EZB warnt vor geopolitischen Risiken
fir Frankfurt
Die EZB-Bankenaufsicht setzt im Gefolge des Ukraine-Krieges einen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf Krisenresilienz. Zwar habe sich der Bankensektor im Euroraum bislang als widerstandsfähig erwiesen und hielten sich die direkten Auswirkungen des Krieges in der Ukraine für die meisten Institute in Grenzen, heißt es in den am Montag veröffentlichten Aufsichtsprioritäten für 2023 bis 2025, doch hätten die finanziellen wie nichtfinanziellen Risiken zugenommen.
Akute Cyberbedrohung
Eine mögliche Verschärfung der geopolitischen Spannungen könnte Zinsrisiken und Cyberbedrohungen weiter erhöhen, heißt es. Die Lage der Wirtschaft und der Finanzmärkte bleibt den EZB-Aufsehern zufolge unsicher und lasse mehr Raum für Überraschungen nach unten als nach oben. „Vor diesem Hintergrund besteht das vorrangige Ziel der EZB-Bankenaufsicht in den kommenden Monaten darin, sicherzustellen, dass die ihrer direkten Aufsicht unterstehenden Banken ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber unmittelbaren makrofinanziellen und geopolitischen Schocks stärken.“ Deshalb sollen sich die Institute intensiver mit ihrem Kreditrisikomanagement auseinandersetzen, insbesondere mit Exposures in energieintensiven Branchen. Die EZB wacht aktuell unmittelbar über 110 Banken in Europa.
Die wichtigsten Indikatoren zeigen in der Beobachtung der Aufseher bisher keine Auffälligkeiten. Die durchschnittliche harte Kernkapitalquote (CET1) ist leicht auf rund 15% gesunken, liegt aber nach wie vor deutlich über den regulatorischen Mindestanforderungen. Das geht aus einem am Montag parallel erschienenen Blogartikel hervor, den EZB-Aufseherin Kerstin af Jochnick und Mario Quagliariello, Director of Supervisory Strategy and Risk, verfasst haben.
Die Rentabilität hat sich demnach dank Zinswende, hoher Kreditvergabe, Auflösung von Risikovorsorge und wirtschaftlicher Aufhellung nach den Beschränkungen im Zuge der Pandemie in der ersten Jahreshälfte weiter verbessert, decke aber noch nicht die Eigenkapitalkosten. Die Eigenkapitalrendite (RoE) erreichte im Juni 7,6% und damit den höchsten Wert seit bald zehn Jahren. Zugleich sank die NPL-Quote, also der Anteil fauler Kredite an den Gesamtkrediten, auf 1,8%. Dieser Trend habe sich vorläufigen Daten zufolge auch im dritten Quartal fortgesetzt, heißt es. Auch in Sachen Liquidität stünden die Banken gut da, befinden die Aufseher.
Zugleich warnen sie, dass steigende Zinssätze und Wachstumsflaute die Fähigkeit von Unternehmen und Privatleuten unterminieren, ihre Kredite zurückzuzahlen. Den Banken schreiben die Aufseher daher ins Pflichtenheft, ihre Bemühungen zu verstärken, den bereits in der Corona-Pandemie eingeleiteten aufsichtlichen Maßnahmen zur Behebung struktureller Mängel im Kreditrisikomanagement der Banken Genüge zu leisten. Den Instituten hält die EZB zwar zugute, dahingehend in den vergangenen Jahren Fortschritte erzielt zu haben, doch wiesen die Risikokontrollen weiterhin Defizite auf. „Während die meisten der geplanten Aktivitäten eine Fortsetzung des vorrangigen Arbeitsprogramms des vergangenen Jahres sind, wird der Schwerpunkt angepasst, um auch die Sektoren abzudecken, die am stärksten von den Folgen des Krieges in der Ukraine (z. B. energieintensive Sektoren) und vom makroökonomischen Umfeld betroffen sind“, heißt es in den Aufsichtsprioritäten.
Refinanzierung diversifizieren
Banken mit hoher Konzentration von Refinanzierungsquellen mahnt die Aufsicht, diese angesichts verschärfter Fundingbedingungen zu diversifizieren (s. Grafik). Trotz weitgehend komfortabler Liquiditätskennzahlen der Branche sollten sich einige der Institute darum bemühen, die die gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO III) der EZB aus der Coronakrise stark genutzt haben. Mit ihnen konnten sich Banken zu besonders günstigen Konditionen refinanzieren. Sie müssen im Zuge der Zinswende zurückgefahren werden. Durch vorzeitige Rückzahlungen der Banken werde das TLTRO-III-Volumen von 2,11 Bill. Euro bis Jahresende auf 1,32 Bill. Euro sinken, gab die EZB am Freitag bekannt (vgl. BZ vom 9. Dezember). Mit den Rückzahlungen sind die Banken gezwungen, einen Teil ihrer Zentralbankfinanzierung durch teurere Refinanzierungen zu ersetzen, was laut EZB aufsichtsrechtliche Kennzahlen und Rentabilität unter Druck setzen könne. Des Weiteren behalten die Aufseher wie in den vergangenen Jahren Klima-, Governance- und Digitalisierungsrisiken unter verstärkter Beobachtung.