Derivatgeschäfte

Finanzwende will strenge Regeln für Landeshaushalte

Derivatgeschäfte in öffentlichen Haushalten könnten immer noch großen Schaden anrichten, meint Finanzwende-Gründer Gerhard Schick. Aus dem Fall Hessen müsse gelernt werden. Schick dringt auf strengere Regeln.

Finanzwende will strenge Regeln für Landeshaushalte

wf Berlin

Finanzwende-Gründer und -Vorstand Gerhard Schick fordert angesichts von milliardenschweren Verlusten aus langlaufenden Derivatgeschäften des Landes Hessen aus den Jahren 2011 bis 2014 strengere Vorgaben für das öffentliche Schuldenmanagement. Die Vorgaben in allen Bundesländern seien unzureichend, um einen solchen Fall künftig zu vermeiden, sagte Schick vor der Presse. „Es braucht bessere Regeln, damit die öffentliche Hand nicht immer wieder durch den Einsatz komplexer Finanzprodukte massive Verluste erleidet.“ Landespolitiker in allen Bundesländern müssten tätig werden, um ihre Regelungen anzupassen.

Konkret forderte Schick, die Geschäfte der Höhe nach gesetzlich zu begrenzen, um den potenziellen Schaden einzuschränken. Zudem müssten Derivatgeschäfte auf die Absicherung bestehender Risiken begrenzt werden. Teilweise gebe es in den Landesregelungen zu offene Formulierungen, die auch die Erzielung günstigerer Konditionen zuließen. „Damit ist die Tür offen für problematische Geschäfte“, konstatierte Schick. Darüber hinaus sei eine Begrenzung der Laufzeit nötig, damit kein so großes Risiko wie in Hessen eingegangen werden könne. Schließlich sei ein laufendes Monitoring von fachlich qualifizierten, unabhängigen Dritten nötig.

Die großen Verluste aus Derivatgeschäften in Hessen waren bereits im Sommer 2018 kurz vor der Landtagswahl bekannt geworden. Hessen hatte vor rund zehn Jahren das Zinsniveau künftig zu begebender, langlaufender Anleihen durch Zinsderivate absichern wollen – in der Annahme, das Zinsniveau werde wieder steigen. Die Zinsen fielen nach 2011 jedoch weiter, so dass der negative Marktwert der Derivate Ende 2017 bei 4,2 Mrd. Euro lag. Große Positionen der Kontrakte haben eine Laufzeit von 40 Jahren und legen das Zinsniveau bis 2060 fest.

„Aus dem Fall lernen“

Die Bürgerbewegung Finanzwende und die Opposition im Landtag aus SPD, Linke und FDP werfen der schwarz-grünen Landesregierung vor, einen Schaden von 4,2 Mrd. Euro zu Lasten der Steuerzahler eingefahren zu haben. „Wir meinen, aus diesem hessischen Fall muss man lernen“, sagte Schick. Er dürfe nicht zu den Akten gelegt, sondern müsse umfassend aufgearbeitet werden. Die Opposition im Landtag hat nach eigenem Bekunden mit parlamentarischen Anfragen Klarheit schaffen wollen. Dies sei bislang nicht gelungen. So habe Hessen infolge der Derivatgeschäfte hohe Milliardenbeträge als Sicherheit bei den beteiligten Banken hinterlegt. Offen sei, welche Risiken etwa durch den Brexit darin steckten. Auch die Rolle der Hessischen Landesbank Helaba, die ein Beratungsmandat hatte, bleibe noch zu klären, hieß es.

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