EZB-Negativzins belastet Kreditwirtschaft immer stärker
jsc Frankfurt – Die Einlagenflut in der Coronakrise kommt die Kreditwirtschaft teuer zu stehen: Weil die Überschussliquidität, die Banken und Sparkassen im Zentralbankensystem parken, in der Krise anwächst und weiterhin negativ verzinst ist, steigt die Belastung für die deutsche Kreditwirtschaft auf einen mittleren einstelligen Milliardenbetrag pro Jahr. Wie aus dem aktuellen Monatsbericht der Bundesbank hervorgeht, ist der Entlastungseffekt, den die EZB mit einem Freibetrag für die Kreditwirtschaft im September 2019 auf den Weg gebracht hatte, schon wieder aufgezehrt.So hat die deutsche Kreditwirtschaft kurz vor Jahresende eine Überschussliquidität von mehr als 1 Bill. Euro aufgebaut. Aufgrund des Freibetrags wurden allerdings nur etwas mehr als drei Viertel der Mittel mit einem Negativzinssatz von 0,5 % belegt. Die jährliche Belastung für die deutschen Häuser betrüge auf dieser Basis rund 4 Mrd. Euro, wie die Bundesbank festhält. Da die Überschussliquidität im Zuge der Pandemie tendenziell steigt, könnte die Belastung weiter anschwellen. Am gestrigen Mittwoch hat das Portal Tagesgeldvergleich in einer Analyse vor einer steigenden Last gewarnt. Auch die Kreditwirtschaft ist alarmiert: Anlässlich der EZB-Sitzung am heutigen Donnerstag hat der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) eine weitere Entlastung gefordert (vgl. BZ vom 19. Januar).Im gesamten Euroraum lag der Überschuss zuletzt bei knapp 3,4 Bill. Euro und wurde ebenfalls zu etwa drei Vierteln mit einem Negativzins belegt, so dass sich für das Bankgewerbe im Euroraum zuletzt eine jährliche Zinslast von 12,5 Mrd. Euro ergab. Ein Jahr zuvor, kurz nach Einführung der neuen Regel, lag die jährliche Last auf damaliger Basis bei 5,1 Mrd. Euro im Euroraum und 1,9 Mrd. Euro in Deutschland.Mit dem sogenannten Tiering-System hat die EZB einerseits die Kreditwirtschaft entlastet, ohne aber andererseits den Negativzinssatz der Einlagefazilität von 0,5 % aufzuheben: War zuvor nur ein Mindestreservesoll vom Negativsatz befreit, kam mit Tiering-Einführung ein Freibetrag in Höhe des Sechsfachen des Mindestreservesolls hinzu. Sofern Europas Banken den Freibetrag nutzen, können sie 864 Mrd. Euro vom Negativzins befreien lassen und aufs Jahr hochgerechnet 4,3 Mrd. Euro sparen.Wie erwartet nutzen die Institute den Freibetrag mit 99 % nahezu vollständig aus, nachdem der Wert kurz vor Tiering-Einführung bei 72 % lag. Dort, wo Institute die Grenze nicht ausgeschöpft haben, übernahmen sie Liquidität von anderen Häusern, so dass die Belastung für die Kreditwirtschaft insgesamt sank. Auf diese Weise kam Liquidität in Bewegung: Über Ländergrenzen hinweg haben Geldhäuser Mittel verschoben. Vor allem aus Deutschland und Frankreich floss offenbar Liquidität ab und wurde insbesondere von Banken in Italien aufgenommen.Innerhalb Deutschlands haben Sparkassen und Genossenschaftsbanken ihre Mittel bei ihren Zentralinstituten, also den Landesbanken und der DZ Bank, abgezogen und selbst bei der Bundesbank deponiert. Mittlerweile haben sie ihre Freibeträge ausgeschöpft, während sie mit ihren ursprünglichen Beständen nur 47 % (Sparkassen) und 15 % (Kreditgenossenschaften) erreicht hätten. Die Bundesbank spricht von “besonderen Liquiditätsbewegungen” in den Finanzverbünden. Im System der Kreditgenossenschaften können die Primärinstitute darüber hinaus auch Freibeträge an die DZ Bank übertragen, die umgekehrt den Zinsvorteil an die Banken überträgt.Das System von Freibeträgen, um die Last von Negativzinsen zu senken, hat mittlerweile in mehreren Währungsräumen Schule gemacht: So operiert die Schweizerische Nationalbank mit einem Negativzinssatz von 0,75 %, entlastet Banken über einen Freibetrag aber im Gegenzug von einem Großteil des Aufwands, wie die Bundesbank festhält. Auch die Zentralbanken in Dänemark, Schweden und Japan haben Entlastungsregeln für negative Zinsen geschaffen. Das System ist somit bereits weithin etabliert.