Sanktionen

Käufersuche für russisches Raiffeisen-Geschäft gestaltet sich schwierig

Kein westliches Unternehmen steht wegen seines Russlandgeschäfts derart am Pranger wie die Raiffeisenbank. Nun arbeitet die Bank an konkreten Exitszenarien.

Käufersuche für russisches Raiffeisen-Geschäft gestaltet sich schwierig

Käufersuche für russisches Raiffeisen-Geschäft gestaltet sich schwierig

Österreicher bereiten sich auf Rückzug vor – Verkauf oder Abspaltung im Gespräch – RBI erzielt im Land 60 Prozent ihres Gesamtgewinns

Kein westliches Unternehmen steht wegen seines Russlandgeschäfts derart am Pranger wie die Raiffeisenbank. Als größtes ausländisches Geldinstitut im Land gilt es als systemrelevant – für Russen wie übrigens auch für westliche Firmen dort. Nun arbeitet die Bank an konkreten Exitszenarien. Allein, keines ist realistisch. Das Russlandgeschäft scheint „too big to be sold“.

Von Eduard Steiner, Moskau

Am Ende ging die Raiffeisenbank International (RBI) in die Offensive. Zu stark war der Druck der Öffentlichkeit und der Aktionäre, der vor allem seitens der Ukraine und zuletzt der Europäischen Zentralbank aufgebaut wurde, die Bank möge sich angesichts des Ukraine-Krieges doch endlich von ihrem Russland-Geschäft trennen bzw. zumindest einen Aktionsplan dazu vorstellen. In Russland ist sie ja die einzige Bank neben der Unicredit, die als offiziell systemrelevant eingestuft ist, zumal sie 40% des internationalen Zahlungsverkehrs abwickelt. Ebendort machte sie im Vorjahr auch satte 60% ihres Gewinns in der Höhe von 3,8 Mrd. Euro, indem sie als einzige Großbank vor Ort den Überschuss sogar wesentlich steigerte. Und „eben wegen dieses einzigartigen Gewinns“ habe sie die Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie kein zweites westliches Unternehmen mit Russlandbezug, sagt Oleg Wjugin, einer der renommiertesten russischen Banker und Ex-Vizechef der dortigen Zentralbank, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Komplexe Exit-Szenarien

Also ging die RBI auf ihrer Hauptversammlung am 30. März in die Offensive und konkretisierte die Pläne. Man verfolge die Varianten eines Verkaufs oder einer Abspaltung des Russlandgeschäfts, das dann in Europa gelistet würde, erklärte RBI-Chef Johann Strobl. Und fügte gleich hinzu, dass die Exit-Szenarien äußerst komplex seien – „kein Spaziergang“. Aber was ist überhaupt möglich und realistisch?

Dass die – der „Financial Times“ zufolge „zwar teurere, aber politisch gangbarere“ – Variante B einer Abspaltung des Russlandgeschäfts in eine in Europa gelistete Einheit einen Sinn ergäbe, sofern man keinen Käufer findet, wird von Beobachtern bezweifelt. „Eine solche Einheit würde unter demselben Druck stehen, wie er schon jetzt besteht“, sagt Sergej Gurijew, Ökonom der Pariser Hochschule Sciences Po und früher Aufsichtsrat unter anderem in Russlands größter Bank Sberbank: „Ich denke, es würde nicht funktionieren.“ Doch wie realistisch ist, dass Plan A – also ein Verkauf der russischen Tochterbank – funktioniert?

Angeblich zwei Interessenten

Ein hochrangiger Raiffeisen-Manager sagte Ende März, es gebe zwei ernstzunehmende Interessenten, einer davon aus Russland. Da der konkrete Namen bisher nicht in Erfahrung gebracht werden konnte, hat das führende russische Wirtschaftsmedium RBC sich einmal vor Ort schlau gemacht, wer in Frage käme – mit der Schlussfolgerung, dass der Pool der potenziellen Käufer klein ist.

