Finanzbildungsstrategie muss jetzt kommen
Gastbeitrag
Finanzbildung: Jetzt oder nie!
Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes
Zugegeben, auf den ersten Blick sieht es gar nicht schlecht aus, was die Politik in den vergangenen Wochen in puncto Finanzbildung auf den Weg gebracht hat – endlich auf den Weg gebracht hat, muss man hinzufügen. Wer schon seit Jahr und Tag auf die Bedeutung der finanziellen Allgemeinbildung hinweist und sich für ihre stärkere Verbreitung einsetzt, darf sich jetzt bestätigt fühlen.
Doch sind wir – Stand heute – wirklich einen entscheidenden Schritt weiter? Wird es in absehbarer Zeit tatsächlich gelingen, das stiefmütterliche Dasein der Finanzbildung zu beenden und ihr einen prominenteren Platz in den Schulen, aber auch in der Gesellschaft zu verschaffen?
Meilenstein auf dem Weg
Zweifel sind erlaubt, doch zunächst zur Einordnung: Schon Anfang 2023 hatten Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Eckpunkte für die „Initiative Finanzielle Bildung“ präsentiert und dabei in Aussicht gestellt, eine nationale Finanzbildungsstrategie gemeinsam mit der OECD zu erarbeiten sowie eine zentrale Finanzbildungsplattform zu schaffen. In diesen Wochen nun haben beide Minister den Vorschlag der OECD entgegengenommen, der – so ihre Worte – ein „Meilenstein“ auf dem Weg hin zu einer nationalen Finanzbildungsstrategie darstellen solle.
Stiftung zur Koordination
Und nicht nur das: Anfang Oktober hat das Bundesfinanzministerium den Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Finanzbildung vorgelegt. Mit dem Gesetz soll die Stiftung „Geld und Währung“ zu einer Stiftung für Finanzbildung weiterentwickelt werden. Deren künftige Aufgabe bestünde darin, bundesweite Maßnahmen zur Stärkung der finanziellen Bildung „in enger Abstimmung mit den Stakeholdern“ zu koordinieren und umzusetzen.
Das ist eine ganze Menge für den Augenblick, denn jahre- und jahrzehntelang hat sich auf dem Gebiet der Finanzbildung nicht so viel getan wie in diesen Wochen. Aber dieser Augenblick kann auch schnell wieder dahin sein und das Momentum verloren gehen.
Ohne übertrieben alarmistisch klingen zu wollen, lässt sich sagen: Wenn jetzt nicht konsequent gehandelt wird und die vielen losen Enden der Finanzbildung nicht endlich zusammengeschnürt werden, dann dürfte sich das Fenster bald wieder schließen und in absehbarer Zeit auch kaum wieder öffnen lassen. Eine koordinierte bundesweite Anstrengung wäre nur schwer wiederholbar, sollte die Sache auf halber Strecke versanden.
Worauf kommt es nun vor allem an? Wenn hoffentlich in Kürze die eigentliche Finanzbildungsstrategie vorgelegt wird, wird es vor allem darum gehen, dass sich neben dem Bund auch die Bundesländer an ihrer Umsetzung beteiligen.
Bundesländer einbinden
Denn eines ist klar: Ohne Bund-Länder-Kooperation wird die Finanzbildung in den Lehrplänen und im Schulunterricht nicht so ankommen, wie sie ankommen müsste.
Bildung ist Ländersache; daran soll und wird sich auch nichts ändern. Aber im Sinne der Sache müssen beide Ebenen jetzt an einem Strang ziehen und Finanzbildung dort verankern, wo sie vor allem hingehört: in den Schulen. Sollte dies nicht gelingen, wären wir nicht wirklich vorangekommen. Leider war der Digitalpakt Schule in dieser Hinsicht alles andere als ein Vorbild – eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sieht anders aus. Hoffen wir, dass es mit der Finanzbildung besser läuft!
Rüstzeug für Altersvorsorge
Die vielen Argumente, die für eine bessere und systematisch vermittelte Finanzbildung sprechen, müssen an dieser Stelle gar nicht explizit aufgelistet werden. Sie verstehen sich von selbst, sind oft genug genannt worden und dürften auch nirgendwo wirklich in Zweifel gezogen werden. Daneben hat Finanzbildung aber auch eine bundespolitische Facette. Schließlich schickt sich die Bundesregierung gegenwärtig an, die private Altersvorsorge zu reformieren. Sie verfolgt dabei die Absicht, die Chancen des Kapitalmarktes stärker zu nutzen, als dies bislang im Riester-Renten-Kosmos möglich war.
In diesem Zusammenhang soll es künftig Wahlmöglichkeiten geben. Diese setzen allerdings voraus, dass die Menschen auch verstehen, wozwischen sie eigentlich wählen sollen.
In der Schule vermittelt
Anders gesagt: Ohne breiter verankerte Finanzbildung, ohne – in diesem Fall – weniger Berührungsängste mit Kapitalmarkt und Wertpapieren wird die staatlich geförderte private Altersvorsorge kaum die Hoffnungen erfüllen können, die in sie gesetzt werden. Wo aber soll das Wissen über diese Themen am wirkungsvollsten vermittelt werden, wenn nicht in der Schule? Dass die Finanzbildungs-Initiative von Finanzministerium und Forschungsministerium über die Schulen hinausgeht, soll dabei nicht unerwähnt bleiben und ist natürlich ausdrücklich zu begrüßen.
An einem Strang ziehen sollten übrigens auch alle jene Akteure, die sich zum Teil seit Jahrzehnten in der Finanzbildung engagieren und vielfältige Angebote in diesem Bereich zur Verfügung stellen. Deswegen ist es ist ärgerlich und ungerechtfertigt, dass in den vergangenen Wochen die Angebote des Finanzsektors – nicht zum ersten Mal – in der Gesamtheit in Zweifel gezogen wurden. Dabei haben die vergangenen 30 Jahre gezeigt, dass die Finanzbranche mit seriösen und qualitativ hochwertigen Unterrichtsangeboten den Lehrerinnen und Lehrern einen echten Mehrwert bieten kann, den viele von ihnen dankbar annehmen. Dass Unterrichtsmaterialien welcher Couleur auch immer vorher einen Qualitätscheck absolvieren sollten und der Absender immer klar erkennbar sein muss, ist eine Selbstverständlichkeit.
Die Schlachten von gestern sollten wir nicht mehr schlagen. Jetzt sind Pragmatismus und Entschlossenheit gefragt – und das auf allen Ebenen. Die privaten Banken wollen und werden dazu beitragen, die Finanzbildung endlich voranzubringen.