LEITARTIKEL

Fintechs in der Reifeprüfung

Es ist schon erstaunlich, wie sich die Tonalität bei den Fintech-Gründern abgekühlt hat. Beflügelt von der Euphorie, ordentlich Risikokapital in der Unternehmenskasse zu haben, rief zunächst einer nach dem anderen die digitale Revolution aus und...

Fintechs in der Reifeprüfung

Es ist schon erstaunlich, wie sich die Tonalität bei den Fintech-Gründern abgekühlt hat. Beflügelt von der Euphorie, ordentlich Risikokapital in der Unternehmenskasse zu haben, rief zunächst einer nach dem anderen die digitale Revolution aus und wollte die Banken aus dem Wettbewerb kegeln, also “disrupten”, wie es im Jargon heißt. Davon ist heute kaum noch die Rede, sind die Fintechs doch auf Kuschelkurs zu den Banken gegangen und dienen sich als Dienstleister im sogenannten B2B an. Einzig N26 und Scalable Capital halten die Fahne hoch und wollen sich entweder als Banking-Plattform rund um das Ankerprodukt mobiles Girokonto oder als digitaler Vermögensverwalter im Privatkundengeschäft durchsetzen. Der Rest schwenkt die Fahne der Partnerschaft und versucht erst gar nicht, nach amerikanischem Venture-Modell unter Inkaufnahme hoher Anlaufverluste eine Marktposition aufzubauen.Dabei ist das Investmentklima im deutschen Fintech-Markt anhaltend gut, während es andernorts zu einer markanten Abkühlung gekommen ist – Investoren dämmert, dass eine Branche, die selbst auf elektronischem Big Data aufsetzt, nicht so ganz wehrlos ist gegen Angreifer, die bei null Kunden anfangen. Nichtsdestotrotz vollzieht sich derzeit im Bankgeschäft ein durch die beim Kunden selbst stattfindende Digitalisierung seiner Lebenswelt ausgelöster struktureller Umbruch, der von regulatorischen Vorgaben wie der Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 gekoppelt mit Instant Payment weiter angefacht wird. Diese entstehende Welt des Schnittstellen-Banking ist wie gemacht für Fintechs, können sie sich doch reindrängeln und anknüpfend an Konto- und Payment-Dienstleistungen Kundenbeziehungen zu sich hin migrieren. Das ist aber nur möglich, wenn es die Banken versäumen, das von ihnen geführte Konto als zentrales E-Commerce-Instrument im PSD2-Universum zu etablieren.Die Banken verspüren im Wettstreit mit den Fintechs jedenfalls Rückenwind. In den USA hat Goldman Sachs mit ihrer neuen Kreditplattform ruckzuck 1 Mrd. Dollar ausgereicht, während die Start-up-Konkurrenz rund um SoFi und Prosper sich der harten Realität stellen muss, dass die kreditgebende Seite rumzickt und nur zögerlich Mittel bereitstellt, während sich bei verteuerten Kreditbedingungen die Konsumenten auf den Fintech-Plattformen zurückhalten. Dass Risiko höher vergütet werden soll, liegt daran, dass die vermittelten Volumina eine schlechtere Kreditqualität zeigten als ursprünglich veranschlagt. Sollten die Bonitätsalgorithmen kombiniert mit Social-Media-Daten nicht eigentlich genau in dem Punkt besser sein als althergebrachte Prozesse?Die Fintech-Branche befindet sich inmitten ihrer Reifeprüfung, und dazu gehört für den Moment die Phase der Ernüchterung. Wie schwer die Monetarisierung eines im zweiten Anlauf grundsätzlich toll entwickelten Produktes fällt, das offenbarte die Chefin der Banking-App Outbank kürzlich, indem sie erklärte, dass man trotz 100 000 Nutzern nahezu umsatzfrei sei. Jetzt will der Kontenaggregator über Affiliate-Provisionen Einnahmen generieren, was ein Massengeschäft ist. Mit Cashboard hat kürzlich der erste Fintech-Robo aufgeben müssen, was den Auftakt darstellen dürfte für eine Auslese unter diesen Start-up-Marken, die feststellen mussten, dass die Deutschen bei der Geldanlage keinen Spaß verstehen: Vorsorgegelder werden nur bekannten Marken anvertraut. Ein Feld, das die Banken nun mit eigenen Angeboten zur digitalen Vermögensverwaltung aufrollen.Das Gute daran: Dank Technologieplattform und ETF-Schleuderpreisen können Banken Vermögensverwaltung-Bausteine schon für sehr geringe Anlagebeträge profitabel anbieten. Das ist ein Teil der im Hintergrund stattfindenden Automatisierung von Bankprozessen, welcher vielen Kundenschichten richtig Nutzen stiftet, aber gleichzeitig eine Ausdünnung in den bisherigen Vertriebsstrukturen der Branche bewirkt. Da Jammern nichts hilft, müssen die Banken diesen Wandel (auch unter Einbindung von Filialen) durchziehen – gerne auch mit Hilfe der Fintechs, je nachdem, was ein Haus selber leisten kann oder will. Und wenn es beim ersten Versuch hakt, muss man eben einen neuen Anlauf nehmen.Genau so funktioniert Innovation, ein schrittweiser Prozess ständiger Verbesserung. Und selbst wenn Fintechs mangels Fähigkeit zur Skalierung im erlaubnispflichtigen Bankgeschäft bald nicht mehr ganz so sexy sein sollten, so bleibt auf jeden Fall das Vermächtnis, mit Gründergeist Veränderungsprozesse angestoßen und die Banken aus ihren Silos rausgetrieben zu haben.——–Von Björn GodenrathWer bei null Kunden anfängt, der hat es schwer, Skalierbarkeit zu erreichen. Fintechs sind gut beraten, sich als schnöder IT-Dienstleister von Banken zu verdingen.——-