EZB macht Defizite in der Kapitalplanung aus
Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie Europäische Zentralbank (EZB) bescheinigt den Großbanken Eurolands Defizite bei der internen Analyse ihrer Eigenkapitalausstattung, dem sogenannten Internal Capital Adequacy Assessment Process (ICAAP). Grundsätzlich ist dies keine Petitesse. Der ICAAP, mit welchem Banken jederzeit eine angemessene Kapitalausstattung sicherstellen sollen, ist eines von vier Elementen der aufsichtlichen Bewertung und Überprüfung (Supervisory Review and Evaluation Process/SREP), die alljährlich in die individuelle Kapitalvorgabe für die Institute mündet.Durch die Pandemie freilich hat der Befund, den die Aufseher dieser Tage, zwei Jahre nach Publikation von ICAAP-Leitlinien, sowie nach einer Analyse von 37 der 114 unter direkter Aufsicht der EZB stehenden Banken vorgelegt haben, einiges an Wucht verloren. So betonen die Aufseher in ihrem Bericht zwar, dass ein guter ICAAP auch in Krisenzeiten ein entscheidender Faktor für effektives Risikomanagement, eine nachhaltige Finanzstabilität und langfristigen wirtschaftlichen Erfolg sei. Andererseits hat die EZB längst selbst Dampf aus dem Kessel genommen, was die Regeltreue mit Blick auf SREP und damit auch den ICAAP in Coronazeiten angeht. “Wir müssen in diesem Jahr einen pragmatischen und simplifizierten Ansatz wählen”, hatte Elizabeth McCaul, Mitglied im obersten Aufsichtsgremium der Bankenaufsicht, schon Mitte Mai erklärt. Wenige Woche später hatte es die European Banking Authority (EBA) den Aufsichtsbehörden in der EU unter Rücksicht auf die Banken ermöglicht, sich auf eine abgespeckte Version des SREP zu beschränken. So können sich die Aufseher im Falle des ICAAP etwa mit bereits vorliegenden Informationen begnügen, anstatt von den Banken aktualisierte Angaben einzufordern. Mit dem Ansatz der EBA stimme man weitgehend überein, hieß es am Donnerstag bei der EZB.Insgesamt soll es bei der Bewertung in diesem Jahr darum gehen, wie die Banken die mit der Krise einhergehenden Kapital- und Liquiditätsrisiken meistern. Spekulationen, denen zufolge die Aufseher derzeit darüber hinaus gehende Analysen zur Frage anfertigen, welche Banken gut bzw. weniger gut mit der Krise zurechtkommen, um auch im Interesse einer effizienten Geldpolitik ein entsprechendes Ranking anzufertigen, werden nicht kommentiert.Während die Aufseher also das Bestreben zeigen, die Belastung der Banken zu lindern, müssen sie zugleich darauf achten, gerade in der Krise ein möglichst genaues Bild vom Zustand der Institute zu haben. Der ICAAP der Banken hat ihren Ansprüchen zumindest vor der Krise dabei nicht voll entsprochen. Die Institute hätten bei der Verbesserung ihres ICAAP zwar “klare Fortschritte erzielt”, resümiert die EZB. Zugleich gebe es aber noch einige “weniger entwickelte” Gebiete.Konkret hadern die Aufseher mit der Qualität der im ICAAP verwendeten Daten, mit der ihm zu Grunde liegenden ökonomischen Perspektive sowie mit den internen Stresstests der Banken. Eine schwache Datenqualität bedrohe letzten Endes den Fortbestand einer Bank, redet die EZB den Instituten ins Gewissen. “Viele Banken zeigen deutliche Defizite auf diesem Gebiet”, heißt es. Im Falle der ökonomischen internen Perspektive reicht die Mängelliste von der Umsetzung des allgemeinen Konzepts über die Quantifikation von Risiken und die Bestimmung von Grenzwerten für die interne Kapitaladäquanz bis hin zur Verwendung solcher Information für den Entscheidungsprozess etwa mit Blick auf Limite und das interne Reporting. Was Stresstests angeht, so bemängelt die EZB, oft gälten diese als jährliche Übung der Finanzabteilung und nicht als “agiles und reaktionsfähiges Instrument” des Risikomanagements.Wie die Analyse zeigt, lassen Banken die Resultate ihres ICAAP nur bedingt einfließen, wenn sie über Geschäftsaktivitäten entscheiden. Zwar nutzen die meisten Banken die Resultate, um potenzielle Bedrohungen ihrer Kapitalausstattung zeitig zu identifizieren, auch integriert eine Mehrheit den Prozess in die strategische Planung und die Allokation von Eigenkapital. Als weitaus weniger offensichtlich hingegen sieht die EZB die Nutzung des ICAAP zur Steuerung der Beziehung zwischen Risiko und Rendite in den Banken an (siehe Grafik). Rund jede vierte Bank lege nicht dar, wie sie ihre kapitalkosten- oder risikoadjustierten Performance-Indikatoren zu diesem Zweck verwende, heißt es. Über den Einsatz des ICAAP zur Bepreisung von Produkten oder zur Ableitung variabler Vergütung äußerten sich derweil “auffällig wenige Institute”.