Finanzwesen ergänzt den Klimaschutz

Sparkassen sind seit über 200 Jahren nachhaltig

Finanzwesen ergänzt den Klimaschutz

Nachhaltigkeit – dieses Wort stand 1915 erstmals im Rechtschreibduden. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist aber schon sehr viel älter. Erste Ideen dazu gab es bereits im 17. Jahrhundert, als Carl von Carlowitz ihn mit der Forstwirtschaft in Verbindung brachte. Er kam zu dem Schluss, dass man dem Wald nur so viel Holz entnehmen möge, wie auch nachwachsen kann. Ihm ging es also um den Erhalt des Waldes.Heute ist Nachhaltigkeit viel mehr als das: Der Begriff ist Ausdruck einer grundlegenden Veränderung in unserer Gesellschaft, die den Fokus auf ökologische, ökonomische und soziale Aspekte legt. Millionen junger Menschen auf der ganzen Welt gehen freitags auf die Straße und erheben ihre Stimme für eine nachhaltige Klimapolitik und für ihre Zukunft. Kommunen, Länder, der Bund und zahlreiche nationale sowie internationale Institutionen und Organisationen, bis hin zu den Vereinten Nationen, beschäftigen sich mit Themen und Fragestellungen zur Nachhaltigkeit. Und auch in der Finanzbranche steht das Thema längst auf den Agenden.Mit ihrem Green Deal hat die EU-Kommission einen überaus ambitionierten Fahrplan vorgelegt, wie Europa bis 2050 klimaneutral und die Wirtschaft nachhaltiger werden soll. Er ist aber ein wichtiger Schritt, um dieser großen gesellschaftlichen Herausforderung zu begegnen. Daneben ist die Klassifizierung der EU für nachhaltige Aktivitäten ein relevanter Meilenstein auf dem Weg für mehr Nachhaltigkeit in der EU; aber es gibt auch unterschiedliche Auffassungen, wie zum Beispiel beim Thema Atomkraft. Nach wie vor ist beispielsweise Frankreich der Meinung, dass Atomkraft klimafreundlich sei. In Deutschland sind die Entscheidungen anders gefallen.Wenn es schon politisch in Europa umstritten ist, was green beziehungsweise Green Finance ist, vor allem aber, was nicht Green Finance ist, wie soll daraus ein nachvollziehbares Aufsichtsregime für die Finanzbranche entstehen? Ist es wirklich erstrebenswert, die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) an sogenannten Green-Finance-Zielen auszurichten? Und ist es sinnvoll, die ohnehin schon mit Verbraucherschutzthemen ergänzten Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Zentralbanken auch damit noch anzureichern? Wie sollen in kurzer Zeit einheitliche Regeln für Nachhaltigkeit im Finanzsektor entstehen, wenn sich die diversen Aufsichtsbehörden alle getrennt voneinander mit derselben Thematik befassen?Wenn es hier nicht bald eine konsequente Koordinierung gibt, läuft es am Ende auf eine Koexistenz verschiedener Vorgaben hinaus; schlimmstenfalls sogar auf sich widersprechende Maßnahmen. Oder aus unserer Sicht auf sich potenzierende.Unsere Wahrnehmung in dieser Thematik ist leider mittlerweile so, dass die Politik sich nicht traut, klare Regeln zu setzen, und deshalb jetzt versucht, das Thema über die Bankenaufsicht in den Finanzsektor zu transportieren. Aus unserer Sicht kann es nicht richtig sein, wenn politische Themen in die Sphäre der Wirtschaft geschoben werden. Wirtschaftliche Entscheidungen benötigen einen verlässlichen Rahmen.Als Sparkassen ist es nicht unsere Aufgabe zu sagen: Dieser Kunde ist gut für unser Klima und jener Kunde nicht. Unser Auftrag ist es, dem Mittelstand als Finanzpartner zur Seite zu stehen. Da können wir nicht unseren langjährigen Kunden die Geschäftsbeziehung kündigen, weil uns ihr Geschäftsmodell oder ihre Produkte auf einmal nicht mehr nachhaltig genug sind oder wir sie als böse für die Klimaneutralität einstufen. Klimaschutz darf nicht isoliert betrachtet werden. Für eine nachhaltige Zukunft braucht es unserer Ansicht nach eine gute Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung, denn an jeder Firmenkundenbeziehung hängen auch Existenzen und Familien. Es geht um nichts mehr