Fall Wirecard alarmiert Bundestag

Scholz und Altmaier sollen in einer Sondersitzung des Finanzausschusses Rede und Antwort stehen

Fall Wirecard alarmiert Bundestag

In einer Sondersitzung nimmt der Finanzausschuss des Bundestags in der Parlamentspause die Rolle der Aufsicht und der Bundesregierung im Fall des insolventen Zahlungsabwicklers Wirecard unter die Lupe. Derweil soll sich der per Haftbefehl gesuchte Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek in Weißrussland aufhalten.wf/sck Berlin/München – Der Finanzausschuss des Bundestags hat für den 29. Juli Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zu einer Sondersitzung der Parlamentarier geladen. Die Sitzung, die für den Nachmittag anberaumt ist, wird sich ausschließlich mit dem Finanzskandal um Wirecard befassen. Dies beschlossen nach Information aus Parlamentskreisen die Obleute des Ausschusses. Darüber hinaus sind Vertreter der Finanzaufsicht BaFin, der beim Zoll angesiedelten Anti-Geldwäsche-Untersuchungsstelle FIU (Financial Intelligence Unit) und der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) geladen. Wer konkret für diese Institutionen erscheinen wird, stand gestern wegen der Urlaubszeit noch nicht abschließend fest. Formal fehlt auch noch die Zustimmung von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der eine Sondersitzung in den Parlamentsferien genehmigen muss.Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte in Berlin, Scholz habe bereits signalisiert, dass er bereit sei, in den Ausschuss zu kommen. Die Opposition wirft dem Minister vor, nicht ausreichend für Aufklärung in dem Fall gesorgt und sich bislang nicht persönlich den Fragen der Abgeordneten gestellt zu haben. Zuletzt hatte Finanzstaatssekretär Jörg Kukies vergangene Woche im Finanzausschuss über den Stand der Aufklärung im Fall Wirecard berichtet. Scholz ist unter Druck, da ihm die Rechts- und Fachaufsicht über die Aufsichtsbehörde BaFin obliegt.”Mit der Sondersitzung des Finanzausschusses hat Bundesfinanzminister Scholz eine letzte Gelegenheit, endlich alle Fakten auf den Tisch zu legen”, erklärte der finanzpolitische Sprecher der FDP, Florian Toncar. Millionen geschädigter Anleger hätten ein Anrecht darauf, dass Regierung und Parlament jetzt jeden Stein umdrehten.Für Aufregung hatte die Nachricht gesorgt, dass Scholz seit Februar 2019 über den Manipulationsverdacht der BaFin bei Wirecard gewusst hatte. Der Sachstandsbericht für den Bundestags-Finanzausschuss aus der vergangenen Woche weist aus, dass die BaFin das Ministerium am 14. Februar 2019 informiert, “dass sie Prüfung des verkürzten Abschlusses der Wirecard zum 30. Juni 2018 einschließlich des Lageberichts von der DPR verlangen wird und wegen mutmaßlicher Marktmanipulation in alle Richtungen, d. h. auch gegen die Wirecard AG, untersucht”.Offen blieb am Montag, ob Altmaier selbst im Ausschuss erscheinen wird. Die Einladung an den Wirtschaftsminister kam allerdings vergleichsweise kurzfristig zustande. Altmaier ist für die Abschlussprüferaufsichtsstelle APAS zuständig. Die Stelle prüft indessen keine Bilanzen, sondern übt die berufsstandsunabhängige Aufsicht über die Abschlussprüfer in Deutschland aus. Auf der Suche nach Verantwortlichen baut sich auch Druck gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf. Vertreter von Wirecard begleiteten die Kanzlerin im Herbst 2019 in einer Wirtschaftsdelegation bei einer Reise nach China. Der inzwischen insolvente Dax-Wert drängte dort auf den Markt. Merkel thematisierte das nach Angaben der Vize-Regierungssprecherin bei der Reise. “Sie hat es angesprochen”, sagte sie. Merkel habe aber zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von Unregelmäßigkeiten bei Wirecard gehabt. Ex-Manager weiter flüchtigNeben dem politischen Schlagabtausch, für den der Bilanzskandal in Berlin sorgt, entwickelt sich die Causa immer mehr zu einem Kriminalfall mit internationaler Dimension, in dem möglicherweise auch Geheimdienste verwickelt sein könnten. Wie verschiedene Medien zuletzt berichteten, soll der per Haftbefehl gesuchte Ex-Vorstand des Unternehmens, der Österreicher Jan Marsalek, derzeit in Weißrussland untergetaucht sein. Ihm werden Kontakte zum russischen Geheimdienst nachgesagt bzw. er soll sich damit selbst gebrüstet haben. Neben Ex-CEO Markus Braun und drei weiteren Managern wird er von den Strafermittlern als Hauptbeschuldigter geführt.