Lässt man einmal die Möglichkeit außer Acht, dass es zu einem Management Buy-out – vielleicht mit Zahlungsaufschub – kommt, wie es mehrere westliche Unternehmen praktiziert haben, so bleiben wohl nur „einige der größten Konzerne“ als mögliche Käufer, wie der unabhängige Finanzanalyst Andrej Barchota zitiert wird. Das Problem sei, dass es bei der Raiffeisen um eine große Summe geht und die meisten derjenigen Russen, die das Geld hätten, bereits auf westlichen Sanktionslisten stehen und daher wegfallen, wie es ein Raiffeisen-Manager, der anonym bleiben möchte, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung umreißt. Denen aber, die auf keiner Liste stehen, fehle das Geld – und eine Fremdfinanzierung scheitere daran, dass bis auf Raiffeisen und Unicredit alle systemrelevanten russischen Banken bereits sanktioniert sind.

Der direkte Weg ist das eine. Eine Umgehungskonstruktion das andere. Man solle den Erfindungsreichtum der Russen nicht unterschätzen, sagt ein russischer Milliardär, der anonym bleiben möchte: „Wenn der Staat den Kauf will, wird er eine akzeptable Figur oder Struktur finden und sich um die Finanzierung kümmern.“

Hoher Abschlag

Welches Geld es dafür letztlich braucht, ist offen. Fakt ist, dass ein russischer Gutachter den Verkaufswert schätzt, von dem der Verkäufer dann mindestens 50% Rabatt gewähren muss, ehe er vom Restwert noch 10% als Exit-Steuer abführt. Eine effiziente Bank wie die Raiffeisen müsse mit einem Abschlag von höchstens 30% zum Buchwert, der bei 4,1 Mrd. Euro liegt, wegkommen, zitiert RBC den Finanzanalysten Barchota. Am Markt wird auch ein Abschlag von 70% genannt, wie ihn die französische Société Générale hinnehmen musste, als sie bereits im April 2022 die Reißleine zog und ihre Russlandtochter Rosbank verkaufte.

Einmal abgesehen davon, dass ein Verkauf von der zuständigen Regierungskommission genehmigt werden muss, bei der über 2.500 Anträge westlicher Unternehmen liegen, muss bei ausländischen Banken seit August 2022 auch Kremlchef Wladimir Putin persönlich zustimmen. „Welchen Nutzen hätte er davon?“, fragt der anonyme Raiffeisen-Manager im Gespräch. „Gute Frage“, sagt Gurijew. 45 Banken mit ausländischem Kapital sind noch im Land – alle deutlich kleiner als die Raiffeisen.

Wichtiger Hartwährungskanal

Ist die russische Raiffeisen also nicht nur „too big to fail“, wie man systemrelevante Geldinstitute umschreibt, sondern auch „too big to be sold“? Da über Raiffeisen 40% der Auslandstransaktionen in Euro und Dollar und damit auch der Großteil der anhaltenden Auslandsgeschäfte laufen, sind nicht nur westliche Regierungen an diesem Finanzkanal interessiert, wie Banker Wjugin sagt. Auch für Russland würde der Wegfall dieses Kanals bedeuten, dass etwa die Hälfte der Abrechnungsmöglichkeiten in Hartwährung reduziert würde, zumal Raiffeisen als Korrespondenzbank für kleinere Banken fungiere, die nicht sanktioniert sind, zitiert RBC den russischen Banker und früheren Ex-Duma-Abgeordneten Michail Sadornow.

Derzeit werde „vor allem daran gearbeitet“, einen russischen Käufer zu finden, der nach dem Verkauf nicht gemeinsam mit Raiffeisen im Westen sanktioniert wird. Die Erfahrung mit der verkauften Rosbank, die inzwischen mit Sanktionen belegt wurde, lässt auf keinen solchen Erfolg hoffen. Ein Grund übrigens, warum Marktbeobachter auch skeptisch sind, dass sich viele Nichtrussen – selbst aus dem russlandfreundlicheren China oder Indien – für das Russlandgeschäft der Raiffeisen interessieren sollen. Unter sekundäre Sanktionen zu geraten, ist für sie riskanter, als auf das Russlandgeschäft zu verzichten.