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Europas Aufseher fürchten Börsenpannen

Von Grit Beecken, Frankfurt Börsen-Zeitung, 13.9.2014 Die European Securities and Markets Authority (ESMA) hat in ihrem halbjährlich erscheinenden Risikobericht vor einer zunehmenden Zahl von Handelsausfällen und technisch bedingten Kursstürzen...

Europas Aufseher fürchten Börsenpannen

Von Grit Beecken, FrankfurtDie European Securities and Markets Authority (ESMA) hat in ihrem halbjährlich erscheinenden Risikobericht vor einer zunehmenden Zahl von Handelsausfällen und technisch bedingten Kursstürzen gewarnt. Die Aufseher führen die Pannen auf die steigende Komplexität des Marktgeschehens zurück: Der Handel werde immer schneller, gleichzeitig würden immer größere Datenmengen verarbeitet.”Der zunehmende Wettbewerb unter Anbietern von Trading Services und der Fortschritt bei Handelstechnologien und -strategien haben den Spielraum für ertragreiche Gelegenheiten erweitert. Er bringt aber auch unvorhergesehene und unerwartete Nebenwirkungen mit sich”, schreiben die Aufseher. Während Wertpapiere früher an regulierten Börsen gehandelt wurden, gibt es seit rund sieben Jahren nun auch weitere Handelsplattformen – darunter Unternehmen wie Bats Chi-X, bei denen mittlerweile Aktien aus ganz Europa umgeschlagen werden. Der Londoner Handelsplatzbetreiber hat mittlerweile fast 9 % des Handels in Werten aus dem Euro Stoxx 50 an sich gezogen (siehe Grafik).Im Juni 2014 gab es in Europa 99 regulierte Börsen, 143 multilaterale Handelsplattformen und 12 interne Handelsplätze großer Investmentbanken, sogenannte systemische Internalisierer. Zudem wird nach wie vor fast die Hälfte der Aktien außerbörslich gehandelt (siehe Grafik). Die Vielzahl möglicher Umschlagplätze ermöglicht in Verbindung mit dem technischen Fortschritt eine große Anzahl verschiedener Tradingstrategien. Und das bereitet der ESMA Kopfzerbrechen. “Die Investorennachfrage nach immer fortschrittlicherer technischer Infrastruktur steigt”, konstatieren die Aufseher. Das bringe die Handelsplatzbetreiber in Zugzwang: “Die Börsen treten nun mit ihrer Fähigkeit gegeneinander an, immer größere Datenmengen in immer weniger Zeit zu verarbeiten.” Waches Auge ist gefragtDie auf diese Weise steigenden operationellen Risiken der Handelsplatzbetreiber müssen aus Sicht der ESMA beobachtet werden, weil sie das Finanzsystem gefährden können. Allerdings sei es schwer, die Auswirkungen von Handelspannen im Voraus zu ermessen. Schließlich können sie ganz unterschiedlich sein – von einem kurzen Ausfall bis hin zu sogenannten Flash Crashs, wie sie in den USA aufgetreten sind.Die überarbeitete Finanzmarktrichtlinie Mifid II soll einen Teil der beschriebenen operativen Risiken schmälern. Das Regelwerk verlangt folgende Maßnahmen:- Höhere organisatorische Anforderungen an die Sicherstellung der Funktionalität und Integrität der Märkte- Schärfere Regeln für den algorithmischen Handel sowie Überwachung der Einhaltung durch die Aufseher- Zusammenarbeit und Informationsaustausch der Börsen.Die Aufseher der ESMA scheinen dennoch skeptisch zu sein, ob all das ausreichend sein wird, um alle Risiken zu minimieren. Denn der Wettbewerbsdruck bleibt hoch, und der technische Fortschritt dauert an. Im schlimmsten Fall könnte eine Handelspanne das Vertrauen in den Markt und damit dessen Effizienz untergraben, schreiben die Autoren des Risikoberichts.Sie betonen die Notwendigkeit genauer Untersuchungen der Marktstruktur und der möglichen Folgen von Handelspannen. Nur so könnten sich potenzielle Folgen auf die Stabilität des Finanzsystems besser einschätzen lassen, heißt es. Dazu würden Informationen über die genauen Dienstleistungen benötigt, welche die Handelsplätze anbieten. Zudem ist unbekannt, wie die Infrastruktur der Unternehmen genau aussieht und wie häufig Unregelmäßigkeiten im Handelsverlauf und andere Systemstörungen auftreten.Marktteilnehmer teilen die Sorge der ESMA-Aufseher nur bedingt. Viele verweisen stattdessen darauf, dass sich europäische Börsenpannen im Vergleich zu Patzern in den USA in Grenzen halten. In der Regel laufen die Systeme der Handelsplatzbetreiber nach kurzer Zeit bereits wieder. Und bis dahin sei es in der Regel möglich, seine Aktien auf einer anderen Plattform zu kaufen oder zu verkaufen. Zudem gibt es Volatilitätsunterbrechungen, die allzu verrückte Kurssprünge und Ansteckungseffekte auf anderen Handelsplätzen verhindern.