EZB vorsichtig optimistisch für Blockchain

Projekt im Zahlungsverkehr zeigt erste Massentauglichkeit - Derzeit aber keine Lösung für die Notenbank - Risiko der Fragmentierung

EZB vorsichtig optimistisch für Blockchain

Zusammen mit der Bank of Japan forscht die Europäische Zentralbank, inwieweit die Blockchain-Technologie in deren Dienstleistungen zum Einsatz kommen könnte. Ein erstes Resultat aus dem Einsatz im Zahlungsverkehr liefert ermutigende Hinweise, aber zeigt, dass noch ein weiter Weg zu gehen ist, sollte diese Technologie dereinst bestehende Systeme ersetzen.Von Dietegen Müller, FrankfurtDie Europäische Zentralbank und die Bank of Japan haben erste ermutigende Resultate in einem Test der Distributed-Ledger-Technologie (DLT, vgl. Glossar) zum Einsatz im Zahlungsverkehr gesammelt. Auf Basis der Hyperledger-Fabric-Software von Linux untersuchten die beiden Zentralbanken im Projekt “Stella”, ob die dezentrale Datenbanktechnologie DLT das leisten kann, was das europäische Zahlungsverkehrssystem Target2 und das japanische BOJ-NET Funds Transfer System täglich tun, nämlich rund 1,8 Bill. Euro bzw. 1,1 Bill. Euro (umgerechnet) abzuwickeln.Dirk Bullmann, der auf EZB-Seite das Projektteam leitet, spricht im Gespräch von einem “vorsichtigen Optimismus”. Es gehe darum herauszufinden, ob DLT auch liefere, was sich Marktteilnehmer von ihr erhoffen. In der DLT werden über ein dezentrales Netz an Servern – sogenannten Knoten oder Nodes – mittels einer bestimmten Software Transaktionen verifiziert, validiert und zu Blöcken zusammengefasst. Keine Peer-to-Peer-WeltDabei kommt in der Regel ein sogenannter Konsens-Algorithmus zum Einsatz. Nur wenn eine Mehrheit der Knoten die Transaktion für richtig befindet, wird sie im ganzen Netz in die auf jedem einzelnen Server vorhandenen identischen dezentralen Datenregister geschrieben. Diese Rechner können dadurch jeweils mit jedem anderen Rechner des Netzes einzeln – also Peer-to-Peer – kommunizieren und Transaktionen abwickeln.In diesem Punkt ist Bullmann jedoch sehr zurückhaltend. “In der DLT-Debatte wird oftmals eine Peer-to-Peer-Welt skizziert, in der Finanzintermediäre irgendwann vielleicht gar nicht mehr gebraucht werden. Dies ist für uns eher im Bereich der Vision einzuordnen. Unser konkreter Ansatz ist es, zu analysieren, inwieweit sich Effizienz und Sicherheit unserer Systeme durch neue Technologien verbessern lassen.”DLT-Systeme gelten im Markt zwar als verhältnismäßig manipulationsresistent. Allerdings haftet ihnen der Ruf an, nicht gut skalierbar zu sein, was sie gerade für Transaktionen mit einem hohen Durchsatz an Stückzahlen ungeeignet zu machen scheint. Bullmann ist hier differenzierter: “Eine sekundenschnelle Abwicklung im Bereich des Massenzahlungsverkehrs wäre vermutlich schwierig, aber die Hyperledger-Software hat zumindest in der Version in unserem Projekt gezeigt, dass ein Großbetrags-Zahlungsverkehr mit den Stückzahlen wie auf Target2 abgewickelt werden kann.”Bullmann erklärt denn auch, dass die Technologie für aktuelle Projekte wie TIPS (Target Instant Payment Settlement) oder auch die Zusammenführung der Abwicklungsplattform Target2-Securities mit T2 “derzeit keine konkrete Bedeutung” hat. Die Erkenntnisse aus DLT-Projekten würden natürlich in zukünftige Arbeiten einfließen, was aber “nicht bedeutet, dass unsere Systeme dereinst von DLT abgelöst werden sollen”, so Bullmann. “Wir sind vorsichtig, da unsere Systeme das Rückgrat des Finanzmarktes darstellen.” Er fügt an: “Wir