Fintechrat fordert Rechtsrahmen für Blockchain

Expertengremium: Datenschutz und unklare Verantwortung stehen Durchbruch im Weg

Fintechrat fordert Rechtsrahmen für Blockchain

jsc Frankfurt – Ein Jahrzehnt nach dem ersten Einsatz der Blockchain stehen die Technik und verwandte Instrumente nach Einschätzung der Finanzbranche noch immer vor wesentlichen rechtlichen Hürden. Öffentliche, dezentral geführte Register (Distributed Ledgers), die unveränderbar, durch Kryptografie gesichert und automatisierbar sind, könnten Finanzwesen und Wirtschaft weitgehend verändern, sind aber mit “tief greifenden juristischen Fragestellungen” konfrontiert, wie der Fintechrat, ein Gremium aus Experten und Vertretern der Finanzbranche beim Bundesfinanzministerium, in einer Stellungnahme an die Bundesregierung schreibt.Die Technik wird derzeit von einigen Fintechs, Fondsgesellschaften, Börsen und Banken erprobt. Nach dem Erfolg digitaler Zahlungsmittel wie Bitcoin, die aber auch wegen teils erratischer Kursverläufe in der Kritik stehen, testen die Finanzakteure etwa den Handel mit ausgewählten Wertpapieren, die Steuerung von Fondsanteilen oder die Zuteilung von Mitteln in der Entwicklungszusammenarbeit. Der Einsatz digitaler Wertmarken – Token genannt – wird laut Fintechrat künftig “in mannigfaltiger Vielfalt” auftreten, etwa um Anteile an Sachwerten zu regeln, beispielsweise an Immobilien, Autos und Aktien, aber auch, um die Zuteilung von Lizenzrechten oder gemieteten Fahrzeugen zu bestimmen, heißt es in der Stellungnahme zur geplanten Blockchain-Strategie der Bundesregierung. Nun müsse “zügig” eine Regulierung samt zugehöriger Strategie entwickelt werden. Offenheit für Prüfnummern Dabei nennt Philipp Sandner, Blockchain-Experte und Mitglied im Fintechrat, vor allem vier Punkte: erstens den Datenschutz. Weil dezentrale Register von vielen einsehbar oder sogar vollständig öffentlich sind, liegen auch Daten der Transaktionen offen. Der Gesetzgeber soll nach Auffassung des Fintechrats klarstellen, dass sogenannte Hash-Werte, also Prüfnummern zur Identifizierung von Akteuren, nicht als personenbezogene Daten gelten. Sandner nennt als Beispiel eine Kennziffer, die zwar aus einer Personalausweisnummer generiert wurde, nicht aber wieder in die alte Nummer zurückgeführt werden kann – der Datenschutz wäre aus seiner Sicht damit gewährleistet. Die EU-Organe könnten die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprechend auslegen, sagt der Professor an der Frankfurt School, einer privaten Wirtschaftshochschule. “Um der Blockchain auf die Sprünge zu helfen, brauchen wir eine Interpretationshilfe durch den Staat.”Zweitens müsse die Verantwortung für die jeweiligen Anteile geklärt werden. Der Fintechrat fordert, dass Anbieter und Dienstleister von Blockchain-Systemen für die Risiken der eingesetzten Technik geradestehen. Das Gremium verweist auf einen Gesetzesentwurf in Liechtenstein, der dieses Prinzip verankert hat. Drittens solle die bestehende E-Geld-Regulierung, die etwa den Einsatz von Geldkarten umfasst, regelmäßig auf die neue Technologie ausgeweitet werden, damit auch der Euro als Währung abgebildet werden kann. Der Fintechrat zeigt sich aber vorsichtig. “Der Bundesregierung ist nahezulegen, diese Projekte gesondert zu beachten, da eine Beschädigung des Vertrauens in den Euro vermieden werden muss.”Viertens hofft Sandner auf den Handel mit Aktien über die Blockchain. Bislang wird die Existenz dieser Papiere über eine Urkunde und durch den Zentralverwahrer sichergestellt – ein dezentral geführtes digitales Register könnte die Existenz der Einheiten aber kryptografisch abbilden, wie Sandner hervorhebt. Der Bericht fordert, “alle Arten von Wertpapieren zügig zu entmaterialisieren”. Eine “ordnungsgemäße Registrierung” müsse aber auch künftig sichergestellt werden.Eine Regulierung soll nach Vorstellung des Rats “technologieneutral” sein, also keine bestimmte technische Lösung vorschreiben und neben den dezentralen Registern auch andere Umsetzungen zulassen, eine vielfältige Anwendung erlauben und sowohl öffentliche als auch auf einen kleinen Kreis beschränkte Register einschließen. Zugleich sollten die Regeln in Europa einheitlich sein, um “Oasen” zu verhindern. Kritisch sieht Sandner das Vorgehen der Behörden auf Malta, die mit einer weniger strengen Auslegung bestehender EU-Regeln Firmen angelockt haben. “Enorme Sorgfalt” gefordertDer Blockchain-Experte hält den Vorstoß des Fintechrats für “progressiv”. In dem Gremium sind nicht nur junge Technologiefirmen wie der Plattformanbieter Elinvar, die Smartphone-Bank N26 und der Einlagenvermittler Raisin (“Weltsparen”) zu finden, sondern auch Deutsche Börse und Deutsche Bank, Allianz und Talanx sowie die kreditwirtschaftlichen Verbände BdB, BVR und DSGV. Das Gremium bemüht sich um eine ausgewogene Bewertung – die Autoren sehen “enormes Potenzial mit signifikantem Risiko”. Öffentliche Blockchains entziehen sich demnach einem gerichtlichen Zugriff, codierte Verträge werden womöglich von der Maschine anders interpretiert als vom Menschen. Der Bericht fordert für die Umsetzung “enorme Sorgfalt und Korrekturmöglichkeit”.