börsen-Zeitung hat die Vorsitzende der Europäischen Wertpapieraufsicht (ESMA), Verena Ross, das Thema nicht nur aus aufsichtlicher Perspektive beleuchtet. Die Diskussion ist immer auch politisch, und erst kürzlich hat der französische Wirtschafts- und Finanzminister seinen Unmut über den Prozess zum Ausdruck gebracht. "Ich habe mehr als sechs Jahre lang versucht, eine Kapitalmarktunion aufzubauen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es keinen Sinn macht, mit den 27 Mitgliedstaaten zu beginnen", so Bruno Le Maire.

Großer Handlungsdruck

Ross, die die ESMA mit aufgebaut hat und an vielen Stellen mit der Umsetzung befasst ist, kennt die Ermüdung bei dem Thema. Sie benennt aber auch den Handlungsdruck, den die EU hat. "Klar ist, dass die Bankenunion beispielsweise unvollendet ist, dass die europäischen Kapitalmärkte in vielfacher Hinsicht den globalen Märkten hinterherhinken." Ross sagt, dass die Märkte unterentwickelt seien.

Themen wie Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie erfordern auch aus Sicht von Ross eine Mobilisierung von privatem und öffentlichem Kapital in noch nie da gewesenem Umfang. „Ohne funktionierende Kapitalmärkte werden wir niemals die Ressourcen aufbringen“, sagt sie. Gleichzeitig beklagt die Behördenchefin, dass die EU-Kapitalmärkte weiterhin sehr fragmentiert seien und es viele nationale Sonderformen gebe.

EU-Kapitalmarkt fällt zurück

Es gebe viele besorgniserregende Kennzahlen bezüglich der europäischen Kapitalmärkte, berichtet Ross. 2023 sei bei Aktienneuemissionen das schlechteste Jahr seit 2013 gewesen. Das liege auch daran, dass viele Unternehmen eine Notierung in den USA bevorzugen.

Politik, Aufsicht und Marktteilnehmer seien gefordert, die Kapitalmarktunion weiter voranzutreiben. Gleichzeitig gelte es, die beschlossenen Maßnahmen des jüngsten Pakets umzusetzen. Viele Punkte seien noch abzuarbeiten. Und davon sei die ESMA im wesentlichen Umfang betroffen.

Die Datenschnittstelle ESAP müsse man betriebsbereit machen, das Consolidated Tape ist vorzubereiten und soll 2025 mit einer Ausschreibung für einen Anleihen-Ticker in die nächste Phase gehen. Die neuen Regeln für Ucits- und AIFM-Fonds seien umzusetzen, und bei EMIR stünden Dutzende von technischen Maßnahmen auf der Tagesordnung.

Nähe zu Kunden bleibt wichtig

Regulierung löst aus Sicht von Ross aber nicht alle Probleme des EU-Kapitalmarktes. Kritisch sieht sie daher den Trend zu immer mehr Gesetzen und Vorgaben. Damit ist es nicht getan, es müsse auch über grenzüberschreitende Lösungen nachgedacht werden. Andererseits werde auch die nationale Überwachung weiterhin eine wesentliche Rolle spielen. Die Nähe zu den Kunden sei wichtig.

Die ESMA-Chefin spricht sich für einen Prinzipien-basierten Ansatz in der Regulierung aus, der weniger kleinteilig regelt, sondern mehr Leitlinien vorgibt und eine höhere Flexibilität für die Marktteilnehmer mit sich bringt. In jedem Fall geht es darum, die Zersplitterung der Kapitalmärkte anzupacken, dazu gehören aber nicht nur Marktregulierung, sondern auch eine Harmonisierung des Insolvenzrechtes und der Besteuerung.

Schon in der kommenden Woche werden die Wirtschafts- und Finanzminister der EU im Rahmen der Eurogruppe in Brüssel zusammenkommen. Dabei dürfte die Kapitalmarktunion oben auf der Agenda stehen. Ross würde sich ein einheitliches Vorgehen wünschen.

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