Fairness, Fußball und Finanzen

Mehr Gemeinsamkeiten als auf den ersten Blick ersichtlich - Zertifikateemittenten setzen Branchenstandards - Produktklassifizierung in Form einer Derivate-Liga

Fairness, Fußball und Finanzen

Haben Fußballspiele und Finanzanlagen eigentlich etwas gemeinsam? Auf den ersten Blick nur wenig, aber wenn man genau hinschaut, gibt es doch einige Parallelen. Und manchmal kommt es je nach Spiel- oder Marktlage zum ganz großen Gefühlskino: für die Sieger ebenso wie für die Verlierer. Nach einer Niederlage gilt in jedem Fall: Fehler analysieren und diese zukünftig vermeiden.Der Anleger sollte immer wieder seine Anlagestrategie überprüfen und dabei die von ihm gewünschte Balance zwischen Risiko und Rendite finden. Genauso geht eine langfristig erfolgreiche Fußball-Mannschaft vor, die auf eine ausgewogene Mischung aus Angriff und Verteidigung setzt. Respekt vor dem anderenDie wohl wichtigste Gemeinsamkeit: Das Gebot des Fairplay sollte sowohl bei der Finanzanlage als auch beim Fußball eine zentrale Rolle spielen. Fairplay setzt nicht nur das Einhalten der Spielregeln voraus, es beschreibt vielmehr eine Haltung. Im Fußball geht es um den Respekt vor dem sportlichen Gegner und die Wahrung seiner körperlichen Unversehrtheit. Fair ist also der Sportler, der sich in sein Gegenüber hineinversetzt und entsprechend verhält.Auch im Finanzbereich ist Fairness zu Recht ein zentraler anerkannter Wert und sollte gerade für die Beziehung zwischen dem Anbieter und dem Käufer eines Finanzprodukts selbstverständlich sein. Gerade die eigenen Finanzen sind ein besonders sensibler Bereich, und wenn es um Geldanlage und Altersvorsorge geht, ist ein faires Miteinander einfach unverzichtbar. Doch was heißt das nun konkret für die deutsche Zertifikatebranche?Anlageberater und private Anleger können nur dann auf Augenhöhe miteinander sprechen, wenn der Informationsvorsprung des Experten nicht zu groß ist. Deshalb muss der Anleger die wesentlichen Merkmale und die Funktionsweise des jeweiligen Finanzprodukts verstehen. Der Fairnessgedanke im Finanzbereich steht und fällt also mit der Verständlichkeit und Transparenz der Produkte.Hieran orientiert sich der Deutsche Derivate Verband (DDV) mit Blick auf strukturierte Wertpapiere wie Anlagezertifikate und Hebelprodukte seit seiner Gründung. Schon im Jahr 2008 haben wir eine umfangreiche Transparenzinitiative gestartet.So haben die Zertifikateemittenten in den vergangenen Jahren wichtige Branchenstandards gesetzt: die Produktklassifizierung in Form der Derivate-Liga, die Festlegung der einheitlichen Fachbegriffe, die Muster-Produktinformationsblätter für alle Zertifikatetypen, aussagekräftige Risikokennzahlen für nahezu alle Zertifikate, die Zertifikate-Tests, um dem Anleger die Auswahl eines Zertifikats zu erleichtern, die Zertifikate-Indizes, mit denen sich die Branche dem Leistungsvergleich mit anderen Finanzprodukten stellt, und schließlich ein neues Branchenregelwerk, das ein Höchstmaß an Produkt- und Kostentransparenz festschreibt.Einer der ersten grundlegenden Standards für Transparenz, den der DDV geschaffen hat, ist die Produktklassifizierung in Form der Derivate-Liga. Für eine lebensnahe und verständliche Vermittlung der Klassifizierung stand dabei der Fußball Pate. So erklärt die Derivate-Liga die Zertifikatekategorien, indem sie in Abhängigkeit vom Marktrisiko die Grundtypen der Zertifikate mit den Spielpositionen einer Fußballmannschaft vergleicht. Je nach Chance-Risiko-Profil gibt es Defensiv- und Offensivpositionen. So lassen sich die entscheidenden Produktmerkmale, Vor- und Nachteile, Chancen und Risiken sowie Funktionsprinzip und Markterwartung einfach miteinander vergleichen. Europaweite SpielregelnDie Derivate-Liga ordnet das vormals unübersichtliche Produktuniversum der Anlagezertifikate und Hebelprodukte und macht es damit transparenter. Mittlerweile lässt sich jedes strukturierte Wertpapier einer der Produktkategorien zuordnen.Ob Abseits, Einwurf, Eck-, Frei- oder Strafstoß, das und vieles mehr ist im Fußball-Regelwerk beschrieben. Auch für die Zertifikatebranche gibt es neben den gesetzlichen Vorschriften noch eine Vielzahl von Regeln. Diese Leitlinien bilden den Kern eines Kodex, zu dem sich die Branche selbst verpflichtet hat. Dieses Regelwerk für strukturierte Wertpapiere soll einen verantwortungsvollen Umgang der Zertifikateemittenten mit dem Kapital und Vertrauen der Anleger sicherstellen.So haben sich die 17 Mitgliedsbanken des Deutschen Derivate Verbands verpflichtet, bestimmte Standards bei Emission, Strukturierung, Vertrieb