Steuerhinterziehung im großen Stil

Finanzwende wähnt Cum-cum-Täter verschont

Das Bürokratieentlastungsgesetz IV könnte die Verfolgung von Cum-cum-Straftaten erheblich erschweren. Damit gingen dem Staat geschätzte 30 Mrd. Euro durch die Lappen. Das befürchtet die Bürgerinitiative Finanzwende und will die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen von Buchungsbelegen aus dem Gesetzentwurf streichen lassen.

Finanzwende wähnt Cum-cum-Täter verschont

Finanzwende wähnt Cum-cum-Täter verschont

Petition gegen verkürzte Aufbewahrungspflichten gestartet – Steuerschaden auf knapp 30 Mrd. Euro geschätzt

tl Frankfurt

Das kommende Bürokratieentlastungsgesetz IV erschwert die Aufklärung von Cum-ex- und Cum-cum-Straftaten. Diese Ansicht vertraten Gerhard Schick und Anne Brorhilker, Geschäftsführer der Bürgerbewegung Finanzwende. „Wenn das Gesetz so durchkommt, werden sehr viele Cum-cum-Täter ungeschoren davonkommen, Milliarden an Steuergeldern sind dann unwiderruflich verloren”, warnte die frühere Oberstaatsanwältin, die bis zum Frühjahr 2024 in Köln federführend an der Verfolgung dieser Tatkomplexe beteiligt war.

Von zehn auf acht Jahre

Konkret geht es um eine Bestimmung des Bürokratieentlastungsgesetzes IV, das am 26. September vom Bundestag beschlossen werden soll. Danach sollen die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und Rechnungen von zehn auf acht Jahre gesenkt werden. Solche Belege sind aber zentrale Beweismittel bei schweren Steuerdelikten wie Cum-ex und Cum-cum. Für solche Delikte wurde die Verjährungsfrist erst 2020 von 10 auf 15 Jahre erhöht. „Es ist ohnehin unsinnig, dass die Aufbewahrungsfristen kürzer sind als die Verjährungsfristen”, sagt Brorhilker. „Diese Fristen nun noch zu verkürzen, ist vollkommen absurd.”

Die Finanzwende-Geschäftsführerin befürchtet, dass die Schredder angeworfen werden, bevor die meisten Ermittlungen „im größten Steuerraub der deutschen Geschichte“ überhaupt in Gang kommen. „Ohne Beweismittel sind aber Ermittlungen nicht mehr möglich.“ Dabei würden dem Staat erhebliche Mittel durch die Lappen gehen. Nach Schätzungen betragen die Steuerschäden bei Cum-ex 10 Mrd. Euro und bei Cum-cum sogar 28,5 Mrd. Euro. Zurückgeholt wurden von Letzteren bis Ende 2022 erst 237 Mill. Euro, heißt es bei Finanzwende.

Brorhilker wies in dem Pressegespräch am 20. September darauf hin, dass Cum-cum-Geschäfte viel verbreiteter sind. „Cum-ex-Geschäfte haben vor allem ganz große Banken gemacht. Cum-cum ist gießkannenförmig über ganz Deutschland verbreitet. Das haben viele kleine Banken wie Sparkassen, aber auch kleine Unternehmen und Fonds gemacht.“

„Nur Steuerhinterzieher werden entlastet“

Für Brorhilker ist klar: „Das Bürokratieentlastungsgesetz entlastet nur die Steuerhinterzieher und nicht die redlichen Wirtschaftsunternehmen.“ Denn die Entlastungseffekte durch die verkürzten Aufbewahrungsfristen seien überschaubar. Bei der Nutzung digitaler Ablagesysteme, wie in den meisten Unternehmen heute üblich, lägen die Einsparungen für ein einzelnes Unternehmen bei 12 Euro im Jahr, zitiert Brorhilker den finanzpolitischen Sprecher der SPD. Bei einer Papierablage sollen es laut Gesetzesvorlage 350 Euro sein.

Finanzwende will erreichen, dass der Passus mit den Aufbewahrungsfristen aus dem Gesetzentwurf gestrichen wird. Dazu wurde eine Online-Petition gestartet, die im Laufe des 20. Septembers schon mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt hat. Federführend beim Bürokratieentlastungsgesetz ist das Bundesjustizministerium. Der kritisierte Passus soll aus dem Bundesfinanzministerium kommen, sagte Schick. Das sei angesichts des „Null-Engagements von Christian Lindner bei Cum-cum“ schon „sehr irritierend“, so Schick, der bis 2018 Bundestagsabgeordneter für die Grünen war.

Der Finanzausschuss soll einen Änderungsantrag behandeln

Im Bundestag behandelt der Rechtsausschuss die Gesetzesvorlage führend unter Mitwirkung des Finanzausschusses. Laut Schick gibt es einen Änderungsantrag der Regierungsfraktion. Danach soll die Umsetzung der Verkürzung für bestimmte Kreditinstitute für ein Jahr ausgesetzt werden. „Das ist aus unserer Sicht völlig unzureichend. Denn es ist völlig unrealistisch, dass die Behörden all das, was sie jahrelang versäumt haben, in einem Jahr aufholen können“, so Brorhilker.

Die abschließende Beratung im Rechtsausschuss ist für den 25. September vorgesehen. Am Folgetag ist dann die 2. und 3. Lesung im Bundestagsplenum geplant. Der Bundesrat soll am 18. Oktober zustimmen.

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