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EY weist Verantwortung von sich

Die Wirtschaftsprüfer von EY, die über mehr als zehn Jahre die Abschlüsse des mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard testiert haben, sehen bei sich keine Verantwortung für den milliardenschweren Bilanzbetrug bei dem...

EY weist Verantwortung von sich

sp Berlin

Die Wirtschaftsprüfer von EY, die über mehr als zehn Jahre die Abschlüsse des mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard testiert haben, sehen bei sich keine Verantwortung für den milliardenschweren Bilanzbetrug bei dem ehemaligen Dax-Konzern. „Nach meinem Wissen haben unsere Mitarbeiter die Prüfungshandlungen professionell und nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt“, sagte Hubert Barth, der im Zuge der Affäre seinen Posten als Deutschlandchef von EY räumt und für die Prüfungsgesellschaft künftig im Europa-Geschäft tätig ist, vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Es handle sich um einen einzigartigen Kriminalfall, um „vorsätzlichen und systematischen Betrug“ von wenigen Personen.

Auch Christian Orth, der als Professional Practice Director von EY für die Region Deutschland, Österreich und Schweiz zuständig ist, wies jede Verantwortung von EY an dem Bilanzskandal zurück. „Es ist am Ende des Tages Straftätern mit hoher krimineller Energie gelungen, uns alle zu täuschen“, sagte er mit Blick auf das Wirecard-Management. Der Konzern war im Juni 2020 nach der Aufdeckung eines 1,9 Mrd. Euro großen Lochs in der Bilanz in die Pleite gerutscht. Es ist einer der größten Finanzskandale in der Nachkriegszeit. EY hatte jahrelang die Bilanzen des Münchner Zahlungsabwicklers geprüft und mit ihren Testaten immer wieder grünes Licht gegeben, obwohl es über die Jahre wiederholt Warnhinweise von Medien und Whistleblowern gab.

Vor allem die Prüfungshandlungen von EY mit Blick auf Treuhandkonten von Wirecard in Asien, auf denen zuletzt angeblich rund 1,9Mrd. Euro aus dem Geschäft mit sogenannte Drittpartnern des Zahlungsdienstleisters geparkt waren, die sich im Sommer 2020 als nicht existent erwiesen, zogen das Interesse der Ausschussmitglieder auf sich. „Bei Wirecard wurden wichtige Grundsätze des Prüfer-Einmaleins nicht beachtet“, kritisierte der Finanzpolitiker Danyal Bayaz von den Grünen. „Wenn Milliarden auf Treuhandkonten nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden können, muss das in einem Testat thematisiert werden.“ EY habe nachlässig geprüft, was den Betrug begünstigt habe. Alles deute darauf hin, dass die Treuhandkonten nicht ausreichend geprüft wurden, sagte auch Florian Toncar, der finanzpolitische Sprecher der FDP. „EY hat sich über Jahre hinweg mit dem Wenigen abspeisen lassen, was Wirecard bereit war anzubieten.“

Memo aus dem Frühjahr 2016

Durch die Treuhandkonten in Asien sah es so aus, als würden Drittpartner der Wirecard AG offene Rechnungen per Überweisung bezahlen und auf diesen Konten zwischenparken. Dies sei der Schlüssel zu dem Bilanzskandal, sagte der Ausschussvorsitzende Kay Gottschalk (AfD) während der Vernehmung von Barth und erklärte unter Verweis auf ihm vorliegende Dokumente, dass EY über das Geschäft mit Drittpartnern und die Rolle der Treuhandkonten bereits 2016 „alles Erforderliche gewusst“ habe. „2016 sind Sie falsch abgebogen“, sagte er Barth und erklärte, dass EY seiner Ansicht nach entweder grob fahrlässig oder mit Vorsatz gehandelt habe. Barth sicherte zu, sich mit dem von Gottschalk referenzierten „Concurrence Memorandum“ und zugehörigen Unterlagen zu befassen.

Eine Bestätigung der Bank für die Treuhandkonten sei nicht erforderlich gewesen, sagte Orth. Betrugsvorwürfe habe es erstmals im Zusammenhang mit dem Abschluss für 2019 gegeben. Die Existenz der Konten sei EY aber bestätigt worden. Erst als die Konten von Singapur auf die Philippinen verlagert wurden, sei bei ihm „der Feueralarm“ angegangen. Als später auch Testüberweisungen von den Treuhandkonten ausblieben, hätten die Wirtschaftsprüfer im Frühjahr 2020 Kontakt mit den Banken aufgenommen. Diese hätten schließlich bestätigt, dass die Konten nicht existierten. Daraufhin habe EY die Finanzaufsicht BaFin und den Wirecard-Aufsichtsrat informiert, der auch den Vorstand hinzuzog.

„Herr Orth, Sie glauben doch nicht, dass ich mir 2 Mrd. Euro stehlen lasse“, soll Ex-Wirecard-Chef Markus Braun auf die Nachricht erwidert haben. „Das ist unerfreulich“, sei die erste Antwort des damaligen Wirecard-COO Jan Marsalek gewesen, der weiterhin auf der Flucht vermutet wird.