"Fintechs bauen keine Bank"
bg Frankfurt – ING-DiBa-Chef Roland Boekhout geht davon aus, dass die deutschen Filialbanken immer stärker unter Renditedruck geraten und um tiefe Einschnitte in ihre Kostenstrukturen nicht herumkommen. Manche Banken hätten “lächerlich viele Filialen, das muss man sich leisten können”, stichelte Boekhout. “Doch wer geht da noch hin? Es gibt keinen Grund dafür.” Die Kostenfrage für das Filialgeschäft werde immer drängender in Zeiten sinkender Zinsmargen. Zudem gingen die Regulatoren in Deutschland und auf EU-Ebene im Verbund mit den Verbraucherschützern nun verstärkt an die Gebühren ran – diese Einnahmen seien aber “die einzige Möglichkeit, Filialen zu bezahlen.”Für die ING-DiBa bestehe keine Notwendigkeit, Filialen zu eröffnen, solange man Jahr für Jahr eine halbe Million Kunden hinzubekomme. “Für uns ist das aber keine Prinzipiensache”, hält er sich die Tür offen für künftige Zeiten. Und selbstverständlich würden manche Kunden immer eine Filiale brauchen, aber für diese müsse er dann auch bezahlen. “Das ist das Problem der Branche: Der Kunde kommt nur einmal rein für die Kontoeröffnung.”Und diese kann man inzwischen auch komplett online mit der Video-Legitimation erledigen – die ING-DiBa sieht sich hier als Vorreiter im Privatkundengeschäft. Bislang würden rund 60 000 Neukunden pro Monat das Postident-Verfahren nutzen. Das reine Online-Verfahren sei “eine tolle Vereinfachung des Prozesses”, habe bislang aber noch “keine Riesenwelle” verursacht – in sechs Monaten werde Video-Legitimation “wahrscheinlich schon wieder altmodisch aussehen”, witzelte er. Banking ohne TANMehr Schwung verspricht sich Boekhout von einer weiteren Neuerung. Ab Mitte November bietet die ING-DiBa mit einer neuen App Mobile Banking gänzlich ohne TAN-Eingabe an. Dabei wird die Anwendung isoliert auf dem Smartphone betrieben – das Prinzip der Kanaltrennung bleibe trotz Nutzung von nur einem Endgerät bestehen. Android- und iPhone-Nutzer sollen die App kostenlos beziehen können. Um eine gute Mobile-Banking-App zu liefern, müsse das Unternehmen dahinter umgebaut werden, um Erwartungen aus der App auch zu liefern – und das sei kein Kinderspiel. Grundsätzlich glaubt Boekhout, dass Einfachheit der Wettbewerbsvorteil schlechthin ist und der Geldautomat “die eigentliche Innovation”, die tatsächlich kundengetrieben nach Einfachheit war. Nicht umsonst passe die ING-DiBa-Strategie “auf einen Bierdeckel”.Vor den Fintechs müsse den Banken nicht bange sein, pflichtete er Postbank-Chef Frank Strauß bei. Die könnten gar nicht so schnell in den Markt hereinkommen, denn “wir haben die Marke. Das macht den Unterschied aus, noch mehr als in der Vergangenheit.” Allerdings müssten die Banken eine “höhere Agilität” im Wandel zeigen und auch mal Dinge schnell beiseiteschieben, die nicht funktionierten – früher habe man es leicht gehabt mit der Bequemlichkeit der Kunden.An Apple als Bankenmarke glaubt Boekhout nicht. “Das wage ich zu bezweifeln.” Die Fintechs hätten insgesamt “kein Interesse, eine Bank zu bauen”. Außerdem sei das Risikomanagement der Banken unersetzbar. Seiner Ansicht nach bieten “viele Fintechs geringen Mehrwert für Kunden”. Das sei eine Zeitbombe und werde eines Tages schiefgehen.