LEITARTIKEL

Facebook hat den Libra-Blues

Hinterher ist man immer schlauer. Das dürfte auch Facebook heute so sehen mit Bezug auf die Ankündigung der Kryptowährung Libra als digitale Weltwährung, hat dieser gigantische Anspruch doch prompt zu Abwehrreaktionen bei Notenbankern und...

Facebook hat den Libra-Blues

Hinterher ist man immer schlauer. Das dürfte auch Facebook heute so sehen mit Bezug auf die Ankündigung der Kryptowährung Libra als digitale Weltwährung, hat dieser gigantische Anspruch doch prompt zu Abwehrreaktionen bei Notenbankern und Finanzministern weltweit gesorgt. Die wollen sich ihr Währungsmonopol nicht aus der Hand reißen lassen und nehmen Libra kritisch unter die Lupe – mitunter ist die Tonlage aber ein wenig überdreht und sachlich nicht ausreichend begründet. Wie kann man Libra mit dem Verbot drohen, wenn das Konzept noch gar nicht durchleuchtet ist und die jüngst formal gegründete Betreiberorganisation doch eine Berücksichtigung aller regulatorischen Bedenken zugesagt hat, bevor Libra den operativen Betrieb aufnimmt? Und von welchem Geist sind US-Senatoren beseelt, wenn sie unverhohlen Druck auf potenzielle Libra-Mitglieder aus der Finanzindustrie ausüben, Facebook den Rücken zu kehren?Diese Bedrohung der Freiheit des wirtschaftlichen Handelns darf nicht zum Muster werden für den künftigen Umgang mit technologischen Innovationen und ihrer Einführung in die Realwirtschaft. Facebook lässt sich glücklicherweise nicht beeindrucken von der Drohkulisse und fährt fort mit dem Aufbau der Libra Association, die in Genf zu Hause ist und damit der Aufsicht durch die Finma untersteht. Die hat in einer ersten sachlichen Einschätzung wissen lassen, dass bei Libra als Stablecoin Berührungspunkte zu den Finanzmarktgesetzen insbesondere bei Geldwäschebekämpfung, Wertpapierhandel, Bankenregulierung sowie zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz bestünden.Zum besseren Verständnis: Die Primärfunktion von Libra ist die Eigenschaft als Zahlungsmittel (Payment Token), aus dem Aufbau eines Fonds zum Management der Währungsreserven ergeben sich Folgefunktionen, die von der Finma mit ihrer “indikativen Einordnung” als “Nebendienstleistungen” bezeichnet und mit allen Anforderungen für Kredit-, Markt- und operationelle Risiken konfrontiert würden. Mit anderen Worten: Libra würde wie eine Bank reguliert und wegen des Managements der Währungsreserve so eine Art Hybridfunktion zwischen Geldmarktfonds und algorithmischer Notenbank erfüllen.Das wäre dann eine neue Welt an der Schnittstelle von Geschäftsbank und Zentralbank mit systemischer Relevanz – was aber noch nicht sicher ist, da kein Mensch weiß, ob die Nutzer Libra wirklich massenhaft nutzen werden. Die Finma sagt, die Reichweite des Projektes mache ein international koordiniertes Vorgehen bei Libra unverzichtbar, insbesondere für die Definition der Anforderungen an die Verwaltung der Währungsreserve. Böse Zungen behaupten, die USA würden sich so aufspielen in Sachen Libra, da sie die Zuständigkeit an sich ziehen wollten für ein solch globales Projekt. Das darf nicht passieren, findet in den USA unter Präsident Trump doch ein Zurückdrehen der Bankenregulierung statt, was katastrophale Folgen für die Finanzstabilität haben kann und dem dortigen Finanzsektor heute kompetitive Vorteile im globalen Wettbewerb beschert. Das Libra-Projekt ist in der Schweiz gut aufgehoben, steht die Finma doch entgegen mancher Meinung keinesfalls für “Regulierung light”. Die Schweizer sind ausreichend sensibilisiert für das, was ihren Finanzplatz gefährden könnte.Vielmehr beweist der Schweizer Finanzplatz ein gutes Gespür für den Aufbau digitaler Geschäftsmodelle. So hat die Nationalbank kürzlich bekannt gegeben, dass sie den Einsatz von digitalem Zentralbankgeld auf der Blockchain-Börse Swiss Digital Exchange (SDX) testet. Dabei geht es um das finale Settlement von digitalen Vermögenswerten, was dann (alternativ zum klassischen Zugang über Swiss Interbank Clearing) über einen tokenisierten E-Franken erfolgen kann. Dieser Token würde die SDX-Plattform nicht verlassen, man würde aber den Zentralverwahrer einsparen, da mit “echtem Geld” (Cash-on-Ledger) direkt auf der Blockchain gesettelt würde, was Gegenparteirisiken und Liquiditätserfordernisse reduziert – also alles Dinge im Sinne der Finanzstabilität.Diese steht sowieso vor neuen Herausforderungen, wenn China demnächst mit eigenem digitalen Zentralbankgeld kommt, das über Alipay und Tencent in den internationalen Geldkreislauf geschleust würde. Dafür muss sich die EZB als Hüterin des Euro rüsten und den Token auf die Blockchain bringen: Entweder als natives digitales Zentralbankgeld oder als tokenisiertes Giralgeld, wie es die Bundesbank angeregt hat. Beides ist machbar. ——Von Björn GodenrathAuflagen ja, Verbote nein. Das Libra-Projekt ist regulatorisch in der Schweiz gut aufgehoben. Die Finma stellt eine internationale Koordination sicher. ——