"Factoring zählt nicht zum Schattenbankwesen"
Die deutsche Factoringbranche zeigt sich trotz anhaltender Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise immer noch überwiegend optimistisch und rechnet auch für das laufende Jahr erneut mit Wachstum – wenn auch etwas verhaltener. Die eigentlichen Herausforderungen sieht der Deutsche Factoring-Verband zurzeit denn auch eher bei den neuen rechtlichen und regulatorischen Anforderungen.- Herr Secker, was stellt aktuell die größte Herausforderung für die Factoringbranche dar?Es gibt eigentlich immer mehrere Herausforderungen, die parallel bestehen. Meistens handelt es sich dabei um rechtliche Themen. In den letzten Jahren waren unter anderem steuerrechtliche, insolvenzrechtliche und vor allem aufsichtsrechtliche Themen besonders relevant für die Factoringbranche.- Seit Ende 2008 fallen auch Factoringunternehmen unter die Finanzaufsicht. Was hat sich seitdem für die Branche verändert?Seitdem hat sich viel im Aufsichtsrecht getan, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene: Basel III beziehungsweise CRD IV, die Überarbeitung internationaler und europäischer Regelungen zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, die Änderung der deutschen Normen zum Risikomanagement und zum aufsichtsrechtlichen Meldewesen – all dies sind Veränderungen, die die Factoringbranche zum Teil direkt, zum Teil indirekt betreffen und durch die immer wieder deutlich wird, dass die Besonderheiten des Factoring entweder gar nicht oder oft nur unzureichend berücksichtigt werden. Aber es sind auch indirekte Auswirkungen auf die deutsche Factoringbranche zu erwarten, zum Beispiel in Form der Verteuerung der Refinanzierung für Factoringinstitute.- Haben Sie Beispiele für die mangelnde Berücksichtung des Factoring bei den regulatorischen Veränderungen?Zum Beispiel richten sich die neuen Anforderungen an Eigenkapital und Liquidität aus Basel III beziehungsweise CRD IV an Kreditinstitute und sind auch vor allem für die klassischen Banken konzipiert worden. Diesen Status haben bisher indes nur 30 % der Verbandsmitglieder.- Im Vorfeld hatte die Branche durch die Aufsichtspflicht auch erheblichen organisatorischen Aufwand erwartet.Häufig gehen die aufsichtsrechtlichen Änderungen für Factoringinstitute vor allem mit einem erheblichen administrativen Mehraufwand einher, ohne dass dem ein erkennbarer Mehrwert gegenüberstünde. Derzeit ist etwa aufgrund der geplanten Überarbeitung des Millionenkreditmeldewesens mit einem deutlichen administrativen Mehraufwand zu rechnen, da die Grenze für die an die Bundesbank zu erstattende Millionenkreditmeldungen künftig von 1,5 Mill. auf 1 Mill. Euro herabgesetzt und die Meldefrequenz zudem von quartalsweise auf monatlich angehoben werden soll. Auch die bereits vorliegenden Änderungen der Mindestanforderungen an das Risikomanagement sowie die geplante Anpassung der EU-Geldwäscherichtlinie an die neuen Empfehlungen der Financial Action Task Force (FATF) werden mit entsprechendem Mehraufwand für Factoringinstitute verbunden sein.- Befürchten Sie, dass Factoringunternehmen in der Debatte um die Regulierung der Schattenbanken von weiteren Restriktionen erfasst werden?Im Rahmen von Bemühungen um eine Verstärkung der Regulierung der Finanzwirtschaft, gerade in Bereichen der Finanzbranche, die nicht der klassischen Kreditwirtschaft zugeordnet werden, zeigt sich immer wieder, dass das Factoring gar nicht beziehungsweise factoringspezifische Besonderheiten nicht hinreichend vom Gesetzgeber berücksichtigt werden. So hat die EU-Kommission vor wenigen Monaten ein Grünbuch zum Thema Schattenbankwesen veröffentlicht, das eine sehr weitgehende, aber gleichzeitig dehnbare Definition des Schattenbankwesens enthält. Hier ist noch eindeutig klarzustellen, dass Factoring weder zum Schattenbankwesen zu zählen ist, noch die Risiken einiger Bereiche des Schattenbankwesens auf das Factoring übertragbar sind.- Zur aktuellen Krise – machen sich die konjunkturelle Sorgen im Gefolge der Staatsschuldenkrise bereits bei Ihren Mitgliedsunternehmen bemerkbar?Die Mitgliedsunternehmen des Verbandes sind für das laufende Jahr – wenn auch gegenüber dem Vorjahr leicht abgeschwächt – optimistisch: Knapp 74 % der Mitglieder erwarten 2012 eine mindestens “gute” Entwicklung, weitere fast 22 % sehen eine mindestens “befriedigende” Geschäftsentwicklung, und nur rund 4 % gehen von einer lediglich “ausreichenden” Geschäftsentwicklung aus. Die Zahlen für das erste Halbjahr werden in Kürze veröffentlicht. Aber auch die grundsätzlichen Aussichten für Factoring dürften aus Sicht der führenden Anbieter auch für die Zukunft positiv sein: Basel III beziehungsweise die entsprechende europäische Umsetzung durch CRD IV mit der einhergehenden Pflicht zur erhöhten Eigenkapitalunterlegung von Krediten wird Auswirkungen auf die Konditionen für Bankkunden nach sich ziehen. (Neu-) Kunden werden daher auch weiterhin kurz- und mittelfristig über Ergänzungen ihrer bisherigen Finanzierungen aktiv nachdenken (müssen). Wie sich Factoring in 2012 und 2013 dabei im Detail entwickeln kann, wird allerdings in noch stärkerem Maße als bisher von den ökonomischen Außenfaktoren der Gesamtwirtschaft abhängen. Doch trotz aller Unwägbarkeiten verfügt 2012 über das Potenzial, wieder ein weiteres erfolgreiches Factoring-Jahr zu werden, selbst wenn vielleicht etwas verhaltenere Zuwächse am Ende in den Bilanzen zu finden sein sollten. 2010/11 hat die Branche deutliche Anstiege bei den Neukunden verzeichnet, auch für 2012 sieht es, leicht verhaltener, ganz gut aus.- In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Factoringunternehmen in Deutschland stetig zurückgegangen. Hält dieser Trend an?Auch für 2012 ist davon auszugehen, dass der Prozess der Marktkonsolidierung und Anbieterbereinigung anhalten wird. Diesen Trend dürften im laufenden Jahr die zunehmenden Anforderungen, bedingt durch die KWG-Aufsicht für Factoring, weiter verstärken. Letzteres wird indes weder für das Factoringvolumen noch für die Kundenseite materielle Auswirkungen haben, können doch Factoring-Lösungen ohne Schwierigkeiten von den führenden Anbietern substituiert werden, was sich auch 2011 bereits zeigte. Die Top 5 machen zwischenzeitlich annähernd 80 % des Marktvolumens aus. Aber auch der Trend, dass sich Institute mit Bankstatus vermehrt dem Factoring zuwenden, wird anhalten.—-Die Fragen stellte Christiane Lang.