und Marketing strukturierter Wertpapiere freiwillig einzuhalten. Auch auf europäischer Ebene gibt es solch einen Verhaltenskodex für die Zertifikatebranche, auf den sich die Mitgliedsverbände des europäischen Dachverbands EUSIPA geeinigt haben.Wie im Fußball das Regelwerk muss auch in der Zertifikatebranche der Kodex immer wieder überprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt werden. Die DDV-Mitglieder haben im vergangenen Jahr sehr intensiv über die Branchenpflichten diskutiert und in wesentlichen Teilen überarbeitet. Mitte Oktober 2013 wurde der neue Fairness Kodex schließlich einstimmig verabschiedet.Die Zertifikateemittenten nennen ihre erweiterte Selbstverpflichtung ganz bewusst Fairness Kodex. Damit unterstreichen sie ihr Hauptanliegen, nämlich den fairen Umgang mit den Kunden. Hierzu zählt besonders der Transparenzgedanke, und so spielt beim Fairness Kodex neben der Produkt- auch die Kostentransparenz eine zentrale Rolle.Seit Anfang des Monats weisen die DDV-Mitglieder in den Produktinformationsblättern der Anlageprodukte den sogenannten vom Emittenten geschätzten Wert (IEV, Issuer Estimated Value) als Prozentsatz oder in Euro aus. Der Differenzbetrag zwischen dem Ausgabepreis des Produkts gegebenenfalls zuzüglich eines Ausgabeaufschlags und dem vom Emittenten geschätzten Wert (IEV) beinhaltet die erwartete Emittentenmarge und gegebenenfalls eine Vertriebsprovision. Die erwartete Emittentenmarge deckt unter anderem die Kosten für Strukturierung, Market Making (fortlaufende Preisstellung im börslichen und außerbörslichen Handel) und Abwicklung des jeweiligen strukturierten Wertpapieres ab und beinhaltet auch den erwarteten Gewinn für den Emittenten. VorreiterrolleMit dem Ausweis des IEV schaffen die DDV-Mitglieder ein Höchstmaß an Kostentransparenz für die Anleger. Hier ist die deutsche Zertifikatebranche Vorreiter bei allen Wertpapierformen und Finanzprodukten in Deutschland und Europa. Zertifikate haben nun in puncto Kostentransparenz eindeutig die Nase vorn. Keine andere Branche zeigt sich gegenüber ihren Kunden so offen.Der Fairness Kodex enthält noch viele weitere Bestimmungen, die den Anlegern unmittelbar nutzen. Die DDV-Mitglieder verpflichten sich ausdrücklich zu einer fairen Gestaltung ihrer strukturierten Wertpapiere und machen das an ganz konkreten Punkten fest. So achten sie darauf, dass mit Blick auf das jeweilige Auszahlungsprofil des strukturierten Wertpapiers und die damit verbundene Markterwartung kein unausgewogenes Verhältnis zwischen Renditechance und Risiko besteht.Außerdem gilt: Der höchstmögliche Ertrag jedes strukturierten Wertpapiers muss zum Zeitpunkt der Festlegung der Produktkonditionen die Rendite einer Bundesanleihe mit vergleichbarer Laufzeit übersteigen. Alle Finanzprodukte, die diese Richtgröße nicht einhalten, verschwinden damit vom Markt. Das ist auch gut so, denn sie bieten den Anlegern keinen Nutzen und sind deshalb überflüssig.Zudem stellen die Zertifikateemittenten keine positiven Produktmerkmale in den Vordergrund, die nur unter unwahrscheinlichen Umständen eintreten, und verwenden bei der Bezeichnung der Produkte klare und unmissverständliche Begriffe. Damit sollen auch mögliche Fehlanreize für die Investmententscheidung eines Anlegers vermieden werden. Eigentore verhindernAuf eine weitere Gemeinsamkeit von Fußball und der Kapitalanlage sei zum Schluss noch hingewiesen. Ob es nun um Leitlinien für den Fußball oder für die Finanzanlage geht: Auch das allerbeste Regelwerk kann nur den Rahmen für einen fairen Spielverlauf vorgeben, aber nicht das Ergebnis bestimmen.Auf den Anlegerschutz übertragen: Anleger müssen vor Risiken geschützt werden, die sie nicht erkennen können und somit beim Kauf eines Finanzprodukts nicht freiwillig übernehmen. Unstrittig ist auch: Anlegern, die aus welchen Gründen auch immer uninformiert sind, dürfen keine Finanzprodukte verkauft werden, die nicht ihrer Renditeerwartung und Risikoneigung entsprechen.Ist aber beides erfüllt, dann darf es keine Bevormundung der Anleger geben, die bereit sind, für höhere Renditechancen auch größere Risiken einzugehen. Wer dann als Anleger ein Eigentor schießt, muss sich selbst kritisch hinterfragen, ob er sich entsprechend informiert und alle Regeln verstanden oder einfach nur die Marktentwicklung falsch eingeschätzt hat. Aber nach jedem Spiel ist ja bekanntermaßen vor dem Spiel. Und so kann der Anleger seine Erfahrungen für die nächste Anlage nutzen und die Chancen auf eine gute Rendite erhöhen.—Von Hartmut Knüppel, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV)