Europäische Wertpapierabwicklung fördert den Wettbewerb
Dr. Markus WalchVorstandsvorsitzender der Deutschen WertpapierService Bank AG Die Zeit ist reif für Europa – vor allem in der Wertpapierabwicklung. Im übernächsten Jahr geht Target2-Securities live. Dies wirkt der bisherigen Fragmentierung des Abwicklungsmarktes entgegen und bricht die Abschottung nationaler Märkte auf. Target2-Securities ist in die Agenda of Lissabon einzuordnen, die sich die schrittweise Verbesserung von Handels- und Investitionsmöglichkeiten in Europa zum Ziel gesetzt hat. Mit Target2 wurde bereits ein funktionierendes System für den grenzüberschreitenden europäischen Zahlungsverkehr zwischen den Banken und Zentralbanken durch die Notenbanken der EU geschaffen. Das Ziel, grenzüberschreitende Zahlungen deutlich zu vereinfachen und die damit verbundenen Kosten zu senken, wird mit Target2-Securities auf den Wertpapiersektor übertragen. Dazu wird das Settlement-System von nationalen und grenzüberschreitenden Wertpapiertransaktionen in sicherem Zentralbankgeld vereinheitlicht.Die europaweite Überführung der Wertpapierabwicklung in ein einheitliches System soll den Wettbe-werb fördern und gleichzeitig die Effizienz steigern. Bislang war die Situation durch weitgehend voneinander unabhängige nationale Systeme in Clearing und Settlement geprägt. Unterschiedliche nationale Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel steuerliche Vorgaben und aufsichtsrechtliche Anforderungen, zementierten die Heterogenität in der Wertpapierabwicklung zusätzlich und erschwerten ein grenzübergreifendes Angebot von Wertpapierservices. Der regulatorische Rahmen minimierte Skaleneffekte, die sich durch einen internationalen Roll-out erzielen lassen, und bremste den Expansionsdrang der nationalen Abwickler. Momentan wandelt sich die europäische Struktur jedoch, denn sie wird jetzt auch technisch harmonisiert. Für die Marktteilnehmer bedeutet dies Herausforderung und Chance gleichermaßen. Zu den Gewinnern werden jene Akteure zählen, die eine effiziente Skalierung über leistungsfähige und flexible Systeme ermöglichen. Der rechtzeitige Start der Internationalisierungsbestrebungen in geeignete Märkte – aufsetzend auf einer starken Basis im Heimatmarkt – wird ein weiterer Erfolgsfaktor sein.Die Deutsche WertpapierService Bank AG (dwpbank) hat zum Sprung nach Europa im vergangenen Jahr angesetzt. Sie sieht der europäischen Konsolidierung zuversichtlich entgegen und wird sie aktiv gestalten. Das Fundament dafür bietet die erfolgreiche nationale Überführung von unterschiedlichen IT-Systemen auf die eigene Wertpapiertransak-tionsplattform WP2, die derzeit etwa 6 Millionen Depots technisch verwaltet. Trotz oder besser dank dieser einheitlichen Plattform kann ein Höchstmaß an Flexibilität für rund 1500 Kreditinstitute gewährleistet werden, sowohl in der Nutzungstiefe wie auch im Umfang der Services, die die dwpbank zur Verfügung stellt. Ob Volksbank, Sparkasse oder Privatinstitut – alle spezifischen Anforderungen können abgebildet werden. Wenn nun internationale Hürden fallen, dann ist das der Startschuss für die dwpbank, die umfassende Mandantenfähigkeit auch international umzusetzen. Mit der Plattform WP2 verfügt die Transaktionsbank über eine Blaupause für ein europäisches System zur Wertpapierabwicklung, das seine Eignung zur Integration bereits vielfach unter Beweis gestellt hat. Der Beginn der Internationalisierung in der Wertpapierabwicklung sollte vernünftigerweise in jenen Märkten erfolgen, die möglichst niedrige Eintrittsbarrieren aufweisen. Neben Österreich sind die Benelux-Staaten die spannendste Region, um den Umbau von WP2 zu einem internationalen System anzugehen. Mit den Niederlanden hat die dwpbank schließlich den passenden Einstiegsmarkt gefunden, da der Nachbar ähnliche Rahmenbedingungen wie Deutschland aufweist und zudem gute Chancen für einen neuen Marktteilnehmer bietet: Die Wettbewerbsintensität beim Outsourcing von Wertpapierdienstleistungen ist gering, gleichzeitig ist der Bedarf an Bündelung der Wertpapierströme aus Kostengründen hoch. Mit rund sechs