Ex-UBS-Topmanager Raoul Weil verhaftet
Von Daniel Zulauf, ZürichDer ehemalige UBS-Spitzenmanager Raoul Weil ist in einem Hotel in der norditalienischen Stadt Bologna verhaftet worden. Gegen den Ex-Banker lag ein internationaler Haftbefehl vor. Weil war im November 2008 von einem US-amerikanischen Gericht wegen seiner mutmaßlichen Verwicklung in die Steuerbetrugsgeschäfte der UBS unter Anklage gestellt worden. Der 54-Jährige zog es aber vor, sich dem Gericht nicht zu stellen. Nun könnte ihm die Italienreise zum Verhängnis werden. Aller Voraussicht nach wird das amerikanische Justizministerium schon bald ein Auslieferungsgesuch nach Rom schicken, um Weil doch noch vor Gericht zu bringen.Dieser war offenbar privat im Belpaese unterwegs. Das sagt jedenfalls Andreas Hildenbrand, Sprecher der Investmentgesellschaft Reuss Private Group, in der Weil seit Jahresbeginn als Geschäftsführer tätig ist. Weshalb der Manager in Kenntnis des internationalen Haftbefehls die Schweiz verließ, ist unklar. Möglicherweise ging der Banker davon aus, dass die US-Justiz das Interesse an ihm verloren hat, nachdem sich die Schweiz und die USA auf einen Plan zur Beilegung des Steuerstreites geeinigt haben. Vielleicht war ihm aber auch ganz einfach nicht bekannt, dass italienische Hotels ihre Übernachtungslisten routinemäßig der Polizei zur Kontrolle übermitteln.So oder so stehen dem beim Schweizerischen Bankverein in Basel groß gewordenen Manager einige höchst unangenehme Monate bevor. Nach einer Überstellung in die USA dürfte Weil zur Zahlung einer hohen Kaution aufgefordert werden, um den weiteren Verlauf der Verhandlung nicht hinter Gittern abwarten zu müssen. Für eine erste Einschätzung von Weils rechtlicher Lage war dessen New Yorker Anwalt Aaron Marcu nicht zu erreichen.Brisant ist die Anklage Weils vor allem aufgrund dessen hoher Stellung in der UBS. Von 2002 bis Mitte 2007 war er als Leiter des internationalen Vermögensverwaltungsgeschäftes direkt für das weltweite grenzüberschreitende Geschäft zuständig. Und im Juli 2007 stieg er als Leiter für das globale Vermögensverwaltungsgeschäft in die oberste Konzernleitung auf. In dieser Funktion beerbte er Marcel Rohner, der nach der unvermittelten Entlassung von Peter Wuffli zum CEO der UBS berufen wurde. Speziell chiffrierte LaptopsDie Anklageschrift wirft Weil vor, er habe seine Untergebenen dazu animiert, unerlaubte Geschäfte mit US-Kunden zu tätigen, um die Gewinne der Bank zu steigern. Im Zuge der Verschwörung gegen die US-Steuerbehörden hätten Weil und seine Mitverschwörer speziell chiffrierte Laptops und andere Techniken benutzt, um auf ihren USA-Reisen die Identität der Kunden zu verschleiern, heißt es. Für die US-Staatsanwaltschaft widersprachen diese Praktiken insbesondere dem Qualified Intermediary Agreement, in dem sich die UBS im Jahr 2001 verpflichtet hatte, die Vermögen der US-Kunden offenzulegen oder diesen keine Anlagen in amerikanischen Wertschriften mehr anzubieten.Die wichtigsten Hinweise, mit deren Hilfe US-Staatsanwalt Alexander Acosta seine Anklage gegen Weil begründen konnte, dürfte ihm im April 2008 Martin Liechti geliefert haben. Dieser wurde damals, sieben Monate vor der Anklage gegen Weil, in den USA als Zeuge festgehalten und während längerer Zeit von den Behörden befragt. Liechti war als hochrangiger Direktor direkt zuständig für das grenzüberschreitende Vermögensverwaltungsgeschäft mit US-Kunden und er war in dieser Funktion auch Vorgesetzter von Bradley Birkenfeld, der als Whistleblower die UBS-Steueraffäre ins Rollen brachte.Im Lichte von Raoul Weils Verhaftung müssen sich nun auch Marcel Rohner und der ehemalige UBS-Chefjurist und spätere Verwaltungsratspräsident Peter Kurer fragen, ob ihnen in nächster Zukunft ebenfalls eine Anklage durch die US-Behörden drohen könnte. Kurer zeigte sich auf Anfrage der Börsen-Zeitung zuversichtlich: “Aufgrund meines heutigen Wissensstandes hat die Verhaftung auf meine persönliche Situation keine Auswirkung, und ich werde deshalb auch meine bislang intensive Reisetätigkeit nicht einschränken.” Der ehemalige Zürcher Topanwalt, der nach eigenen Angaben noch einige Beratungs- und Verwaltungsratsmandate ausübt, stellt sich auf den Standpunkt, dass es gegen ihn in der Steuersache nie irgendwelche rechtlichen Verfahren gegeben habe.Tatsächlich hatte die Eidgenössische Bankenkommission, die Vorgängerorganisation der heutigen Finanzmarktaufsicht, unter anderem gestützt auf eine von der UBS selber veranlasste interne Untersuchung durch eine US-Anwaltskanzlei keine Hinweise dafür gefunden, dass Kurer und Rohner in die illegalen Geschäfte mit US-Kunden involviert waren oder auch nur von diesen Kenntnis hatten. Allerdings heißt es in der Weil-Anklageschrift, einige seiner Mitverschwörer seien auf “höchster Ebene” in der UBS tätig gewesen und sie hätten dabei zum Teil auch Funktionen wahrgenommen, die mit der Überwachung aller rechtlichen und regulatorischen Belange des Konzerns zu tun hatten. Ob dieser Hinweis tatsächlich als ein Fingerzeig für eine Mitverantwortung Kurers zu verstehen war, wie dies viele Beobachter glauben, wird sich spätestens dann zeigen, wenn Weil vor den US-Behörden ausgesagt hat.