Europas starker Einfluss auf Pfandbriefe

Ankaufprogramme sowie Langfristtender TLTRO haben die Struktur des Pfandbriefmarktes verändert - Für 2019 solides Neuemissionsvolumen erwartet

Europas starker Einfluss auf Pfandbriefe

Ein Raunen ging durch die Branche, als die Allianz Leben im September 2018 ankündigte, zukünftig nicht mehr in Pfandbriefe zu investieren. Das solide, aber gering verzinste Instrument passe kaum noch in die Anlagestrategie der Allianz Leben, lautete die Begründung. Zählten Pfandbriefe in der Vergangenheit zu den wichtigsten Anlagen des großen Versicherers, soll der Anteil am Gesamtportfolio mittelfristig auf knapp über null sinken. Statt in die sicheren Pfandbriefe zu investieren, will die Allianz Leben ihr Geld stattdessen in renditeträchtigere Aktien, Immobilien sowie alternative Investments stecken. Und nicht nur renditegetriebene Investoren wie Versicherer oder Assetmanager wurden zum Rückzug bewegt, sondern auch einige Treasury-Investoren, die den Großteil der Covered-Bond-Investoren ausmachen, haben der Assetklasse aufgrund des niedrigen Renditelevels den Rücken gekehrt.Sucht man nach den Gründen dafür, dass diese gedeckten Schuldverschreibungen kaum noch Rendite abwerfen, landet man unweigerlich bei den Ankaufprogrammen beziehungsweise Langfristtendern der Europäischen Zentralbank (EZB). Seit 2009 erwirbt die EZB Covered Bonds, mittlerweile läuft das dritte Ankaufprogramm mit dem selbsterklärenden Namen Covered-Bond-Purchase-Programme (CBPP). Vor zehn Jahren startete das erste Ankaufprogramm mit dem Ziel, den Markt für Covered Bonds zu stabilisieren, was im Krisenjahr 2009 sicherlich seine Berechtigung hatte. Allerdings nicht unbedingt bei deutschen Pfandbriefen, die dank des mit besonders strengen Kriterien ausgestaltetem deutschen Pfandbriefgesetzes im Markt eine Sonderrolle einnehmen.Stattdessen profitierte die EU-Peripherie überproportional vom dritten Ankaufprogramm, die Spreads italienischer, spanischer, portugiesischer und irischer Covered Bonds engten sich im zweistelligen Bereich ein. Die größten Märkte für Covered Bonds – das heißt Deutschland und Frankreich – reagierten hingegen weitaus schwächer auf das Ankaufprogramm, die Spreads von deutschen Pfandbriefen oder französischen Covered Bonds engten im Schnitt nur marginal ein.Seit dem Start des ersten CBPP gehen geschätzte 30 bis 40 % der Neuemissionen an die EZB; in den Büchern der Notenbank liegen Covered Bonds mit einem Volumen von rund 270 Mrd. Euro, was rund 45 % aller von der EZB gemäß ihrer Anlagekriterien überhaupt erwerbbarer Covered Bonds – im Wesentlichen Euro-denominierte Covered Bonds von Euroraum-Emittenten – umfasst. Zu Beginn des CBPP3 im Herbst 2014 sammelte die EZB monatlich bis zu 13 Mrd. Euro ein. Davon wurden teilweise bis zu 92 % am Sekundärmarkt erworben, während nur ein kleiner Teil bei Neuemissionen erstanden wurde. Aufgrund der geringen Liquidität am Sekundärmarkt änderte die EZB aber ihre Strategie und konzentrierte ihre Käufe stark auf den Primärmarkt, womit der durchschnittliche Sekundärmarktanteil stark rückläufig tendierte. Im Laufe der Jahre wurde die EZB so zum mit Abstand größten einzelnen Investor in Covered Bonds.Analog den Ankaufprogrammen für Staats- oder Unternehmensanleihen verzerren die EZB-Käufe auch hier die Preise und verdrängen zudem private Investoren. Die Folgen sind massiv: Das Angebot am Sekundärmarkt ist kaum noch vorhanden, die Renditen liegen auf historischen Tiefständen und zahlreiche traditionelle Investoren haben sich aus dem Pfandbrief-Segment verabschiedet. So gingen bei den Neuemissionen am deutschen Pfandbriefmarkt, immerhin der größte Covered-Bond-Markt der Eurozone, die Anteile an Vermögensverwaltern sowie Versicherungen und Pensionsfonds deutlich zurück, die Quote an Zentralbanken und öffentlichen Instituten stieg hingegen.Letzten Sommer verkündete die EZB dann das Ende der Ankaufprogramme ab Januar 2019. Allerdings plant die EZB ihre fällig werdenden Covered-Bond-Bestände bis auf Weiteres zu reinvestieren, und damit bleibt die Zentralbank ein unterstützender Faktor am Covered-Bond-Markt.Während das CBPP3 eingestellt wurde, wurde