Europas Banken fallen weiter zurück

US-Institute bauen ihren Vorsprung aus - EY: Jetzt wird es ernst mit Stellenabbau und Filialschließungen

Europas Banken fallen weiter zurück

Europas Banken geraten gegenüber den Instituten aus den Vereinigten Staaten immer weiter ins Hintertreffen, wie eine Analyse der Halbjahresergebnisse durch EY zeigt. Der erwartete europaweite Konsolidierungsprozess rücke näher, kommentiert das Prüfungs- und Beratungshaus. bn Frankfurt – US-Banken bauen ihren Vorsprung gegenüber den Häusern in Europa aus: Während der Nettogewinn der zehn größten Banken in Europa im ersten Halbjahr 2019 binnen Jahresfrist um knapp 6 % auf insgesamt rund 26,4 Mrd. Euro gefallen ist, haben die US-Wettbewerber ihr Nachsteuerergebnis bei einer deutlich dickeren Kapitaldecke um 0,6 % auf umgerechnet kumuliert 69,6 Mrd. Euro gesteigert, wie EY in einer Analyse festhält. Dies sei der höchste Wert seit der Finanzkrise, heißt es. Diese Betrachtung klammert gleichwohl einen positiven Steuereffekt auf US-Banken von knapp 50 Mrd. Dollar im Jahr 2013 aus. “Seit 2017 sind damit die Gewinne der amerikanischen Banken in einem ersten Kalenderhalbjahr jeweils mindestens doppelt so hoch wie die ihrer europäischen Konkurrenten”, erklärt EY. Im Finanzkrisenjahr 2010 galt diese Relation noch umgekehrt (siehe Grafik). Mit 13,0 % lag auch die Nachsteuerrendite der US-Häuser mehr als doppelt so hoch wie jene der europäischen Banken, die auf 6,4 % kamen.Die Zahlen zeugen von einem Trend, der am Markt schon länger Thema ist: dem wachsenden Wettbewerbsvorsprung von US-Häusern. Diesen spiegeln auch die Aktienkurse wieder: In den acht Monaten per 1. September ist der Börsenwert der zehn größten Banken in Europa insgesamt um 7 % gefallen, jener der US-Häuser dagegen um 12 % gestiegen. Mit akkumuliert 436 Mrd. Euro Marktkapitalisierung bringen die Institute in Europa damit nur 38 % des Börsenwerts der US-Konkurrenz auf die Waage. Inzwischen verdrängen die US-Banken die europäischen Institute zunehmend auf deren Heimatmarkt. Europas Kapitalmarktgeschäft ist längst eine Domäne der US-Häuser, wie eine vor wenigen Tagen publizierte Studie von Bain nahelegt. So vereinigen die fünf US-Häuser J.P. Morgan, Goldman Sachs, Citigroup, Bank of America sowie Morgan Stanley die höchsten Marktanteile auf sich. Das US-Umfeld ist günstigerRobert Melnyk, Partner und Leiter Banking & Capital Markets bei EY, erklärt: “Jetzt wird es zunehmend ernst mit dem Stellenabbau und den Filialschließungen – da die Institute angesichts der schwierigen geldpolitischen und konjunkturellen Rahmenbedingungen auf der Ertragsseite wenig Wachstumspotenzial haben, bleibt nur eine Reduzierung des Aufwands, um höhere Renditeziele zu erreichen.” Die Gewinnschwäche vieler europäischer Institute könnte die Neuordnung der Branche beschleunigen, meint Claus-Peter Wagner, Partner und Leiter der Financial Services Prüfungsabteilung von EY in Europa: “Der erwartete europaweite Konsolidierungsprozess rückt ein Stück näher.” US-Institute operieren in einem günstigeren Umfeld als in Europa: So überwand der US-Bankensektor infolge staatlich verordneter, breit angelegter Kapitalspritzen auf Kosten der Steuerzahler die Finanzkrise deutlich rascher als die Banken in Europa, wo die Finanz- bald in eine Staatsschuldenkrise überging. Während US-Häuser längst wieder Zinsen überschüssiger, bei der Notenbank geparkter Liquidität erhalten, scheint in Europa ein Ende der Negativzinsen nicht in Sicht. In den USA bewegen sich die Top Ten der Banken zudem in einem weitaus größeren Markt als in Europa. Dieser bietet ihnen überdies infolge geringerer Wettbewerbsdichte und schwächeren Verbraucherschutzes deutlich höhere Margen. EY-Partner Melnyk verweist auch auf die ausgeprägte Konsumbereitschaft der US-Verbraucher, die den dort tätigen Banken deutlich höhere Zinserträge ermöglichten. Nicht zuletzt sind US-Institute besser kapitalisiert, weil die US-Notenbank dem Einsatz bankinterner Modelle zur Optimierung des Eigenkapitalbedarfs frühzeitig einen Riegel vorgeschoben hatte. Per Ende Juni verfügten die Top Ten in den USA über 1,1 Bill. Euro Eigenkapital, das waren 30 % mehr als den Häusern in Europa zur Verfügung stand. Bei der Bilanzsumme liegen die Banken dies- und jenseits des Atlantiks dabei mehr oder weniger gleichauf.Auch für die US-Banken werden die Zeiten allerdings härter, wie EY-Partner Wagner anmerkt: “In den USA zeigt die Zinskurve nach unten, was auch die Erträge aus dem derzeit noch boomenden Retailbanking bremsen wird.”