Faule Kredite belasten Indiens Banken
Von Ernst Herb, HongkongIndiens rasantes Wirtschaftswachstum droht von der wachsenden Last fauler Kredite gebremst zu werden. Mittlerweile beträgt der Anteil notleidender Darlehen an den landesweit ausgereichten Krediten 7,6 %, wie die Reserve Bank of India (RBI), die Notenbank des Landes, berichtet. Die toxischen Verbindlichkeiten haben sich dabei – auch als Folge der von der Notenbank geforderten strengeren Bilanzierungsvorschriften – innerhalb eines Jahres verdoppelt. Sie werden gemäß neuesten Schätzungen der Behörde bis März 2017 auf 8,5 % steigen.Allerdings scheint von diesem Problem zunächst kein Systemrisiko auszugehen. Das formale Bankensystem in Indien spielt im Vergleich zu anderen Schwellenländern wie China, Brasilien oder der Türkei eine untergeordnete Rolle. Die Gesamtschulden des Privatsektors belaufen sich auf lediglich 30 % des Bruttoinlandproduktes. Auch ächzen mit wenigen Ausnahmen vor allem staatliche Geldhäuser unter der Last von faulen Krediten, so etwa das größte Finanzhaus des Landes, die State Bank of India (SBI).Hier beläuft sich der Anteil auf 6,5 %. Weit dramatischer sieht die Lage bei der Bank of India aus, wo sich die Rate sogar 13 % erreicht. Die privat kontrollierten Banken hingegen stehen meist besser da. Hier liegt die Quote der faulen Kredite bei weniger als 3 %. Im Falle der HDFC, die als vorbildlich geführte Bank gilt, sind es lediglich 0,9 %.Ein Beispiel eines in Nöte geratenen Bankkunden ist der Baukonzern Hindustan Construction (HCC), der bei einem im Vorjahr erzielten Umsatz von 80 Mrd. Rupien (1,1 Mrd. Euro) Schulden von 170 Mrd. Rupien aufweist. Jetzt hat die Firma, das den Schweizer Generalunternehmer Steiner kontrolliert, unter dem Druck der Notenbank begonnen, ihre Finanzen ins Lot zu bringen.Auf der Strecke geblieben ist im Zuge der vorangetriebenen Schuldenrestrukturierung auch die für 300 000 Einwohner konzipierte Planstadt Lavasa, die im Südwesten Indiens im Teilstaat Mahrarasthra liegt. Die Baustelle ist mit Hunderten halbfertigen Gebäuden übersät. Ähnliche verlassene Großbauten sind auch anderswo zu finden. Last der BoomjahreDas Problem geht auf die Jahre 2004 bis 2011 zurück, als die staatlichen Banken auf Anweisung der Regierung ihre Geldhähne weit öffneten und der drittgrößten asiatischen Volkswirtschaft damit ein jährliches Wachstum von mehr als 8 % bescherten. Das ist auch der Grund dafür, dass landesweit 90 % aller faulen Kredite in den Bilanzen der Staatsbanken stehen. Damit ist es wahrscheinlich, dass sie wie in der Vergangenheit mit öffentlichen Hilfen am Leben gehalten werden.Dennoch werden die staatlichen Institute nach Einschätzung des japanischen Finanzhauses Nomura infolge ihrer Probleme in den kommenden Jahren Anteile an den gesünderen Privatsektor verlieren, der es gegenwärtig lediglich auf einen Marktanteil von 30 % bringt. Der gesamte Bankensektor dürfte in den kommenden Jahren eine starke Wachstumsphase erleben. Das ist auch ein Grund dafür, dass die Analysten der Nomura trotz der Schuldenproblematik sieben von acht indischen Bankentiteln zum Kauf empfehlen, so etwa die Papiere der überwiegend in staatlicher Hand liegenden State Bank of India oder der HDFC.