Euro-Clearing beschäftigt Europäische Zentralbank

Empfehlung soll auf Ratssitzung in Frankfurt diskutiert werden - LSE-Chef warnt vor Standortvorgaben

Euro-Clearing beschäftigt Europäische Zentralbank

dm/hip Frankfurt/London – Die Europäische Zentralbank (EZB) will Insidern zufolge auf ihrer Ratssitzung am 21. Juni in Frankfurt das umstrittene Thema Euro-Clearing diskutieren. Dies meldete die Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Die EZB sowie die Bundesbank, Banque de France und Banca d’Italia äußerten sich dazu nicht. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob die Verrechnung von auf Euro lautenden Finanzderivaten nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) nur von Clearinghäusern übernommen werden darf, die in der Eurozone angesiedelt sind. Auch ist die Frage, wie genau die Aufsicht über zentrale Kontrahenten (CCP) wie in London LCH.Clearnet und ICE Clear Europe oder – in Frankfurt – Eurex Clearing und – in Paris – Clearnet SA gestaltet werden soll. Zuletzt hatte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis erklärt, die Kommission wolle kurzfristig klären, wie sie auf die Brexit-Herausforderungen beim Derivate-Clearing reagieren wird, und werde noch im Juni einen Gesetzentwurf vorlegen (vgl. BZ vom 5. Mai).Laut Reuters hat Kreisen zufolge das EZB-Direktorium auf Anfrage der EU-Kommission einen Vorschlag erarbeitet, nach dem das Euro-Clearing künftig unter die direkte Aufsicht des Eurosystems gestellt würde. Dieses setzt sich aus der EZB und den Notenbanken der 19 Euro-Länder zusammen. Die europäischen Clearinghäuser werden bisher unter verschiedenen Regularien von verschiedenen Aufsehern, darunter auch nationalen Aufsichtsbehörden kontrolliert, unterliegen aber auch – wenn es um Fragen der Banklizenz eines systemrelevanten CCP geht – der Aufsicht durch den Single Supervisory Mechanism (SSM).”Die EU sollte nicht an einem sicheren, transparenten System herumdoktern”, empfahl unterdessen Xavier Rolet, der Chief Executive der London Stock Exchange Group, in einem von der “Times” veröffentlichten Gastbeitrag. Dürften auf Euro lautende Transaktionen nur noch in der Eurozone verrechnet werden, würde nicht nur das systemische Risiko steigen, sondern auch die Kosten für europäische Unternehmen. Rolet bezifferte den möglichen Anstieg der Handelskosten auf kumuliert 100 Mrd. Euro binnen fünf Jahren.Durch einen Standortzwang würde ein Offshore-Liquiditätspool für Nicht-EU-Körperschaften geschaffen und parallel dazu ein weniger liquider, kleinerer Markt für EU-Körperschaften, warnte Rolet. “Wenn Europa auf den Versuch besteht, eine künstliche, ineffiziente Standortpolitik durchzusetzen, wird es nur den europäischen Kapitalmärkten und der Realwirtschaft schaden”, schrieb Rolet. An den anderen globalen Märkten werde es dagegen einfach weitergehen. Rolet warnte davor, den Abwicklungsprozess im Falle des Ausfalls eines Clearinghauses zu schwächen. “Ein fragmentierter Binnenliquiditätspool nur für die EU schwächt die gemeinsame Fähigkeit der Mitglieder, Verluste zu absorbieren, und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie einschreiten müssen.” Ein Default in der Eurozone könnte dazu führen, dass die Verluste von weit weniger überlebenden EU-Banken getragen werden müssten. Und wenn Geschäft abwandere, dann an einen Ort, der entsprechende Skaleneffekte bieten könne – nach New York, nicht nach Frankfurt oder Paris. Der City-Veteran Michael Spencer, der den Post-Trade-Spezialisten Nex Group führt, kritisierte den Vorschlag, das Euro-Clearing zu repatriieren, als “nichts weiter als ziemlich garstiger Wirtschaftsnationalismus und Protektionismus”. Wenn man London schädige, werde das auch Europa Schaden zufügen.