Europäische Fintechs ziehen mehr Gelder an

CB Insights: 2017 wurde auf dem Kontinent mehr als doppelt so viel Risikokapital aufgenommen - Mutige US-Expansionspläne

Europäische Fintechs ziehen mehr Gelder an

Von Björn Godenrath, FrankfurtAuch wenn sich das Investment-Klima für Fintech-Unternehmen in Deutschland zuletzt ein wenig abgekühlt hat, so ist aus europäischer Sicht der positive Trend intakt. Wie der Datenspezialist CB Insights dieser Tage bekannt gab, hat Fintech beim globalen Finanzierungsvolumen durch Venture Capital (VC) 2017 einen Rekord erlebt. Während USA und Europa neue Bestmarken setzten, erlebte Asien nach vier Jahren des Aufschwungs nun einen Abschwung um 10 %. Die europäischen VC-Investitionen mehr als verdoppelten sich hingegen auf 2,7 Mrd. Dollar. Amerika trägt mit 7,8 Mrd. Dollar das Gros des Sektors.Insgesamt beläuft sich das globale Investment-Volumen auf 16,6 Mrd. Dollar gegenüber 13,8 Mrd. Dollar im Vorjahr. Die Zahl der Finanzierungsrunden kletterte auf 1 128 gegenüber 1 023 im Vorjahr. Die von Venture Capital angestoßene M&A-Aktivität war jedoch das zweite Jahr in Folge rückgängig. Ebenfalls im Rückwärtsgang befindet sich der Anteil der Frühphasen-Investitionen, die 2017 für 58 (i.V. 61) % des Volumens stehen – dieser Abfall fand ausschließlich in den USA statt und fiel dort mit – 23 % prononciert aus. Zudem nahmen anteilsmäßig die Late-Stage-Runden zu, sie stehen nun für 9 (7) % des Volumens. Die Zahl der Mega-Runden über 100 Mill. Dollar kletterte auf 35 (16), das Volumen summierte sich auf 7,8 Mrd. Dollar – also rund ein Zehntel des gesamten Sektors 2017.Europäische Fintechs stellten immerhin vier dieser Mega-Runden auf die Beine – und ebenso viele gehören zum edlen Club der Unicorns, also Start-ups mit einer Milliardenbewertung. Leider stammt keines davon aus Deutschland: Transferwise (1,1 Mrd. Dollar) und Funding Circle (1 Mrd. Dollar) sind in London zu Hause, Klarna (2,5 Mrd. Dollar) ist schwedisch und Adyen (2,3 Mrd. Dollar) in den Niederlanden beheimatet. Acht frische EinhörnerAcht Fintechs sind neu dazugestoßen zum Kreis der Einhörner, mit Coinbase ist erstmals ein Start-up aus der Kryptoszene dabei. Auf 1,56 Mrd. Dollar wurde der Wert des Unternehmens in der letzten Finanzierungsrunde taxiert. Dabei hat der Handelsplatz für Kryptowährungen im abgelaufenen Geschäftsjahr eigenen Angaben zufolge mehr als 1 Mrd. Euro an operativen Erträgen erwirtschaftet. Allein im Dezember wurden mehr als 300 000 Trades pro Tag abgewickelt für mehr als 13 Millionen Nutzer. Und seitdem Coinbase mit mobilem Design im App Store von Apple verfügbar ist, sollen pro Tag 100 000 Kunden neu hinzukommen. In Arbeit ist jetzt eine B2B-Lösung für institutionelle Kunden, denen eine Anbindung für “Digital Asset Custody” bereitgestellt werden soll. Sprich, das Investment wird technologisch und regulatorisch zugänglich gemacht für Banken und Geldmanager. In den USA hat mit Bitgo kürzlich erstmals ein Blockchain-Start-up ein traditionelles Finanzunternehmen gekauft. Mit Kingdom Trust wurde ein Wertpapierverwahrer geschluckt – “Custody” gilt in Blockchain-Geschäftsmodellen auf dem Finanzmarkt als Flaschenhals bei regulatorischer Compliance. Kingdom verwaltet 12 Mrd. Dollar an Assets und ist damit ein kleiner Fisch in der Branche – bei Coinbase ginge es sicher um größere Volumina, die als institutionelle Gelder in Kryptoassets fließen sollen.Zehn “Trends to watch” hat CB Insights für 2018 ausgemacht. Bemerkenswert dabei sind vor allem zwei: Zum einen ist das “Unbundling leads to rebundling”, sprich die Fintechs gehen dazu über, mehrere Finanzdienstleistungen zusammenzuführen, nachdem man mit einem singulären Produktfokus gestartet war. Jetzt folgt das Bauen von Multi-Produkt-Plattformen im Sinne des Open Banking, wie es regulatorisch mit Öffnung der Schnittstellen (API) ermöglicht wird. Dafür werden dann auch Partnerschaften geschlossen, die potenziell schnell ein hohes Volumen erschließen können – man denke nur an die Zusammenarbeit von Raisin und Paypal sowie die Nutzung von Transferwise über N26 und Revolut.Zum anderen prognostiziert CB Insights, dass europäische Fintechs ihren globalen Fußabdruck vergrößern. Mit N26, Monzo und Revolut gehen drei sogenannte “Challenger Banks” den Marktstart in den USA an – die Berliner N26 hat eine lokale Partnerbank für die Lizenz angeheuert, Mitte 2018 soll es losgehen. Auch die vor ihrem Börsengang stehende Funding Circle will die US-Ausleihungen von bislang 1 Mrd. Dollar stark ausweiten, dafür wurde Anfang Januar mit Kansas Intrust eine Partnerschaft für Mittelstandskredite vereinbart. Auch Klarna, die bei Ebay stärker zum Zuge kommende Adyen und Transferwise zielen auf einen Ausbau ihrer US-Dienste.Sollte den Fintechs also das gelingen, woran sich die meisten ausländischen Institute die Zähne ausgebissen haben? Der Durchbruch in den USA ist heutzutage mit rein digitalen Diensten natürlich leichter zu bewerkstelligen, da gewisse Kundenschichten genau das nachfragen und die Fintechs einfach flotter und gewitzter sind in der Produktentwicklung. Und solange Venture Capital dafür Mittel bereit stellt, kann man es ja mal versuchen. Es heißt ja nicht umsonst Risikokapital.