EZB will Meldewesen entschlacken
bn Frankfurt – Europas Bankenaufsicht macht Ernst mit Bemühungen um eine Reduktion entbehrlichen Meldeaufwands. Wie Elizabeth McCaul, Mitglied im Aufsichtsgremium der EZB, auf einer Konferenz am Freitag erklärte, haben die Aufseher in ihrer digitalen Agenda ein Projekt namens „Agora“ gestartet, um aufsichtliche Daten den europäischen und den nationalen Bankenaufsehern gleichermaßen zugänglich zu machen. Dies soll parallele Abfragen identischer Daten durch verschiedene Behörden verhindern.
Das Nebeneinander teils überlappender Datenabfragen und -anforderungen sorgt in der Branche seit Jahren für Unmut, ebenso der Umfang. Allein der belgische Finanzdienstleister KBC hat jährlich 6000 verschiedene Berichte aller Art an diverse Instanzen abzuliefern, wie am Freitag auf der von der EU-Bankenabwicklungsbehörde SRB und der EZB veranstalteten Tagung zu erfahren war.
Es sei nur fair, wenn Banken auf ein besser organisiertes Berichtswesen drängen, erklärte McCaul, die „Agora“ als „eine erhebliche interne Entwicklung“ bezeichnete: Die Verbindung der Daten „wird uns helfen, effizienter zu sein“, sagte sie.
Nach Angaben eines Sprechers ist der Startschuss für „Agora“ nach knapp einem Jahr der Planung im April gefallen. Die erste Phase soll bis Jahresende laufen, wobei der weitere Zeitplan vorerst unklar bleibt. Das Projekt werde mit internen Ressourcen und Unterstützung durch nationale Aufsichtsbehörden, Zentralbanken sowie externe Dienstleister bewältigt. Ziel sei ein einheitlicher Rohdatenspeicher (Data Lake) für „alle aufsichtlich relevanten Informationen bei der EZB und dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus“. Zu diesem Zweck verbessere „Agora“ „die interne Verknüpfung aufsichtlicher und nichtaufsichtlicher Datenpunkte aus verschiedenen Quellen und Datenbanken“.
Andrea Enria, Chair der europäischen Bankenaufsicht, hatte schon Ende 2020 im Interview der Börsen-Zeitung mit Blick aufs Meldewesen eingeräumt: „Ich glaube, dass wir unsere Strukturen, unsere Anforderungen vereinfachen müssen. Auf diesem Gebiet müssen wir noch besser werden.“ Erstmals erwähnt hatte „Agora“ im November vergangenen Jahres dann Pentti Hakkarainen, wie McCaul Mitglied im EZB-Aufsichtsgremium. Man wolle den Aufsehern im einheitlichen Aufsichtsmechanismus SSM einen „One-Stop Shop“ für aufsichtliche Datenanalysen bieten, sagte er in einer Rede über die digitale Agenda der EZB.
Auf breiter Front
Die Anstrengungen zur Modernisierung des Melde- und Berichtswesens finden auf breiter Front und nicht zuletzt vor dem Hintergrund rasant wachsender Datenmengen sowie Möglichkeiten zu deren Verarbeitung statt. So verfolgt die EZB schon seit einigen Jahren das Vorhaben eines integrierten Berichtswesens (Integrated Reporting Framework, IReF) gemäß der Idee, dass Banken den Behörden nicht mehr auf einzelne Anfragen hin Berichte liefern, sondern den Aufsehern Rohdaten bereitstellen, aus denen sich diese dann ihre Berichte selbst zusammenstellen. Zu diesem Zweck arbeitet die EZB seit mindestens fünfeinhalb Jahren auch an einem Banks’ Integrated Reporting Dictionary (BIRD), um zunächst einheitliche Anleitungen zur Interpretation von Meldeanforderungen festzulegen – die Debatten in der entsprechenden, auch mit Bankenvertretern aus Euroland bestückten Steuerungsgruppe gestalten sich dem Vernehmen nach allerdings nicht einfach. „Agora“ ergänze die Bemühungen von IReF und BIRD, die via IReF und BIRD veredelten Daten liefen in „Agora“ ein, heißt es bei der EZB zum Konzept.
Parallel zu IReF und BIRD hat sich auch die BaFin daran gemacht, die Lieferungen der Banken von Berichten auf Rohdaten umzustellen. „Wir wollen das Meldewesen grundlegend auf den Prüfstand stellen“, hatte Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht der BaFin, Ende 2019 der Börsen-Zeitung gesagt.
Inzwischen hat die Aufsicht dem Vernehmen nach Accenture als externen Berater hinzugezogen. Eine Machbarkeitsstudie sowie ein Pilotversuch mit fünf Banken sind zufriedenstellend verlaufen, wie aus Kreisen der beteiligten Banken zu hören ist. Die Einführung dieser Neuerung sei weniger mit Blick auf die IT ein Problem, sondern eher eine Frage der politischen Entscheidung. Eine BaFin-Sprecherin erklärte am Freitag, die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie lägen vor und würden „zeitnah“ veröffentlicht.
Anforderungen am Prüfstand
Die Initiativen zur Modernisierung des Meldewesens fallen in eine Zeit, in der Anforderungen der Aufsicht ohnehin auch mit Blick auf ihre Verhältnismäßigkeit auf dem Prüfstand stehen. So hat sich Bundesbank-Vorstandsmitglied Joachim Wuermeling dieser Tage für mehr Proportionalität in Aufsicht und Regulierung starkgemacht. „Wir müssen unsere Ressourcen dort einsetzen, wo die Risiken sind“, sagte er. Dies bedeute auch, den Mut zu haben, Institute, „bei denen keine Probleme zu erwarten sind, weniger detailliert und weniger eng zu beaufsichtigen“. Elena Carletti, Finanzprofessorin an der Mailänder Bocconi-Universität, stieß am Freitag ins gleiche Horn. Man müsse wegkommen vom formalistischen Prinzip, Datenfelder anzukreuzen, und stattdessen mehr Gewicht auf vorausschauende Szenario-Analysen legen.