EZB in Sorge um Versicherer

Schwache Ertragsaussichten der Konzerne als Risiko für die Finanzstabilität - Debatte über QE-Folgen

EZB in Sorge um Versicherer

Die EZB sieht aktuell keine erhöhte Gefahr für das Finanzsystem im Euroraum. Dennoch hat die Notenbank einige potenzielle Risiken ausgemacht. Dazu zählen jetzt auch die Versicherer.ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) sorgt sich zunehmend um die Lage der Versicherer im aktuellen Niedrigzinsumfeld. In ihrem gestern veröffentlichten, halbjährlichen Finanzstabilitätsbericht listet die Notenbank im Gegensatz zu früheren Berichten schwache Ertragsaussichten der Versicherer im Euroraum explizit unter den “Schlüsselrisiken” für die finanzielle Stabilität in der Währungsunion auf. Zuletzt war dort stets nur die Ertragslage der Banken erwähnt – die sich auch diesmal wieder dort findet. Fokus auf LebensversichererDas aktuelle Marktumfeld stelle “eine erhebliche Herausforderung” für die Profitabilität einiger Versicherungsunternehmen auf mittlere Sicht da, heißt es in dem Bericht. Langfristig habe dies das Potenzial, die Kapitalpositionen zu beschädigen. Der Einfluss des Niedrigzinsumfelds sei insbesondere für Lebensversicherer relevant, die hohe Garantieversprechen gegeben hätten und bei denen es einen großen Unterschied gebe zwischen den Restlaufzeiten der Anlagen einerseits und den Verpflichtungen andererseits.Die EZB rückt die Versicherer damit stärker in den Fokus. Im April hatte bereits der Internationale Währungsfonds (IWF) mit seiner Warnung aufhorchen lassen, mögliche Schieflagen bei europäischen und besonders deutschen Lebensversicherern aufgrund der ultraniedrigen Zinsen könnten zur Gefahr für die Stabilität des gesamten Finanzsystems werden. Auch die Finanzaufsicht BaFin fürchtet um die Ertragskraft der Assekuranz.Führende Vertreter der deutschen Versicherungsbranche wie Munich-Re-Chef Nikolaus von Bomhard kritisieren ihrerseits die EZB scharf für die Politik des billigen Geldes. EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio konterte diese Kritik gestern indirekt mit dem Hinweis, es sei nicht richtig, die EZB für die niedrigen Zinsen verantwortlich zu machen. Vor allem der Einfluss der Geldpolitik auf die langfristigen Zinsen sei sehr begrenzt. Die realen Zinsen an den Märkten sänken zudem seit Jahren.Constâncio verwies darauf, dass die Versicherer in den vergangenen Jahren noch sehr gute Erträge erwirtschaftet und sich besser entwickelt hätten als die Banken – gemessen an der Eigenkapitalrendite (Return on Equity). Ein Grund dafür sei aber gewesen, dass die Anleihen auf den Büchern der Versicherer deutlich an Wert zugelegt hätten. In der Zukunft könne sich das aber ändern, und es seien auch Kapitalverluste möglich. Es sei allerdings unklar, inwieweit sich Versicherer womöglich dagegen “gehedgt”, also abgesichert, hätten.Große Sorgen bereiten der EZB auch weiterhin die Ertragsaussichten der Banken im Euroraum. In dem Zusammenhang mahnte Constâncio erneut einen schnelleren Abbau der notleidenden Kredite (Non-Performing Loans) an. Ende 2013 haben die 130 größten Banken in der Eurozone laut EZB solche Risikoposition im Umfang von knapp 900 Mrd. Euro auf ihren Büchern gehabt. Seitdem sei das Volumen gestiegen. Risiken fürs FinanzsystemNeben den schwachen Ertragsperspektiven der Banken und Versicherer sieht die EZB vor allem drei Risiken für die Finanzstabilität: erstens eine abrupte Umkehr der weltweit niedrigen Risikoprämien, zumal bei geringer Liquidität am Sekundärmarkt; zweitens zunehmende Sorgen um die Nachhaltigkeit der Verschuldung von Staaten und Unternehmen in einer Situation niedrigen nominalen Wachstums; und drittens Gefahren durch den rasant wachsenden Schattenbankensektor.Rapide Preiskorrekturen an den Märkten und Sorgen um die Nachhaltigkeit der Verschuldung hatte die EZB auch im November 2014 als Risiken identifiziert. Anders als damals ist aber explizit auch die Verschuldung des Unternehmenssektors aufgeführt. Der Schattenbankensektor findet sich neu in der Gefahrenliste.Insgesamt sieht die EZB derzeit allerdings keine erhöhte Gefahr an den Finanzmärkten. Trotz Phasen erhöhter Volatilität sei der finanzielle Stress in den vergangenen sechs Monaten gering geblieben. Die jüngste Korrektur bei den europäischen Staatsanleihen sei durchaus gerechtfertigt gewesen, sagte Constâncio. Zuletzt waren die Renditen deutlich gestiegen. Die EZB sorgt allerdings das Tempo der Korrektur ein wenig.Constâncio betonte, dass die Politik der EZB inklusive des Quantitative Easing (QE), also vor allem dem breiten Staatsanleihenkauf, zur Finanzstabilität beigetragen habe, weil sie zu besseren Wachstumsperspektiven geführt habe. Die Investitionen hätten aber noch nicht angezogen. Viele Beobachter vor allem in Deutschland sehen die Liquiditätsschwemme der EZB dagegen als Risiko für die Finanzstabilität. Constâncio räumte ein, dass unbeabsichtigte Nebeneffekte möglich seien. Er betonte aber erneut, dass im Notfall die makroprudenzielle Aufsicht und nicht die Geldpolitik gefragt sei. Das ist im EZB-Rat aber umstritten.Constâncio betonte, dass die EZB derzeit keine generelle Überbewertungen bei Vermögenswerten sehe. Er räumte ein, dass in einigen Marktsegmenten die Liquidität spürbar zurückgegangen sei, vor allem an den Anleihemärkten. Das sei aber nicht Folge etwa der QE-Politik der EZB, sondern der neuen Regulierung, die die Möglichkeiten der Banken, als Market Maker aufzutreten, deutlich eingeschränkt habe.