Stefan Kuhn

Fidelity zündet „neue Ausbaustufe“

Fidelity International will dem seit 2017 betriebenen aktiven ETF-Geschäft einen Schub verleihen. In der zweiten Jahreshälfte seien neue Produkte und weitere Kooperationen geplant, sagt ETF-Vertriebschef Stefan Kuhn.

Fidelity zündet „neue Ausbaustufe“

Von Christiane Lang, Frankfurt

Der Assetmanager Fidelity International, der neben dem angestammten aktiven Fondsgeschäft seit 2017 auch aktive ETFs in Europa anbietet, will diesen Ge­schäftsbereich deutlich ausbauen. „Wir wollen eine neue Ausbaustufe zünden und haben dafür unser Vertriebsteam aufgestockt. Wir wollen die interne und externe Kommunikation verstärken und planen Partnerschaften mit Kunden, wie wir sie auch im aktiven Fondsgeschäft haben“, sagt Stefan Kuhn, der seit 1. April Head of ETF Distribution Europe bei Fidelity International ist und sich diese Expansion auf die Fahnen geschrieben hat.

„Unsere Vision ist es, Fidelity als Teilnehmer in der ETF-Welt zu etablieren. Die Kunden sollen, wenn sie den Namen Fidelity hören, nicht ‚nur’ an das aktive Fondsmanagement denken, sondern auch an den ETF-Mantel, in dem in unserem Fall keine passiven, sondern aktive Strategien stecken.“

Für die zweite Jahreshälfte kündigte Kuhn Details zu den neuen Partnerschaften an. Bisher bestehen ETF-Partnerschaften mit Comdirect und ING-DiBa. Außerdem sollen bis zum Jahresende fünf bis zehn neue aktive ETFs aufgelegt werden. Derzeit bietet Fidelity zehn Aktien-, zwei Renten-ETFs und seit Februar auch einen Bitcoin-ETP (Exchange Traded Product) an. Um das Portfolio auszubalancieren, sind weitere Renten-ETFs geplant. Insgesamt stehen bei den neuen Produkten Themen-ETFs im Fokus, die Titel aus einer be­stimmten Branche oder einen langfristigen Trend abbilden.

Aktuell verwaltet Fidelity International knapp 4 Mrd. Dollar in ETFs – zum Vergleich: Im aktiven Fondsgeschäft beträgt das verwaltete Volumen per Ende Mai 716 Mrd. Dollar. In den vergangenen Jahren habe man im ETF-Geschäft stetige Zu­wächse verzeichnet, erklärt Kuhn. Drei der ETFs seien inzwischen über 500 Mill. Dollar schwer. Ein Volumensziel für das aktive ETF-Geschäft nennt er nicht: „Unser Ziel ist signifikantes Wachstum von der jetzigen Ausgangsbasis aus.“

Netto-null-Zuflüsse

In der aktuell schwierigen Marktsituation heben sich nach Kuhns Worten im bisherigen Jahresverlauf Zu- und Abflüsse auf: „Bei Aktien-ETFs haben wir ein wenig Abflüsse gesehen, bei unseren beiden Renten-ETFs ein wenig Zuflüsse.“ Die vergleichsweise stärkere Nachfrage nach Renten-ETFs gehe zum einen auf die steigenden Zinsen zurück, die nun in vielen Ländern wieder zu positiven Renditen führen. Zum anderen würden Investoren ihre Mittel aufgrund der hohen Volatilität von Aktien- in Renten-ETFs umschichten, und zudem gebe es die Erwartung, dass die negative Korrelation zwischen Renten und Aktien zurückkehrt. Aber, so der Manager, es gebe auch Investoren, die inzwischen wieder in den Aktienmarkt einsteigen.

Das Thema Nachhaltigkeit wird von den Anlegern sehr stark nachgefragt und Kuhn zufolge inzwischen bei allen Aktivitäten von Fidelity International berücksichtigt. „Dennoch ist es schwierig zu sagen, dass wir nur noch streng nachhaltige Produkte auflegen werden, weil der Begriff nachhaltig allgemein noch zu unscharf definiert ist“, betont er.

Grundsätzlich unterliegen alle Fidelity-ETFs nachhaltigen Ausschlusskriterien. Auf der Aktienseite setzen aktuell sechs ETFs zusätzlich explizit Nachhaltigkeit als Alpha um. „In diesen sogenannten Sustainability-Research-Enhanced-ETFs, kurz SRE, werden die Titel anhand unserer hauseigenen ESG-Scores über- und untergewichtet“, erläutert Kuhn.

Diese SRE-ETFs sind nach Artikel 8 der Offenlegungsverordnung klassifiziert, sind also Fonds, die im Investmentprozess ESG-Kriterien integrieren. „Artikel 9-Fonds, also solche, die ausdrücklich ein nachhaltiges Anlageziel verfolgen, haben wir generell noch nicht. Wir denken aber darüber nach. Jedoch müssen Artikel-9-Fonds in unserem Haus eine hohe Hürde nehmen“, betont Kuhn. Denn die geltenden Vorschriften ließen noch zu viel Interpretationsspielraum, und Fidelity agiere hier vorsichtig.

Vom 2. August an müssen Anlageberater Kunden obligatorisch nach deren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen und entsprechende nachhaltige Produkte anbieten. Artikel-8-Fonds gelten aber nicht automatisch als nachhaltig im Sinne der Anlageberatung und müssen über die Offenlegungsverordnung hinaus weitere nachhaltige Merkmale erfüllen. Alle SRE-ETFs von Fidelity sind nach den Worten Kuhns bereits an die neuen Anforderungen angepasst worden und gelten ab August auch in der Anlageberatung als nachhaltig.

Die größten ETF-Märkte in Europa sind laut Kuhn Großbritannien und Deutschland gefolgt von Frankreich, Italien, der Schweiz und Spanien. Je größer das Interesse an ETFs generell in den Ländern sei, umso weiter sei auch der Markt der aktiven ETFs. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten in den Ländern hätten teils mit dem Sparverhalten der Kunden, teils mit steuerlichen Aspekten zu tun. „Ich rechne damit, dass aktive ETFs verglichen mit passiven Indexprodukten überproportional wachsen werden, weil hier neue Nutzergruppen angesprochen werden, die das Research im aktiven ETF nutzen wollen“, sagt Kuhn.

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