Richter will Ex-Wirecard-Manager zu Geständnis bewegen
Ex-Wirecard-Manager erwägt Geständnis
Anfang Juli könnte früherer Chefbuchhalter Stephan von Erffa vor Gericht aussagen – Der Druck auf ihn ist hoch
Von Stefan Kroneck, München
Im Betrugsprozess um Wirecard könnte es im Frühsommer zu einem weiteren Geständnis kommen. Darauf arbeitet das Gericht hin. Der mitangeklagte Ex-Konzernchefbuchhalter Stephan von Erffa ist wohl zu Aussagen bereitet. Damit deutet sich eine Kehrtwende in der Verteidigungsstrategie an.
Markus Födisch übt sich in Geduld. Der Vorsitzende Richter im Strafprozess um den Betrug bei Wirecard dringt auf ein weiteres Geständnis, um das Mammutverfahren auf dem Weg zu einem Abschluss zu bringen. Dabei steht einer der drei Angeklagten im Visier, der bislang vor der 4. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München I eisern geschwiegen hat (Az. 4 KLs 402Js 108194/22).
Es handelt sich um den früheren Konzernchefbuchhalter Stephan von Erffa. Im März hatte Födisch ihm signalisiert, dass ein umfassendes Schuldeingeständnis sich strafmildernd auswirken könnte. Das Gericht sieht offensichtlich die Beweislage gegen Erffa 18 Monate nach Prozessauftakt als erdrückend an.
Weiteres Rechtsgespräch
Nach der Pause während der bayerischen Pfingsferien setzen sich die Prozessbeteiligten erneut zusammen, um Detailfragen zu klären. Für ein Rechtsgespräch mit Erffas Verteidigern ist laut Gericht der 5. Juni terminiert. Seine Anwälte hätten laut Nachrichtenagentur Reuters signalisiert, dass ihr Mandant sich möglicherweise Anfang Juli vor der Strafkammer in der Sache äußern würde. Födisch zufolge plant das Gericht für diesen Zeitraum Termine vor. Das ist rund einen Monat später als der Richter ursprünglich vorgesehen hatte.
Voll schuldfähig
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem „Deal“ zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und Erffas Rechtsbeiständen kommt, ist gestiegen, seitdem vor kurzem Gutachter dem Mitangeklagten eine volle Schuldfähigkeit bescheinigten.
Damit ist die Strategie von Erffas Anwälten gescheitert. Sie hatten argumentiert, dass ihr Mandant nur eingeschränkt schuldfähig sei. Dieser habe die kriminellen Machenschaften im Unternehmen nicht durchschauen können. Erffa leide vermutlich an einer Autismus-Spektrum-Störung, begründeten seine Verteidiger.
Das konnten die zwei Sachverständigen, die den Mitangeklagten während des Prozesses beobachteten, aber nicht bestätigen. Einem Psychologen und einem Psychiater zufolge agiert Erffa im Rahmen des Normalen. Das Gericht bestellte die beiden Experten, um auf dieser Ebene Klarheit zu schaffen.
Einlenken wahrscheinlich
Sollte Erffa tatsächlich im Sinne von Födisch einlenken, wäre das ein Wendepunkt in der Gerichtsverhandlung. Bislang gestand nur Oliver Bellenhaus die Taten vollumfänglich. Der ehemalige Konzernstatthalter in Dubai ist der Kronzeuge der Strafermittler. Seine Aussagen und Belege brachten das Verfahren ins Rollen.
Ein Geständnis von Erffa würde den Druck auf den Hauptangeklagten Markus Braun erhöhen. Der frühere Vorstandschef des Zahlungsabwicklers bestreitet sämtliche Anklagepunkte. Er zeigt sich in der Opferrolle. Er, so Braun, habe von Allem nichts gewusst.
Keine Aussicht auf Bewährung
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Trio gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Untreue vor. Sie sollen jahrelang die Zahlen des einstigen Dax-Mitglieds mit erfundenen Geschäften vor allem in Südostasien geschönt haben, um Investoren zu täuschen. Treuhandkonten von 1,9 Mrd. Euro in Manila erwiesen sich als Luftbuchung. Als die Sache im Rahmen einer Sonderprüfung durch KPMG aufflog, brach Wirecard bekanntlich im Juni 2020 unter der Last von Schulden zusammen. Die Strafermittler beziffern den finanziellen Schaden für geprellte Gläubigerbanken und andere institutionelle Geldgeber auf 3,2 Mrd. Euro.
Aufgrund der Schwere der Tat dürfte Erffa wohl kaum mit einer auf Bewährung gesetzten Freiheitsstrafe rechnen können. Auch dann, wenn er ein Geständnis ablegt. Das signalisierte bereits Födisch. Braun droht eine mehrjährige Haftstrafe. Der gebürtige Wiener sitzt bereits seit fast vier Jahren in Untersuchungshaft. Die Justiz begründete das mit einer Flucht- und Verdunklungsgefahr.
Zusätzliche Anklage erhoben
Nach dem Prozess gegen das Trio könnten weitere Gerichtverfahren folgen. Im Dezember vergangenen Jahres erhob die Staatsanwaltschaft auch Anklage gegen den früheren Wirecard-Finanzvorstand Burkhard Ley.
Unterdessen ist der mit Haftbefehl gesuchte Ex-Vertriebsvorstand Jan Marsalek weiterhin auf der Flucht. Er soll sich in Russland versteckt halten. Laut Medienberichten soll der Österreicher für den russischen Geheimdienst arbeiten. Im Herbst startet in London ein Prozess gegen sechs Bulgaren, die einem von Marsalek geleiteten Spionagering angehört haben sollen. Die Causa Marsalek entwickelte sich in Wien zu einer Staatsaffäre, weil vermutlich auch ein Polizist für ihn Dienste geleistet haben könnte.