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Europäische Einlagensicherung gestalten, nicht verteufeln

Börsen-Zeitung, 27.7.2018 Die europäische Einlagensicherung (kurz Edis für European Deposit Insurance Scheme) ist für viele ein Schreckgespenst. Dabei erfüllt sie eine wichtige Funktion auch für die deutschen Sparer, wenn sie vernünftig ausgestaltet...

Europäische Einlagensicherung gestalten, nicht verteufeln

Die europäische Einlagensicherung (kurz Edis für European Deposit Insurance Scheme) ist für viele ein Schreckgespenst. Dabei erfüllt sie eine wichtige Funktion auch für die deutschen Sparer, wenn sie vernünftig ausgestaltet ist.Das zentrale Ziel jeder Einlagensicherung ist es, die Einleger gegen Verluste zu versichern und so einen Bank Run zu verhindern. Hierzu zahlen die Banken Prämien in einen Fonds ein. Dieser ist typischerweise relativ klein. So sieht die europäische Richtlinie zur Harmonisierung der Einlagensicherungssysteme gerade einmal 0,8 % der geschützten Einlagen vor, was bei einer größeren Bankenkrise kaum ausreichen würde. Daher beruht eine glaubwürdige Einlagensicherung auf einer impliziten staatlichen Garantie, die Einlagen notfalls abzusichern. Dies führt auf zweifache Weise zu einer Verflechtung der Risiken von Banken und Staaten. Einerseits werden die Staatsfinanzen belastet, wenn der Staat tatsächlich eingreifen muss, andererseits hängt die Glaubwürdigkeit der Einlagensicherung von der Fähigkeit und Bereitschaft des Staates ab, genügend Mittel bereitzustellen.Die europäische Einlagensicherung ist ein zentrales Instrument, um den Risikoverbund zwischen Banken und Staaten zu durchbrechen und so die Schwere zukünftiger Finanzkrisen abzumildern. Denn durch die Bündelung der Mittel kann das Fondsvermögen vergrößert und die Notwendigkeit eines Rückgriffs auf den Staat reduziert werden. Zudem hängt die Sicherheit der Einlagen weniger von der Zahlungsfähigkeit eines einzelnen Staates ab.Die gemeinsame Einlagensicherung fördert gleichzeitig die finanzielle Integration im Euroraum. Denn die Einleger könnten freier wählen zwischen den Angeboten verschiedener Banken aus dem gesamten Euroraum, ohne auf den hohen Versicherungsschutz verzichten zu müssen. Dies stärkt den Wettbewerb und nutzt den Einlegern. Mit zunehmender Integration der Bankenmärkte verlöre die Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Banken an Bedeutung, weil viele Banken grenzüberschreitend tätig wären. Dies würde in Krisenzeiten stabilisierend wirken, weil Engpässe in der Kreditvergabe durch andere europäische Banken ausgeglichen werden könnten. Die nationalen Einlagensicherungssysteme verfestigen hingegen die Fragmentierung des europäischen Bankenmarktes.In Deutschland wird hingegen häufig argumentiert, dass eine europäische Einlagensicherung hierzulande gar nicht benötigt wird. Diese Einschätzung beruht auf der irreführenden Annahme, dass es schwerwiegende Bankenprobleme nur in anderen Ländern, nicht aber in Deutschland gibt. In der Finanzkrise war das anders. Damals hat Deutschland mehr Geld in die Rettung seiner Banken gesteckt als viele andere Länder. Eine zweite Fehleinschätzung besagt, dass von kleinen Banken keine Stabilitätsprobleme ausgehen und dass ein System auf europäischer Ebene für solche Institute unangebracht sei. Angesichts der steigenden Zinsänderungsrisiken in den Bankbilanzen könnten aber gerade von den kleineren Banken, die im traditionellen Bankgeschäft tätig sind, erhebliche Risiken ausgehen. Zudem würde ein stabileres und stärker integriertes europäisches Finanzsystem auch Deutschland nutzen.Allerdings verweisen Kritiker zu Recht auf Bedingungen, die erfüllt sein müssen, bevor eine europäische Einlagensicherung in Kraft treten kann. Vor allem muss verhindert werden, dass Banken Risiken über das gemeinsame Einlagensicherungssystem auf die europäische Ebene verschieben. Das betrifft insbesondere staatliche Ausfallrisiken. Deshalb ist eine angemessene Regulierung des Haltens von Staatsanleihen durch die Banken ein zwingender Bestandteil einer Einigung über Edis. Außerdem dürfen keine Risiken versichert werden, die sich bereits realisiert haben. Daher ist der Abbau von notleidenden Krediten eine notwendige Voraussetzung. Aber auch für die Zukunft muss sichergestellt werden, dass für Problemkredite rechtzeitig und umfassend Risikovorsorge betrieben wird. Rückversicherung eignet sichEin Rückversicherungsmodell scheint besonders geeignet, um Fehlanreize zu vermeiden. Hierbei kommt die europäische Sicherung erst dann zum Tragen, wenn die nationalen Fondsmittel erschöpft sind. Dies würde ähnlich einer Selbstbeteiligung die negativen Anreizwirkungen der Versicherung mindern. Nationale Institutssicherungssysteme, wie bei den deutschen Sparkassen oder Genossenschaftsbanken, könnten als separate Kammern in die nationale Kammer integriert werden. Eine freiwillige Absicherung von Einlagen über das gesetzliche Minimum von 100 000 Euro hinaus wäre möglich.Die Versicherungsprämien der Banken müssten sich am Risiko orientieren. Dabei sollten nicht allein bankspezifische, sondern ebenso länderspezifische Risiken Eingang finden, etwa die Qualität des Insolvenzregimes. Dies würde die Anreize der Länder stärken, ihre Institutionen zu verbessern.Selbst ein europäisches Einlagensicherungssystem benötigt allerdings eine Letztsicherung über die Mitgliedstaaten. Diese sollte – ähnlich wie beim Abwicklungsfonds – beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) angesiedelt sein. Um die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme zu minimieren, muss sichergestellt werden, dass die Haftungsmasse in den Banken groß genug ist. Dies erfordert hinreichend große Puffer an Eigenkapital und Schuldtiteln, die zur Verlustbeteiligung herangezogen werden können.Statt Edis weiter zu verteufeln, sollten Politik und Verbände sich lieber für eine angemessen ausgestaltete europäische Einlagensicherung einsetzen. Denn davon könnten alle profitieren.—-Prof. Dr. Isabel Schnabel ist Professorin für Finanzmarktökonomie an der Universität Bonn und Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Wirtschaftsweise). In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus Wirtschafts- und Finanzwelt, Politik und Wissenschaft.—–Von Isabel SchnabelDie europäische Einlagensicherung erfüllt eine wichtige Funktion auch für die deutschen Sparer, wenn sie vernünftig ausgestaltet ist.—–