Finanzbranche pocht auf längere Frist nach Brexit

DAI sieht Risiko eines unkalkulierbaren Schadens

Finanzbranche pocht auf längere Frist nach Brexit

spe Stuttgart – Die Finanzbranche fordert im Rahmen des EU-Austritts Großbritanniens großzügige Übergangsregelungen, die über den Brexit-Termin im März 2019 hinausgehen. Andernfalls werde die große Unsicherheit über geltende Regeln einen unkalkulierbaren Schaden für Wirtschaft und Gesellschaft verursachen, sagte Christine Bortenlänger, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts (DAI), auf einem regulatorischen Symposium (Mifid-Kongress) der Börse Stuttgart. Ähnlich äußerte sich Oliver Wagner, Geschäftsführer des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland. Er sieht auch für den Fall eines “weichen Brexits” zahlreiche Unsicherheiten. Dies bringe allein schon die schiere Anzahl an Verträgen mit sich, so Wagner.Bortenlänger betonte, dass der Branche aufgrund der unsicheren Situation nur die Möglichkeit bleibe, sich auf das schlechteste Szenario vorzubereiten. Wie unsicher die Situation einschätzen ist, verdeutlichte auch EU-Kommissar Günther Oettinger, der in seiner Einführungsrede ein zweites Referendum genauso wie Neuwahlen in Großbritannien bis Februar 2019 nicht ausschließen wollte. “Theresa May wird eines Tages springen müssen”, sagte er mit Blick auf den Entscheidungsdruck, unter dem die Premierministerin in den Austrittsverhandlungen steht.Bortenlänger machte klar, dass selbst ein harter Brexit, also ein Ausstieg ohne vertragliche Vereinbarung, nicht automatisch dazu führe, dass Bestandsgeschäft zu unerlaubtem Geschäft würde. Die Rechtsgültigkeit aber müsse für jeden Vertrag geprüft werden. Britische Finanzdienstleister könnten dann nach sogenannten Drittstaatenregimen, die nach dem Austritt gelten würden, ihre Services erbringen. Da Drittstaatenregime aber nur sehr begrenzt angelegt seien, böten sie wenig Sicherheit für die Branche. “Sie sind längst nicht so umfassend wie der EU-Pass und die Binnenmarktfreiheiten”, so die DAI-Chefin.Als wenig wahrscheinlich schätzt Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Research Instituts der Flossbach von Storch AG, das Szenario ein, dass sich nach dem EU-Austritt chaotische Zustände im Vereinigten Königreich einstellen würden. “Es wird keine Lkw-Schlangen geben”, sagte Mayer. Selbst nach dem Referendum 2016 habe die britische Wirtschaft zwar gelitten, eine von manchen vorhergesagte Rezession aber sei ausgeblieben. Im Gegensatz zu Oettinger glaubt Mayer daher auch nicht an die Option eines zweiten Brexit-Referendums. Sollte es tatsächlich keine europäische Lösung nach dem Brexit geben, wäre die deutsche Finanzaufsicht BaFin bereit, direkt mit der britischen FCA zusammenarbeiten. Die BaFin prüfe eine bilaterale Zusammenarbeit, erklärte Elisabeth Roegele, die für die Aufsicht über den Wertpapierhandel zuständige BaFin-Exekutivdirektorin. Im Sinne eines geordneten Austritts Großbritanniens aus der EU sollten sich die europäischen Aufsichtsbehörden und die FCA frühzeitig auf ein geregeltes Verfahren in Bezug auf die gegenseitige Konsultation, Kooperation und den Informationsaustausch im Bereich des Wertpapierhandels verständigen, sagte sie.