GASTBEITRAG

Ethisch-nachhaltige Anlagen bergen hohe Risiken

Börsen-Zeitung, 2.10.2019 Bei Anlagen, die als ethisch oder nachhaltig angepriesen werden, wird häufig gefragt, ob sie diesen Ansprüchen auch tatsächlich genügen. Genauso häufig wird diskutiert, ob solche Anlagen eine höhere oder geringere Rendite...

Ethisch-nachhaltige Anlagen bergen hohe Risiken

Bei Anlagen, die als ethisch oder nachhaltig angepriesen werden, wird häufig gefragt, ob sie diesen Ansprüchen auch tatsächlich genügen. Genauso häufig wird diskutiert, ob solche Anlagen eine höhere oder geringere Rendite erwarten lassen. Dies ist aber nicht der entscheidende Punkt. Wesentlich relevanter für den Anleger ist vielmehr diese Frage: Sind nachhaltige Anlagen riskanter als Anlagen mit üblichem Zuschnitt oder nicht? Denn die Antwort darauf wird letztlich entscheiden, ob sich Kriterien der Ethik und der Nachhaltigkeit an den Finanzmärkten auf Dauer durchsetzen werden.Beim Risiko sind die Befunde der Finanzmarktforschung eindeutig: Die überwältigende Mehrzahl der bis dato angebotenen nachhaltigen Anlagemöglichkeiten ist erheblich riskanter als normale, nicht nachhaltige Anlagen. Der Grund: Konstruktionsbedingt weisen nachhaltige Anlagen eine starke Konzentration in einem oder mehreren Anlagesektoren auf. Damit verletzten sie einen fundamentalen Grundsatz des evidenzbasierten wissenschaftlichen Anlagemanagements, nämlich die breitestmögliche internationale Diversifizierung anhand exakt spezifizierter und prämientragender Anlageklassen.Es geht im Wesentlichen um die sogenannten unsystematischen Risiken eines Wertpapierdepots. Diese Risiken, die sich nur durch eine konsequent betriebene internationale Diversifizierung beseitigen lassen, haben in extremen Marktphasen das Potenzial, die Substanz eines Vermögens schwer zu beschädigen. Unsystematische Risiken haben sich in den vergangenen Jahren sehr deutlich auch bei den in Deutschland angebotenen aktiv gemanagten Nachhaltigkeitsfonds gezeigt. Eine hauseigene Zehn-Jahres-Analyse von insgesamt elf international orientierten Publikumsfonds mit dem Anspruch der Nachhaltigkeit – nur so viele haben eine Zehn-Jahres-Frist überlebt – ergab folgende Ergebnisse: Keiner der Fonds konnte in den Jahren 2009 bis 2018 eine bessere Wertentwicklung vorweisen als ein vergleichbarer und global gestreuter Indexfonds. Nur zwei der getesteten Fonds hatten ein geringeres, durch die Kennzahlen “Volatilität” gemessenes Risiko. Im Verhältnis aus Rendite und Risiko schnitten dagegen alle schlechter ab als der Invesco MSCI World Ucits ETF.Im Durchschnitt lag die Rendite mit 7,65 % p.a. rund 3 Prozentpunkte unter der des Vergleichs-ETF auf den MSCI World, der 10,61 % p.a. erreichte. Dabei wurde der Renditeminderungseffekt des sogenannten “survivorship bias”, das heißt, die Übertreibung der gemessenen historischen Rendite aufgrund der Tatsache, dass zwangsläufig nur “überlebende” Fonds analysiert werden konnten, noch nicht einmal berücksichtigt.Trotz dieses doch gravierenden Unterschiedes sollte man den reinen Renditevergleich in der Analyse nicht überbewerten: Es sind durchaus auch längere Phasen denkbar, in denen Nachhaltigkeitsanlagen eine bessere Performance haben als vergleichbare breit gestreute Anlagen.Bemerkenswert und durchaus typisch ist jedoch der Risikoaspekt des Analyseergebnisses. Die Tatsache, dass nur zwei der analysierten nachhaltigen klassischen Fonds eine geringere Volatilität und keiner ein besseres Rendite-Risiko-Verhältnis vorweisen kann, hat finanzwirtschaftlich-ökonomische Gründe. Da ist zum einen die zwangsläufige Konzentration solcher Fonds auf einige wenige, als ethisch-nachhaltig identifizierte Bereiche. Zum anderen – und das steht im direkten Zusammenhang mit dieser Konzentration – eine nur sehr geringe Anzahl