sehen eine rasante Entwicklung, und ich möchte nicht ausschließen, dass DLT irgendwann auch umsetzbar wird, aber derzeit kann es für unsere Services nicht die Lösung sein.” Je weiter, desto langsamerDie in der Bitcoin-Technologie genutzte Proof-of-Work-Technologie sei wohl nicht die optimale Lösung für eine Finanzmarkt-Technologie, sagt der EZB-Manager. Bitcoins würden zudem in einem offenen Netzwerk abgewickelt, während es für die EZB immer darauf ankomme, wer Teil des Netzwerks ist und welche Rolle er hat: “Eine klare Governance ist wichtig.”Laut einem von der EZB und der Bank of Japan Anfang September veröffentlichten Projektbericht handelte es sich in der Test-Anordnung von Stella um 10 bis 70 Transaktionen pro Sekunde. Dabei spielt die Anzahl Knoten und deren geografische Verteilung eine große Rolle. Je größer das Netzwerk und die Entfernungen der Knoten, desto langsamer die Abwicklung.Ein Faktor ist auch die Art des Konsensus-Mechanismus, also des Algorithmus, der bestimmt, was in die dezentral verteilten Datenblöcke hineingeschrieben wird. Das Projekt beschränkte sich auf Netzwerke mit maximal 65 Nodes, wobei die Instabilität deutlich zunahm, je mehr Knoten im Spiel waren und je mehr Transaktionen. Schwierig darzustellenBei 250 Transaktionen pro Sekunde waren die Verzögerungen bereits beträchtlich, heißt es. “Dies wirft ein Licht darauf, was DLT im globalen Zahlungsverkehr vielleicht einmal leisten kann: Eine vollkommen dezentrale Lösung dürfte aus heutiger Sicht schwierig darzustellen sein, aber der Fortschritt in der Softwareentwicklung wird das zeigen müssen”, sagt Bullmann.So wäre im Fall von Target2 die Anbindung aller beteiligten Zentralbanken wohl machbar. Würden aber auch noch alle Geschäftsbanken angeschlossen – Target2 hat rund 1 000 direkte Teilnehmer – wäre das derzeit nicht praktikabel.Als “ermutigend” bezeichnet es die EZB, dass etwa auch die Verarbeitungslogik von liquiditätssparenden Standard-Mechanismen, also die Verrechnung von Zahlungen in Warteschlangen, mit der getesteten Version der Hyperledger Fabric umgesetzt werden konnte. Diese liquiditätssparenden Mechanismen werden mittels intelligenter voreingestellter Software-Routinen, so genannten Smart Contracts, umgesetzt. “Der Performance-Unterschied zwischen einem einfachen Smart Contract und einem Smart Contract mit liquiditätssparenden Elementen war praktisch nicht messbar”, sagt Bullmann. Auch andere am TestenDie EZB stellt ihre gewonnenen Erkenntnisse auch anderen Notenbanken im Eurosystem zur Verfügung. Die nächsten Schritte würden sich “im Spannungsfeld des magischen Liquiditätsdreiecks” bewegen, sagt Bullmann, also in den Bereichen Bargeld, Wertpapiere und hinterlegbare Sicherheiten (Collateral). “Wir diskutieren gerade mit den japanischen Kollegen, was wir als Nächstes in Angriff nehmen”, erklärt der EZB-Manager.Die EZB ist nicht die einzige Zentralbank im Euroraum, die an einem DLT-Projekt arbeitet. Die Bundesbank forscht gemeinsam mit der Deutschen Börse an einem Projekt für die Wertpapierabwicklung, und die Banque de France setzt ein Blockchain-Projekt in den Live-Betrieb: Madre, das im Bereich Sepa-Identifier eine dezentrale Datenbank anbietet. Auch die niederländische Notenbank (DNB) arbeitet an einem Blockchain-Projekt, etwa im Bereich Digitalwährung (DNBCoin). Die DNB sieht für die Distributed-Ledger-Technologie “großes Potenzial” und analysiert Anwendungen im nationalen und internationalen Zusammenhang, wie die Notenbank im September erklärte.