Europas Versicherer verlieren die Lust an Fusionen

M & A-Aktivitäten erlahmen - Euro-Krise und Solvency II lassen Unternehmenslenker vorsichtig werden

Europas Versicherer verlieren die Lust an Fusionen

ak Düsseldorf – Europas Versicherer halten sich mit Übernahmetransaktionen (M & A) mehr und mehr zurück. Im ersten Halbjahr 2012 gingen laut einer Studie der Wirtschaftskanzlei Clyde & Co nur 83 M & A-Deals über die Bühne – so wenig wie in keiner der sechs Vorperioden.Für den Abwärtstrend liefern Branchenbeobachter gleich einen ganzen Strauß von Gründen: Die anhaltende Euro-Krise schafft große Verunsicherung, dazu kommen die umwälzenden regulatorischen Veränderungen mit der bevorstehenden Einführung von Solvency II. Auch Sorgen um ausreichende Reserve-Niveaus und über weiche Sachversicherungsmärkte mit niedrigen Preisen hemmen die Fusionslust bei Europas Assekuranz. Wenn die Konjunktur boome und die Märkte fester seien, nähmen Unternehmensführer eher größere Risiken auf sich, schreiben die Analysten von Clyde. Für die weltweit tätige Kanzlei mit Hauptsitz in London arbeiten 1 300 Anwälte – einer der Schwerpunkte ist die Versicherungsindustrie.Auch vom Volumen her gehen die M & A-Aktivitäten in der europäischen Assekuranz zurück. Nach einer Statistik von Pricewaterhouse waren es 8,8 Mrd. Euro im vergangenen Jahr, 7 % weniger als 2010. Milliardendeal in SchwedenGrößter Deal auf dem Alten Kontinent in den vergangenen zwölf Monaten war eine 2,5 Mrd. Euro schwere Transaktion in Schweden. Die Skandia Liv (Leben) hatte vom südafrikanischen Finanzkonzern Old Mutual dessen skandinavische Banken- und Versicherungsaktivitäten Nordic übernommen. Damit kehrte die frühere Mutter unter das Dach ihrer Tochter zurück, hatte doch Old Mutual 2006 die börsennotierte Skandia gekauft. Deren Lebensversicherungsgesellschaft Skandia Liv, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, war bei der Übernahme außen vor geblieben. Die Euro-Krise wirkt laut Clyde-Studie in einigen Fällen auch fusionstreibend – dann, wenn von Rating-Downgrades gebeutelte Finanzdienstleister versuchen, ihre Cash-Reserven aufzufüllen. So übernahm die Allianz 2011 die Mehrheit an einem Asset-Management-Joint-Venture mit dem spanischen Banco Popular, was der Bank einen Buchgewinn von fast 500 Mill. Euro bescherte.Die Allianz als europäische Marktführerin der Branche hatte auch beim unter Druck geratenen französischen Gegenseitigkeitsversicherer Groupama zugeschlagen und im Juni Teile von dessen Tochter Gan Eurocourtage erworben. Fragmentierter MarktDer deutsche Versicherungsmarkt hingegen bleibt weiterhin fragmentiert. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zählte 2011 insgesamt 580 Assekuranzunternehmen, von denen diverse in Konzernen zusammengefasst sind. Die Zahl hat sich jedoch in den vergangenen drei Jahren um nicht einmal 3 % verringert. Vor allem in der Schaden- und Unfallversicherung sind mit 215 Gesellschaften zahlreiche kleine und Kleinstunternehmen am Markt.Auf europäischer Ebene werden in diesem Herbst wohl weniger M & A-Transaktionen als eher zwei große geplante Börsengänge in der Assekuranz die Finanzmarktakteure beschäftigen. In London plant die Royal Bank of Scotland für ihre Versicherungstochter Direct Line das IPO.Dem größten Autoversicherer der Insel wird eine Marktkapitalisierung zwischen 3 und 4 Mrd. Pfund zugetraut. In Deutschland hat gerade die Talanx, die auf einen Emissionserlös via Kapitalerhöhung von 1 Mrd. Euro zielt, ihre Listing-Ambitionen endlich einmal terminiert. Für beide Börsenplätze wäre es die größte Transaktion des Jahres.