an Positionen in den Fonds. Nur einer der analysierten Fonds konnte mehr als 100 Positionen im Portfolio vorweisen. Beim Rest war die Anzahl lediglich zweistellig – in allen Fällen viel zu gering, um eine wirklich sinnvolle internationale Streuung gewährleisten zu können. Zum Vergleich: Die seit rund vier Monaten angebotene ethisch-nachhaltige Vermögensverwaltungsstrategie “Verantwortung” der Quirin Privatbank umfasst effektiv mehr als 3 000 Aktien und über 800 Anleihen.Halten wir also fest: Die zwangsläufige Konzentration der meisten bis dato aufgelegten Nachhaltigkeitsfonds auf einige wenige ausgewählte Sektoren sowie eine in der Regel sehr geringe Anzahl an Positionen führt zwangsläufig zum Auftreten unsystematischer Risiken, was aus der Perspektive des professionellen Portfoliomanagements als ein schwerer handwerklicher Fehler betrachtet werden muss. Interessanterweise zeigt sich dies auch in den zehn Jahren unserer Analyse und zwar im Jahr 2011: Während der breite Markt – repräsentiert durch den Vergleichs-Indexfonds – lediglich um knapp 3 % zurückging, brachen fast alle analysierten Fonds massiv ein; in der Spitze um über 20 %. Genau dies ist typisch für eine Anlage, welche unsystematisches Risiko enthält, das plötzlich “zuschlägt”: Der breite Markt verhält sich relativ unspektakulär und trotzdem kommt es plötzlich wie aus heiterem Himmel zu heftigen Kurseinbrüchen. Spektakuläre ÜbertreibungHier liegt auch der Grund, warum die letztlich entscheidende Frage nicht die nach der Rendite ist, sondern die nach dem Risiko. Nach eigener Aussage wären viele Anleger durchaus bereit, auf den einen oder anderen Renditepunkt zu verzichten, wenn es denn für eine gute Sache ist. Nur die wenigsten allerdings dürften es akzeptieren, wenn ihre nachhaltige Anlage in Schwächephasen einen massiven Wertverlust erleidet, während der allgemeine Markt nur leicht nachgibt. Diese und ähnliche Diskrepanzen zwischen den Verlusten nachhaltiger Investments und der allgemeinen Marktentwicklung haben in der Vergangenheit häufig dazu geführt, dass viele Anleger, die ursprünglich nachhaltig investiert waren, sich getäuscht sahen und sich von solchen Anlagen vollständig verabschiedet haben. Diese Gefahr ist auch aktuell da. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich in einzelnen Bereichen, welche als besonders nachhaltig angesehen werden, spekulative Übertreibungen herausbilden. Zumal nachhaltige Investments – ausgehend von der Europäischen Union – auch administrativ und regulatorisch unterstützt werden.Um die Gefahr spekulativer Übertreibungen sowie die anschließende Ernüchterung für die Zukunft zu vermeiden, ist es entscheidend, dass die Finanzbranche Anlagemöglichkeiten anbietet, die eben nicht nur nachhaltig sind. Wichtig ist, dass deren Risiken das allgemeine Marktrisiko eines international und breit gestreuten Portfolios nicht wesentlich übersteigen. Mittlerweile ist dies auch möglich. Denn ein hinreichend umfangreiches Angebot an Index- und Anlageklassenfonds ist vorhanden, das sich an objektiven Nachhaltigkeitskriterien orientiert. Werden diese ETFs und indexnahen Fonds entsprechend der Qualitätsstandards eines professionellen Portfoliomanagements kombiniert, dann stehen ethisch-nachhaltige Anlagen und Vermögensverwaltungen zur Verfügung, in die Anleger investieren können, ohne dabei übermäßige – unsystematische – Risiken in Kauf nehmen müssen.Nur wenn sich die risikomindernden Qualitätsstandards professionellen Anlagemanagements auch bei nachhaltigen Anlagen durchsetzen, kann verhindert werden, dass das aktuelle Momentum, das solche Anlagen derzeit zweifelsohne haben, versandet und sich das Thema “Nachhaltigkeit” an den Finanzmärkten letztlich als Strohfeuer erweist. Stefan May, Leiter Asset Management der Quirin Privatbank AG