als die Lebensperspektiven aller Menschen.Die EZB sollte in diesem Zusammenhang nicht zu einer omnipräsenten Klimaschützerin werden, die mit ihren milliardenschweren Anleihekäufen versucht, jede emissionsarme Branche zu unterstützen. Die Mitglieder des EZB-Rates sollen, unabhängig von der Politik, einen grundlegenden geldpolitischen Auftrag erfüllen: die Sicherstellung der Stabilität von Geldwert und Finanzwesen.Wenn man der EZB schon ein Mandat für mehr Nachhaltigkeit in der Finanzbranche geben möchte, dann sollte das zuerst bei ihrer Geldpolitik ansetzen – denn die ist alles andere als nachhaltig. Wer ohne Ende Geld in den Markt pumpt, muss sich hinterher nicht wundern, dass viele Staaten null Interesse daran haben, sich nicht zu verschulden oder Strukturreformen durchzuführen. Es ist doch sehr bemerkenswert, wenn die EZB auf der einen Seite von Green Finance spricht, auf der anderen Seite aber Bürgerinnen und Bürger zum Konsum ermuntert. Diese Geldpolitik ist in ihrer Wirkung nichts anderes als eine Steuer. Sie füllt die Kassen der Regierung zulasten der Bürgerinnen und Bürger. Diese müssen im Gegenzug dabei zusehen, wie ihre Altersvorsorge nicht, wie eigentlich geplant, durch den Zinseszinseffekt immer weiter anwächst; sie müssen eine schleichende Entwertung ihrer Altersvorsorgeverträge hinnehmen.Mittlerweile entdecken ja auch viele Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit für sich, auch wenn sie gestern vielleicht noch andere Werte vertreten haben. Nachhaltig zu sein, ist heute en vogue. Larry Fink, CEO von BlackRock, erwartet, dass Unternehmen heutzutage sozialen Zwecken dienen. Und ausgerechnet Jeff Bezos und Tim Cook propagieren die Abkehr vom Shareholder Value. Über die Glaubwürdigkeit dieses Marketingansatzes möge sich jeder selbst klar werden. Die Sparkassen stehen schon seit über 200 Jahren für gesellschaftliche Verantwortung. Wir haben die Nachhaltigkeit seit Anbeginn in unserem Geschäftsmodell verankert. Denn Nachhaltigkeit ist doch sehr viel mehr als Klimaschutz und CO2-Bepreisung. Es geht darum, unsere Welt mindestens so gut zu hinterlassen, wie wir sie vorgefunden haben.Dass es heute eine besondere gesellschaftliche Notwendigkeit gibt, sich noch intensiver mit Fragestellungen zur Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen, steht für die Sparkassen außer Frage. Was aber nicht zur Diskussion stehen darf, ist eine regulatorische Bevorzugung grüner Anleihen. Die Gefahr einer grünen Blase ist viel zu groß, und die Stabilität des Finanzsystems darf nicht durch die Implementierung von Nachhaltigkeitsrisiken ins Wanken gebracht werden. Wir brauchen hier einen einheitlichen, von der Politik vorgegebenen Ordnungsrahmen. Und auch hier gilt: Einfach ist einfach besser. Jeder zusätzliche Auswuchs an Bürokratie für Sparkassen und unsere Kunden muss dabei vermieden werden. Im Übrigen umfassen unsere Ratingmodule im Kreditgeschäft bereits seit Langem den Nachhaltigkeitsaspekt.Wir sehen das grüne Finanzwesen als eine sinnvolle und gute Ergänzung im Klimaschutz. Aus diesem Grund bieten wir unseren Kundinnen und Kunden zum Beispiel Fondsprodukte an, die den besonderen Anforderungen an nachhaltige Investments gerecht werden. Klar ist aber auch, dass ein Ausstieg, zum Beispiel aus der Kohleverstromung, nicht von heute auf morgen möglich ist. Daher sind Investitionen, wie etwa in fossile Energieunternehmen, bei uns derzeit nicht per Definition ausgeschlossen. Kein Kohlekraftwerk kann einfach abgestellt werden, nur weil wir klimabezogene Aspekte in unsere Anlagestrategie übernehmen. Daher setzen wir auf einen konstruktiv-kritischen Dialog mit den Unternehmensführungen. Gemeinsam sind die Veränderungen in eine nachhaltige Wirtschaft machbar und im gemeinsamen Interesse. Thomas Mang, Präsident des Sparkassenverbandes Niedersachsen und erster Vizepräsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV)