Eurex setzt Blinker zum Überholen
Wird die Deutsche Börse das Euro-Zinsderivategeschäft von der Themse an den Main ziehen? Der Brexit bietet eine einmalige Gelegenheit für den Finanzplatz Frankfurt, und die Chancen stehen gut. Doch auch Paris wird vom Brexit profitieren.Von Dietegen Müller, FrankfurtDas zentrale Clearing von auf Euro lautenden Zinsderivaten ist riesig: Es macht gemessen am verrechneten täglichen Nominalwert über 750 Mrd. Euro aus, das ausstehende Nominalvolumen erreicht 90 Bill. Euro.Es steht also viel auf dem Spiel. Bis vor kurzem dominierte das Londoner Clearinghaus LCH das Euro-Clearing, doch seit Anfang dieses Jahres wandert immer mehr Geschäft hin zur Deutsche-Börse-Tochter Eurex, genauer zu deren zentralem Kontrahenten (CCP) Eurex Clearing.Im Markt heißt es, die Tendenz nehme zu, Projekte aufzusetzen, die das Zinsswap-Clearing über Frankfurt ermöglichen. Per Ende Juli summierte sich der Marktanteil von Eurex Clearing gemessen am durchschnittlich täglich zentral geclearten Nominalbetrag von Zinskontrakten auf bereits 11 % – in den Jahren davor lag er bei oder unter 1 %. In den kurz laufenden Forward Rate Agreements (FRA) beträgt der Marktanteil per Ende Juli sogar 29 %. Auch der Nominalwert ausstehender Kontrakte erreichte per Ende Juli 8,1 Bill. Euro, oder 9 % Marktanteil, gegenüber 80 Bill. (89 %) bei LCH. Zum Vergleich: Ende 2016 betrug das ausstehende Nominalvolumen bei Eurex 600 Mrd. Euro. Erfolgsbeteiligung zieht”Möglich geworden ist dieses Wachstum erst durch das Partnerschaftsprogramm von Eurex Clearing”, sagt Christoph Hock, Head of Multi-Asset Trading bei Union Investment, im Gespräch. Im Partnerschaftsprogramm werden die zehn aktivsten Banken im Zinsderivate-Clearing am Gewinn beteiligt. Die fünf aktivsten dürfen je einen Vertreter in den Aufsichtsrat von Eurex Clearing entsenden. Dies sind derzeit Deutsche Bank, Commerzbank, LBBW, J.P. Morgan und BNP Paribas. Matthias Graulich, Strategievorstand von Eurex Clearing, sagt im Gespräch, abgesehen von den inzwischen 30 Mitgliedern am Partnerschaftsprogramm würden weitere Banken und etliche Hedgefonds Interesse an einer Teilnahme bekunden. Ziel der Deutschen Börse ist es, auf einen Marktanteil von 25 % im Euro-Clearing bis Ende 2019 zu kommen. “Wir sind voll im Plan”, erklärt Graulich. Auch würden mehr und mehr Festzinsempfänger – so genannte Receiver – an Eurex Clearing angebunden, beispielsweise europäische Versicherer oder Pensionsfonds. Dadurch steige die Liquidität, und der Markt sei ausbalanciert gegenüber Assetmanagern, Unternehmern oder Hedgefonds, die ihrerseits Festzinszahler sind. “Bis Mitte 2017 waren wir noch sehr Payer-lastig, inzwischen haben wir ein große Ausgeglichenheit erreicht”, hält Graulich fest.Dies lässt sich an einer Kennzahl, der so genannten CCP-Basis nachvollziehen. Bis vor wenigen Monaten mussten Festzinszahler, die Eurex zur Absicherung nutzten, ungünstigere Konditionen in Kauf nehmen als in London. Diese Differenz wird CCP-Basis genannt. Sie hat sich von einem Höhepunkt im Jahr 2016 von 4,4 Basispunkten auf rund 0,3 Basispunkte für zehnjährige Swaps, den liquidesten Bereich, zurückgebildet. Auch stellen Banken identische Preise für Zinsswaps bei LCH und Eurex. Noch viel kurzfristigDoch ist es zu früh, sagen zu können, dass Eurex den Durchbruch schaffen wird. Dies sei abhängig vom Ausgang des Brexit, heißt es von verschiedenen Marktteilnehmern. Die Verunsicherung diesbezüglich sei noch groß. Aber die Tendenz stimmt aus Frankfurter Sicht – mehr Geschäft wandert im Euro-Clearing zur Eurex. Die Deutsche Bank hat bereits erklärt, Neugeschäft nur noch über Frankfurt abzuwickeln (vgl. BZ vom 31. Juli). Entscheidend wird sein, ob nicht nur kurzfristiges Geschäft, also Forward Rate Agreements (siehe Glossar), im Interbankenmarkt wandert, sondern auch langlaufende Interest Rate Swaps (IRS). Im IRS-Geschäft erreicht Eurex bisher erst 1,1 % Marktanteil gemessen am zentral geclearten Volumen. Gemessen am ausstehenden Volumen liegt der Anteil bei knapp 5 %. Christoph Hock von Union Investment sagt: “Einen Zehnjahres-Zinsswap über Eurex zu clearen ist nicht so schnell möglich. Da müssen zuerst die entsprechenden Konten aufgesetzt werden. In unserem Fall betrifft dies im Bereich Interest Rate Swaps Konten für mehrere Hundert Sondervermögen.” Generell gilt das zentrale Clearing außerbörslicher Produkte als Wachstumsfeld, auch regulatorisch begründet. “Es gibt im Bereich Zinsswaps einen Preisvorteil von zentral geclearten gegenüber außerbörslich bilateral geclearten Kontrakten, die bei dem Broker als Handelspartner auf der Bilanz bleiben”, führt Hock aus. Und lobt die Deutsche-Börse-Tochter: “Zudem lassen sich bei Eurex auch produktübergreifend Positionen aufrechnen, also beispielsweise zwischen börsengehandelten Bund- Futures und außerbörslich gehandelten Zinsswaps.”Während Frankfurt gute Karten im Zinsderivate-Geschäft hat, dürfte es im Credit-Geschäft keine große Rolle spielen. Eurex Clearing hat derzeit keine konkreten Pläne, einen Clearing-Service für Kreditausfallversicherungen (CDS) aufzulegen, sagt Graulich. Ein 2009 gestarteter Versuch der Deutschen Börse war nicht von Erfolg gekrönt. Es dürfte finanziell zu aufwendig sein, dies erneut anzugehen. Dies bestätigt indirekt auch Christoph Hock: “Das Thema Anbindung im Bereich Interest Rate Swaps bei Eurex nimmt Fahrt auf. Aber wenn es um Credit-Kontrakte geht, könnte der Weg auch zu LCH S.A. nach Paris führen.” Dass Paris hier im Spiel ist, zeigt die International Swaps and Derivatives Association (ISDA), die bereits Master Agreements nach irischem und französischem Recht aufgesetzt hat, aber keine nach deutschem Recht plant. Es zeichnet sich eine Arbeitsteilung zwischen Paris und Frankfurt ab. Eine neue Monopolbildung in einigen Segmenten scheint damit nicht ausgeschlossen zu sein.Noch kaum ein Thema im Markt ist derzeit nämlich auch eine Nutzung von ICE Clear in Amsterdam. Vor einem Jahr hatte die Mehrländerbörse Euronext in Paris ICE Clear überraschend einen Korb gegeben und für das Clearing von Finanz- und Rohstoffderivaten eine langfristige Vereinbarung mit LCH S.A. in Paris abgeschlossen (vgl. BZ vom 9.8. 2017). Noch nicht abschätzbar ist, welches Geschäft zudem nach New York wandert. Dies dürfte vor allem auf das Verhalten von US-Investmentbanken ankommen. Auch muss sich noch zeigen, in welche Richtung das Clearing von Repo-Transaktionen wandert. Eurex ist hier gemeinsam mit Clearstream aktiv und will sich in diesem Segment eine größere Scheibe abschneiden, wie Matthias Graulich von Eurex Clearing sagt. Bisher wird erst ein kleiner Teil dieses geldpolitisch bedeutsamen Marktes zentral gecleart.—-Zuletzt erschienen:- Krise? Welche Krise? (18.8.)