Millionen Wertpapierdepots ist das relativ kleine europäische Land überdurchschnittlich attraktiv für einen Bündler wie die dwpbank. Gleichzeitig zählt der Finanzplatz Amsterdam zu den Top Ten weltweit. Legt man eine Wertpapierabrechnung aus den Niederlanden und Deutschland nebeneinander, sieht es auf den ersten Blick so aus, als ob der Anpassungsbedarf überschaubar sei. Nach detaillierter Analyse gilt es allerdings, steuerliche Aspekte des Landes vollständig umzusetzen, lokale Prozesse zwischen den einzelnen Partnern zu berücksichtigen und Schnittstellen zu Börsen sowie Aufsichtsbehörden sauber anzupassen. Die dwpbank macht diesen Schritt nicht allein. Sie verlässt sich auf die Expertise eines starken Partners vor Ort. Mit der KAS Bank konnte im niederländischen Markt ein erster Kunde und gleichzeitig leistungsstarker Partner gefunden werden, um das Projekt anzugehen. Das 1806 gegründete Institut verfügt über rund 500 Kunden im Wholesale-Bereich und einen Marktanteil im institutionellen Geschäft von rund 30%. Die KAS Bank wird ihr Verarbeitungsvolumen sowie ergänzende Dienstleistungen in der Wertpapierabwicklung in den kommenden Jahren an die dwpbank outsourcen. Zudem gründeten beide Institute ein gemeinsames Unternehmen. Ziel ist, eine paneuropäische Wertpapierabwicklungsplattform für das Retail-Geschäft aufzubauen und neue Kunden zu akquirieren. Startregion für die Aktivitäten werden naturgemäß die Niederlande sein. Dort streben die Kooperationspartner bis 2018 die Marktführerschaft an. Weitere Zielmärkte wie beispielsweise Belgien stehen auf der Agenda. Die geplante paneuropäische Plattform wird zwar auf WP2 basieren, gleichwohl werden umfangreiche länderspezifische Ergänzungen erforderlich. Diese sind zuerst sprachlicher Natur, doch vor allem sind es regulatorische Vorgaben, die Anpassungen in der Business-Logik notwendig machen. Die bisherige Herausforderung, für unterschiedliche Kundensegmente passende Leistungspakete zu schnüren, wird nun um die Dimension der ausländischen Märkte erweitert. Die dwpbank hat im vierten Quartal 2012 ihre IT-Zielarchitektur neu ausgerichtet, um diese Wachstumsinitiativen im Bereich des institutionellen Geschäfts sowie bei den Dienstleistungen für ausländische Mandanten zu ermöglichen und zu unterstützen. Dazu setzt sie architektonische Änderungen in wesentlichen Teilen der IT-Plattform WP2 um. Im Frontend-Bereich, bei der Datenintegration und im Data-Warehouse-Umfeld ist der technische Ausbau in Richtung “Open Systems” bereits weitgehend verwirklicht. Die Neuausrichtung hin zu dezentral umgesetzten Business-Funktionen setzt diesen technologischen Weg konsequent fort. Das erhöht die Flexibilität weiter und unterstützt so die schnelle Realisierung neuer Produktideen.Die Internationalisierung und der Aufbau der paneuropäischen Plattform bedeuten nicht nur ein weiteres ambitioniertes Großprojekt für die dwpbank, sondern sind auch ein notwendiger Schritt. Es liegt in der Verantwortung des deutschen Marktführers, seine Kunden in die harmonisierte europäische Wertpapierabwicklung zu führen und zu begleiten sowie gleichzeitig die daraus erwachsenden Chancen zu nutzen. Der sich abzeichnende Strukturwandel im nationalen Wertpapiergeschäft macht den Schritt nach Europa zwingend.In diesem Szenario ist eine ökonomisch erfolgreiche Positionierung für Kunden und Abwickler dann möglich, wenn es gelingt, entsprechende Skaleneffekte durch die Integration niederländischer Kunden zu realisieren. Doch die Bestandskunden der dwpbank – besonders im Wholesale-Umfeld – werden auch operativ von den Weiterentwicklungen profitieren, die durch die Kooperation mit der KAS Bank initiiert wurden. Ein Beispiel ist die Entwicklung einer Settlement Engine, die in der Lage ist, auch ohne Vorliegen der Order auf der Basis von Lieferinstruktionen Clearing und Settlement auszuführen.Durch einen ganzen Strauß von Leistungserweiterungen für das Wholesale-Geschäft ergeben sich neben der europäischen Expansion Opportunitäten im Heimatmarkt, die es erlauben, den sich ändernden Marktbedingungen zuversichtlich zu begegnen.