im März 2019 die dritte Auflage des EZB-Langzeittenders Targeted Longer-Term Refinancing Operations (TLTRO) verkündet. Ziel des Langfristtenders ist es, die Kreditvergabe in der Eurozone anzuregen. Ab September 2019 wird den Banken der Eurozone vierteljährlich jeweils für eine Laufzeit von zwei Jahren Liquidität zur Verfügung gestellt, der Tender läuft bis März 2021. Die umfassende Liquiditätsbereitstellung trägt dazu bei, dass in der Eurozone weiterhin äußerst günstige Finanzierungsbedingungen bestehen. Dies kommt erneut den etwas schwächeren Banken aus der Peripherie zugute, deren Problem es ist, die hohen TLTRO-II-Fälligkeiten im Jahr 2020 an den Kapitalmärkten zu refinanzieren. Italienische Banken im FokusBanken aus Italien und Spanien haben mit 239 Mrd. Euro (33 %) beziehungsweise 167 Mrd. Euro (23 %) den Großteil des ausstehenden Volumens der TLTROs in den Büchern. In diese Richtung stößt auch die EZB selber mit ihrer Begründung für die TLTRO-Entscheidung. Laut EZB-Präsident Mario Draghi könnten das Auslaufen der bisherigen TLTROs, das hohe Volumen an TLTRO-II-Fälligkeiten sowie die zahlreichen regulatorischen Anpassungen 2019 zu einer Verschärfung der Funding-Konditionen für Banken führen, was problematisch sei. Eine Stützung italienischer Banken steht damit doch recht deutlich im Zentrum der Maßnahmen.Spread-Einengungen bei Covered Bonds, die direkt auf die TLTRO-Ankündigung folgten, fielen allerdings moderat aus, die Maßnahme war zum größten Teil vom Markt schon eingepreist. Neben den Auswirkungen auf die Sekundärmarkt-Spreads dürfte das dritte Tenderprogramm auch Auswirkungen auf die Primärmärkte haben. Da mit den neuen TLTRO der Druck von den Peripherie-Banken abfällt, ihre Fälligkeiten bis 2020 an den Kapitalmärkten oder über Einlagen zu refinanzieren, ist es gut möglich, dass einige geplante Neuemissionen noch einmal verschoben werden.Allerdings wird das Neuemissionsbedürfnis von Peripherie-Banken nicht zum Erliegen kommen, da Emittenten ein Interesse daran haben, die Kapitalmarktfähigkeit von Peripherie-Banken wieder herzustellen. Andererseits wäre auch ohne TLTRO III keine Covered-Bond-Schwemme aus der Peripherie zu erwarten gewesen, da das Aufnahmepotenzial des Marktes bei den aktuellen Risiken noch limitiert ist. Insgesamt geht das BayernLB-Research von einem Neuemissionsvolumen im Jahr 2019 von 130 Mrd. Euro aus.Stand Ende April 2019 wurden knapp 70 Mrd. Benchmark-Neuemissionen platziert, was bedeutet, dass für das Gesamtjahr noch ca. 60 Mrd. Euro erwartet werden. Da auch in diesem Jahr wieder im August und Dezember traditionell geringe Emissionstätigkeiten anstehen, sowie einige Risiken die Märkte zum Erliegen bringen könnten – Brexit, Italien, Europawahl, Handelskrieg – bedeutet dies ein monatliches Neuemissionsvolumen zwischen 9 und 10 Mrd. Euro. Eine “Sturmflut” wie im Januar (38 Mrd. Euro) dürfte sich vorerst nicht wiederholen, haben doch viele Häuser Fälligkeiten schon vorfinanziert. Dazu dürften die EZB-Käufe in den kommenden Monaten aufgrund steigender Fälligkeiten in ihrem Investmentportfolio eher zunehmen und die Covered-Bond-Risikoaufschläge stabilisieren. Dies sollte den Druck von Emittenten nehmen, möglichst früh zu emittieren. Freundlicheres UmfeldInsgesamt scheinen Covered Bonds auch nach der starken Spread-Ausweitung ab Herbst 2018 ein für Investoren attraktiveres Level gefunden zu haben, was starke Spread-Ausschläge nach oben unwahrscheinlicher werden lässt. Dies trägt zu einem freundlicheren Umfeld für Emittenten bei, was wiederum Emissionsspitzen verhindern dürfte.Zusammenfassend ist festzustellen, dass nach nunmehr zehn Jahren tiefgreifender geldpolitischer Eingriffe in den Covered-Bond-Markt, die die Verzerrung der Preisfindung, die Verdrängung eines Großteils privater Investoren und eine massive Reduzierung der Sekundärmarktliquidität zur Folge hatten, der Einfluss der EZB in den nächsten Jahren allmählich abnehmen dürfte. Nichtsdestotrotz bleiben die Zentralbanken über reinvestierte Fälligkeiten und TLTRO III der wichtigste Marktteilnehmer im Pfandbrief- beziehungsweise Covered-Bond-Markt. Ralf Woitschig, Kapitalmarktvorstand der BayernLB