EZB benotet Geschäftsmodelle der Banken schlechter
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Die Großbanken Eurolands haben in der Bewertung ihres Geschäftsmodells durch die Europäische Zentralbank (EZB) 2021 deutlich schlechter abgeschnitten als in den beiden Jahren davor. Nach Informationen der Börsen-Zeitung verteilen die Aufseher inzwischen für die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells von mehr als jeder zweiten Bank auf einer von 1 bis 4 reichenden Skale die Note 3 oder 4. „1“ zeigt dabei keine erkennbaren Risiken an, „4“ dagegen ein hohes Risiko.
Mehr als eine Fingerübung
Damit nehme der Anteil der mit 3 oder 4 bewerteten Geschäftsmodelle nicht mehr Kurs in Richtung der Marke von 50 %, sondern eher von 60 %, wie berichtet wird. In den Jahren 2019 und 2020 hatte er zusammengenommen noch bei 47 % gelegen (siehe Grafik). Die Europäische Zentralbank (EZB) äußert sich dazu auf Anfrage nicht.
Die Angaben lassen erkennen, dass die Skepsis der Aufseher gegenüber den Geschäftsmodellen der Banken im Zuge der Pandemie zugenommen hat. Die nach der aufsichtlicher Überprüfung und Bewertung (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) jährlich verteilten Noten gehen über aufsichtliche Fingerübungen weit hinaus. Vielmehr leitet die EZB aus ihnen individuelle Kapitalvorgaben (Pillar2 Requirement) und Kapitalempfehlungen (Pillar2 Guidance, P2G) für die Institute ab. In den SREP fließen dabei neben Noten für das Geschäftsmodell einer Bank Bewertungen der internen Governance sowie der Risiken für Kapital und Liquidität ein.
Über die Ursachen der Verschlechterung im vergangenen Jahr gehen die Meinungen auseinander. Im Markt wird sie damit erklärt, dass die EZB ihre Anforderungen an die Institute im Zuge brancheninterner Quervergleiche kontinuierlich heraufgesetzt hat. So betrachteten die Aufseher, sobald etwa der EU-Bankenregulierer EBA Leitlinien herausgebe, diese umgehend als Benchmark und lasse entsprechende Umsetzungsfristen außer Acht, wird berichtet – strengere Kriterien, schlechtere Bewertungen, so die Logik. Andernorts wird hingegen auf eine Eintrübung der Lage der Institute verwiesen. Die Ertragskraft der Häuser bleibe vielfach schwach, und vielerorts seien Banken die strukturellen Ursachen ihrer Defizite, die vielfach aus der Zeit vor der Pandemie herrührten, ungeachtet wiederholter Hinweisen durch die Aufsicht nicht angegangen. Je länger dies unerledigt bleibe, umso dringlicher werde dieses Problem. Bereits bei Präsentation der Ergebnisse des SREP für das vorvergangene Jahr hatte die EZB mitgeteilt, dass sich die aufsichtlichen Monita zu den Geschäftsmodellen gegenüber dem Jahr gut verdoppelt hätten. Rückläufige Margen hätten den Druck erhöht, die Kostenbasis anzupassen, hieß es damals. „In einigen Fällen“ habe die Aufsicht mit Blick auf die Geschäftspläne Sorgen geäußert und sei diesen mit qualitativen Empfehlungen zur kurzfristigen Profitabilität begegnet, etwa zur Aktualisierung von Prognosen zur Profitabilität.
Im jüngsten Bewertungsturnus lag der Anteil der mit 3 bewerteten Banken, 2019 und 2020 noch bei 41% (siehe Grafik), nunmehr „näher bei 50%“, wie zu erfahren ist. Zugleich hat sich der Prozentsatz der Institute in der Kategorie 4, zuvor bei 6%, gleichfalls erhöht. Die Werte für 2019 und 2020 sind identisch, da die Aufsicht im Zuge der Pandemie im vorvergangenen Jahr ihre aufsichtliche Überprüfung deutlich entschlackt hatte. Um die Institute administrativ zu entlasten, hatte sie ihre Vorgaben und Empfehlungen zur Kapitaldecke unverändert gelassen.
Im Detail will die europäische Bankenaufsicht im Februar über die Ergebnisse des SREP für das Jahr 2021 informieren; in früheren Jahren geschah dies jeweils vor Weihnachten. Die Pandemie aber hat den üblichen Zeitplan durchkreuzt. Allen 115 Großbanken der Eurozone unter ihrer direkten Aufsicht hat die EZB bereits vorläufige Bescheide für den SREP 2021 zugestellt; einige Institute aber werden erst gegen Ende Januar über die finalen SREP-Beschlüsse informiert werden.