Euronext profitiert von Diversifizierung
Börsenbetreiber
Euronext profitiert von Diversifizierungsstrategie
Etwas mehr Synergien aus Borsa-Italiana-Übernahme als gedacht – Neuer Strategieplan für November angekündigt
Von Gesche Wüpper, Paris
Die durch Übernahmen groß gewordene Mehrländerbörse Euronext hat ihre Abhängigkeit von Handelsaktivitäten verringert und hält Kostenkontrolle, auch dank der Integration der Mailänder Börse. Börsenchef Boujnah sieht das Unternehmen auf gutem Wege, die geplanten Synergien bis Jahresende zu erreichen.
Der paneuropäische Börsenbetreiber Euronext profitiert in einem schwierigen Marktumfeld davon, dass er sich in den letzten Jahren breiter aufgestellt hat und seine Kosten unter Kontrolle hält. "Euronext ist stärker als je zuvor", brüstete sich Euronext-Chef Stéphane Boujnah am Freitag vor Analysten: "Wir haben unsere Führungsposition in Europa für Börsennotierungen und -handel ausgebaut."
Umsatz steigt trotz Handelsflaute
Trotz eines Rückgangs der Einnahmen aus Handelsaktivitäten konnte der Betreiber der Börsen von Amsterdam, Brüssel, Dublin, Lissabon, Mailand und Oslo seinen Umsatz 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 3,9% auf 1,47 Mrd. Euro steigern. Dabei machten nicht volumenabhängige Einnahmen 60% des zugrundeliegenden Umsatzes aus.
Technologiedienstleistungen und Datendienste immer wichtiger für Euronext. "Unsere Diversifizierungsstrategie zahlt sich aus", sagte Boujnah. Der Rückgang der Einnahmen aus dem Aktienhandel (−12%) konnte teilweise durch die Fixed-Income-Aktivitäten (+15,6%) und den wenn auch kleinen Handel mit Strom (+14,5%) und Agrarrohstoffen ausgeglichen werden.
Hohe Kostendisziplin
Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) fiel mit 786 Mill. Euro stagnierte im Vergleich zum Vorjahr (785 Mill. Euro), während sich das operative Ergebnis leicht von 625 Mill. Euro auf 616 Mill. Euro verringerte. Unter dem Strich verdiente Euronext mit einem Nettoergebnis von 514 Mill. Euro 17% mehr als im Vorjahr, was vor allem aus dem Erlös aus dem Verkauf seiner Beteiligung am Clearinghaus LCH in Höhe von 41,6 Mill. Euro resultierte.
Höhere Synergieeffekte durch Übernahme
Euronext gelang es im vergangenen Jahr, den Anstieg der zugrundeliegenden Kosten auf 0,6% zu beschränken und sie damit sogar niedriger halten als vorhergesagt. Dabei geholfen hat auch die Integration der 2021 übernommenen Borsa Italiana. Sie hat bis Ende 2023 Ebitda-Synergien in Höhe von 74 Mill. Euro gebracht, etwas mehr als erwartet. Bis Ende dieses Jahres sollen es 115 Mill. Euro werden. Mittlerweile werden alle Aktien der Mailänder Börse und ETFs auf der Plattform Euronext Optiq gehandelt. Im laufenden Quartal sollen die Derivatemärkte folgen. "Die Kostendisziplin wird beibehalten", versprach Boujnah.
Die inzwischen in Euronext Clearing umbenannte Cassa di Compensazione e Garanzia wiederum ist seit November auch für das Nachhandelsgeschäft des Kassahandels der Börsen Amsterdam, Brüssel, Dublin, Lissabon und Paris zuständig. Im dritten Quartal soll ihr Zuständigkeitsbereich auch auf Finanz- und Rohstoffderivate ausgedehnt werden. All diese Märkte auf einer Plattform zu vereinigen, sei wichtig, weil die Tiefe des Liquiditätsbeckens sie relevanter und effizienter mache, sagte Boujnah der Nachrichtenagentur AFP.
Das werde die Präsenz von Euronext auf der gesamten Wertschöpfungskette für das Handelsgeschäft verstärken, so Boujnah. Dadurch sei der Börsenbetreiber, der in diesem Jahr das zehnjährige Jubiläum seines eigenen Börsengangs feiert, ideal positioniert, um von künftigen Wachstumsgelegenheiten zu profitieren. Boujnah will auf einem Investorentag im November einen neuen Strategieplan vorstellen.
Mehr Delistings als IPOs
Mit dem integrierten Angebot hält er Euronext auch für die natürliche Plattform für Unternehmen, die in Europa an der Börse gelistet sein wollen. Allerdings ist die Zahl der Börsengänge bei Euronext letztes Jahr von 83 auf 64 zurückgegangen. Gleichzeitig verbuchte der Börsenbetreiber 106 Delistings.
Entsprechend ihrer Dividendenpolitik will Euronext 50% des Nettoergebnisses an die Aktionäre ausschütten, was den Angaben zufolge 2,48 Euro je Aktie entspricht – 11,7% mehr als für 2022. Bei den Investoren kamen die Zahlen gut an, die Aktie legte bis Wochenschluss zu.