"Extrawürste" am OTC-Derivatemarkt
Schon bald sollen in den USA strengere Regeln für außerbörsliche Derivategeschäfte gelten. Allerdings geben sich die Regulierer großzügig, was die Ausnahmen angeht: Zehntausende Unternehmen und Banken sollen von der Pflicht ausgenommen werden, Swaps künftig zentral verrechnen zu lassen, wie die US-Aufsicht CFTC jetzt beschlossen hat. Da in der EU andere Ausnahmen geplant sind, warnen Aufseher vor einem Wildwuchs.Von Stefanie Schulte, FrankfurtDie USA treiben die Regulierung des Marktes für außerbörsliche Derivate voran – doch etliche Beteiligte können den Neuerungen entspannt entgegensehen. Zehntausende Unternehmen und Banken sollen in den USA von der Pflicht, außerbörsliche Derivategeschäfte künftig zentral verrechnen zu lassen, ausgenommen werden. Dies hat die US-Börsenaufsicht Commodity Futures Trading Commission (CFTC) in dieser Woche beschlossen. Mit ihrem Votum legte sie einen Meilenstein für die Umsetzung des Regelwerks Dodd-Frank, mit dem der Markt für außerbörsliche (Over-the-Counter-, OTC-) Derivate an die Kandare genommen werden soll.Von der Ausnahme von der Clearing-Pflicht sollen in den USA unter anderem kleinere Banken mit Bilanzsummen von unter 10 Mrd. Dollar profitieren. Überlegt wird ferner, auch US-Genossenschaftsbanken generell auszunehmen. Dieser Punkt befindet sich noch in einer 30-tägigen Konsultationsphase. Klar ist dagegen schon, dass etwa 30 000 Unternehmen, die Derivate zur Absicherung etwa von Zins- oder Rohstoffpreisrisiken einsetzen, von der Pflicht befreit werden. FSB warnt vor WildwuchsDie vielen unterschiedlichen Ausnahmen, die Derivate-Gesetzgeber weltweit vorsehen, könnten Regulierungsarbitrage erleichtern, warnte im Juni das Financial Stability Board (FSB). Auch die Europäische Union plant in ihrem OTC-Regelwerk Emir (European Market Infrastructure Regulation) “Extrawürste”, die von den Vorhaben der USA abweichen. So sollen in der EU, anders als in den USA, kleine Banken der Clearing-Pflicht unterliegen, wie in dem FSB-Bericht betont wird. Allerdings gilt das wohl nur dann, wenn sie OTC-Geschäfte außerhalb ihrer Finanzverbünde abschließen.Sparkassen und Genossenschaftsbanken können sich der Clearing-Pflicht voraussichtlich entziehen, indem sie standardisierte OTC-Geschäfte künftig nur noch mit anderen Instituten im eigenen Haftungsverbund abschließen. Das wäre etwa bei Transaktionen zwischen Sparkassen und Landesbanken der Fall. Wie die USA will auch die EU Unternehmen von der Pflicht zur zentralen Verrechnung befreien. Hier soll dies bis zu einer bestimmten Maximalgröße der Derivateposition gelten.Die Clearing-Pflicht für standardisierte außerbörsliche OTC-Derivategeschäfte ist ein Kernstück sowohl von Dodd-Frank als auch von Emir. Ihre Umsetzung dürfte deutliche Verschiebungen im Markt verursachen. Berücksichtigt man auch nichtstandardisierte OTC-Derivate, wurden Ende 2011 weltweit lediglich 35 % der Zinsderivate und 12 % der Kreditausfall-Swaps zentral verrechnet, wie aus einem Bericht des Financial Stability Board (FSB) hervorgeht (siehe Grafik). Insgesamt wird das Nominalvolumen des globalen OTC-Derivatemarkts auf über 600 Bill. Dollar geschätzt. Die zentrale Verrechnung hat unter anderem zur Folge, dass Banken für viele Swap-Geschäfte mehr Sicherheiten (Margins) hinterlegen müssen als bisher. Allerdings plant die CFTC Ausnahmen von der Clearing-Pflicht nicht nur für bestimmte Marktteilnehmer, sondern unter anderem auch für bestimmte Typen von Energiederivaten.Mit ihrem Votum, in dem sie definiert, welche außerbörslichen Derivategeschäfte überhaupt als Swaps gelten und damit der Regulierung unterliegen, hat die CFTC den Weg für wichtige Umsetzungsschritte von Dodd-Frank freigemacht. Die Regeln könnten zum Teil bereits im September 2012 in Kraft treten.Für das EU-Regelwerk Emir ist als Startzeitpunkt erst der 1. Januar 2013 geplant. Da viele technische Details derzeit noch offen sind, hoffen manche Banker sogar auf eine Verschiebung der Emir-Umsetzung.