INTERCONTINENTAL EXCHANGE GREIFT NACH NYSE EURONEXT

Euronext mischt Europas Börsen auf

IPO-Pläne für europäische Aktienmärkte der Nyse könnten Interesse wecken

Euronext mischt Europas Börsen auf

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt und Carsten Steevens, LondonDie Übernahme von Nyse Euronext durch die Intercontinental Exchange (ICE) zielt zwar eindeutig auf den Derivatebereich. Sie wird jedoch auch die Verhältnisse im europäischen Kassahandel mit Aktien stark verändern. Die ICE will sich nämlich vom Aktienhandel in Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon trennen und diese alten Euronext-Aktivitäten erklärtermaßen per Initial Public Offering (IPO) an die Börse bringen. Denkbar ist allerdings auch, dass es zu einem solchen IPO gar nicht kommt, weil es Interessenten für diese Aktivitäten geben könnte. So könnte ein Zukauf für europäische Börsenbetreiber, vor allem Deutsche Börse, London Stock Exchange (LSE) oder auch Nasdaq OMX attraktiv sein – wenn der Preis stimmt.Bei der Deutschen Börse liegt der Fokus zwar eindeutig auf Expansion im Derivategeschäft, in den Nachhandelsbereichen sowie in Asien. Durch eine Euronext-Übernahme würden die Frankfurter aber zum größten Aktienmarktbetreiber Europas, wobei die Erträge im margenschwachen Kassahandel durch Skaleneffekte aufgebessert werden könnten. Allerdings könnte eine stärkere Gewichtung des Kassahandels im Konzern zu einem Bewertungsmalus gegenüber anderen Börsenbetreibern wie der auf Derivate spezialisierten CME Group führen. Daher ist zu vermuten, dass die Frankfurter nur zu einem sehr attraktiven Preis zugreifen würden. Eine Stellungnahme der Deutschen Börse war dazu nicht zu erhalten.Ob die London Stock Exchange als Interessent für das kontinentaleuropäische Aktiengeschäft der Nyse Euronext in Frage kommt, darf bezweifelt werden. Zwar wird der Betreiber der Börsen in London und Mailand seit 2009 von einem Franzosen geführt, der zuvor sogar dem Board der Mehrländerbörse Euronext angehörte. Und unter der Regie von Xavier Rolet scheut die lange Zeit defensiv eingestellte LSE auch vor strategischen Akquisitionen nicht zurück. So übernahm der Börsenbetreiber den Technologiedienstleister Millennium IT ebenso wie die Mehrheit an der alternativen Handelsplattform Turquoise. Zur Stärkung des Datengeschäfts erwarb die LSE zudem vom Verlagskonzern Pearson die restlichen Anteile am Indexanbieter FTSE. Auch vor einer Teilnahme an der Börsenkonsolidierung schreckte Rolet nicht zurück, wobei der in der ersten Jahreshälfte 2011 angestrebte Zusammenschluss mit dem kanadischen Börsenbetreiber TMX am Widerstand kanadischer Finanzinstitute scheiterte. Doch erscheint ein Gebot für die Euronext ohne die Derivatebörse Liffe wenig schlüssig. Rolet will die Erlösbasis des Londoner Börsenbetreibers verbreitern und die Abhängigkeit vom traditionellen Aktienmarktgeschäft verringern. Dem dient auch die im März angekündigte Mehrheitsübernahme des französisch-britischen Clearinghauses LCH.Clearnet, die sich wegen eines zusätzlichen Kapitalbedarfs von LCH jedoch verzögert. Unbestätigten Medienberichten zufolge will die LSE den Offertenpreis um fast ein Drittel kürzen.Damit bliebe – neben branchenfernen Interessenten wie Private-Equity-Firmen – Nasdaq OMX als ein potenzieller Käufer. Dafür würde sprechen, dass die Nasdaq mit der OMX nur die kleineren nordeuropäischen Börsen übernommen hat und mit Euronext dann zu einem Schwergewicht im europäischen Aktienhandel würde. Allerdings hat man auch bei der Nasdaq erkannt, dass sich im Derivategeschäft mehr verdienen lässt. Die amerikanisch-skandinavische Börse hat deshalb Pläne für eine europäische Derivateplattform.