SERIE: BANKEN IM DIGITALEN WANDEL (9)

Fintechs sind für Banken eine große Chance

Börsen-Zeitung, 28.8.2015 Die neuen Möglichkeiten der digitalen Welt stellen die Banken nicht nur in der eigenen Aufstellung und Organisationsstruktur vor Herausforderungen. Die Frage, wie die "Filiale der Zukunft" aussehen soll, wurde von den...

Fintechs sind für Banken eine große Chance

Die neuen Möglichkeiten der digitalen Welt stellen die Banken nicht nur in der eigenen Aufstellung und Organisationsstruktur vor Herausforderungen. Die Frage, wie die “Filiale der Zukunft” aussehen soll, wurde von den Instituten durchaus unterschiedlich beantwortet. Die Ergebnisse waren jedoch immer gleich: Die Anzahl der Filialen wurde kontinuierlich reduziert. Dabei hat sich dieser Trend in den letzten Jahren noch beschleunigt.Als Gegenmodell zu den großen Finanzdienstleistern haben sich eine Vielzahl von Start-ups etabliert, die, klein, wendig und innovativ aufgestellt, sich mit onlinebasierten Geschäftsmodellen an den Markt wenden. Zu diesen Fintechs sind mittlerweile in Deutschland mehr als 200 Unternehmen zu rechnen. Ihr gesamter Marktanteil liegt jedoch immer noch deutlich unter 1 %. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob Bill Gates mit seiner Aussage, “Banking is necessary, banks are not” recht hat.Auf den ersten Blick scheint ihn die Entwicklung der vergangenen Jahre zu bestätigen. Internetbasierte Plattformen für Kreditfinanzierungen, wie sie beispielsweise Auxmoney inzwischen mit Erfolg betreibt, greifen in das klassische Kreditgeschäft mit Privatkunden ein. Auch Peer-to-Peer Lending Plattformen wie Lendstar nutzen die Nische, die überhöhten Überziehungszinsen von klassischen Kreditinstituten eröffnet.Auch auf der Finanzierungsseite von Firmenkunden gibt es inzwischen erfolgreich operierende Anbieter, wie die Neugründung Fintura, die onlinebasiert für kleine und mittlere Unternehmen den passenden Kredit vermittelt. Mobile Bezahldienste und Kontoführung bietet das Berliner Start-up Number 26 an, bei dem inzwischen der Facebook-Milliardär Peter Thiel sich mit erheblichen Investitionen beteiligt hat.Number 26 wirbt damit, dass man in acht Minuten ein Konto eröffnen kann, das kostenlos ist und für das es zudem noch eine gebührenfreie Mastercard gibt. Alle Transaktionen kann man über eine App mit dem Smartphone verwalten. Die Entwicklung ist aber nicht beim Darlehensgeschäft und beim Zahlungsverkehr stehengeblieben; Unternehmen, wie die Vaamo AG, bieten inzwischen die Vermögensanlage online über ein breitgestreutes Wertpapierportfolio an. Viele gute IdeenSchaut man sich Geschäftsmodelle und Auftritt der neuen Akteure im Finanzmarkt an, sieht man viele gute Ideen, in denen die Fintechs in speziellen Teilfunktionen sicher attraktiver als konventionelle Banken und Finanzdienstleister sind. Das heißt aber nicht, dass Bill Gates mit seiner Aussage recht behalten wird. Den Fintechs ist in aller Regel gemeinsam, dass sie den finanziellen Vorteil nutzen, den Ökonomen als “Regulierungsarbitrage” bezeichnen. Mit anderen Worten: Fintechs operieren häufig in einer Grauzone, in der sie vermeintlich oder auch tatsächlich den regulatorischen Vorgaben und damit verbundenen Kosten in der Umsetzung nicht unterfallen.Viele der Fintechs versuchen gesetzliche Ausnahmeregelungen wie zum Beispiel reine Vermittlungstätigkeiten zu nutzen, oder sie arbeiten mit ausgeklügelten juristischen Vertragswerten, die sie lediglich als technischer Dienstleister ausweisen. Es ist zu erwarten, dass die Fintechs, die zum Teil in Unkenntnis der regulatorischen Erfordernisse handeln oder auch die Ausnahmeregelungen häufig sehr weit auslegen, hier an Grenzen stoßen werden, da die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) deren Tätigkeit zunehmend strenger und flächendeckender überwacht. Erlaubnisfreiheit fraglichAllein die Tatsache, dass das Fintech-Unternehmen ein Institut mit Banklizenz in sein Geschäftsmodell eingebunden hat, führt in vielen Fällen noch nicht zu seiner erlaubnisfreien Tätigkeit. Maßgeblich ist vielmehr die genaue Ausgestaltung der vertraglichen Dienstleistung, die über die Installation und Wartung beispielsweise von elektronischer Software keine Verhandlungsspielräume oder Entscheidungsbefugnisse gegenüber dem Kunden umfassen darf.Auch die Werbung, dass man über die angebotene App innerhalb von acht Minuten ein Girokonto eröffnen könne, führt bei der BaFin mit hoher Wahrscheinlichkeit zu der Schlussfolgerung, dass der App-Anbieter und nicht nur das möglicherweise dahinter stehende Kreditinstitut hier Bankgeschäfte im Sinne des Kreditwesengesetzes betreibt. Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang, dass die BaFin schon in einer Reihe von Fällen gegen Start-ups eingeschritten ist, die erlaubnispflichtiges Bankgeschäft ohne Erlaubnis betrieben oder erlaubnispflichtige Zahlungsdienste ohne Erlaubnis erbracht haben.Es ist offensichtlich, dass in dem Bemühen, der Regulierung auszuweichen und Kosten zu sparen, mittlerweile eine Reihe von Anbietern im Fintech-Markt operieren, die ihr eigenes Geschäftsmodell in den Vordergrund stellen und die berechtigten Interessen des Verbraucherschutzes dabei aus dem Auge verlieren. Genau an dieser Stelle bieten sich für die klassischen Banken und Finanzdienstleister aber auch Chancen in der neuen, digitalen Welt.Die Finanzkrise zeigt, dass es gute Gründe gibt, warum Banken und Finanzdienstleister umfassend reguliert sind. Sowohl die Institute als auch die von ihnen am Markt angebotenen Finanzprodukte bedürfen einer umfassenden Überwachung, um sicherzustellen, dass der Finanzmarkt als solcher funktioniert, aber auch um den Verbraucher vor Ausfallrisiken, unseriösen Produkten und windigen Geschäftsmodellen zu schützen.Die Verlässlichkeit, die hier regulierte Finanzdienstleister mit Einlagensicherungssystemen und überwachten Prozessen bieten, kann durchaus mit der neuen digitalen Welt verknüpft werden. Auch die Sicherheit der herkömmlichen Bankenwelt lässt sich mit den Ideen von morgen verbinden. Einrichtungen wie das “Innovation Lab” der UBS oder CommerzVentures der Commerzbank zeigen, dass die Banken die Zeichen der Zeit verstanden haben und nicht nur über den Aufkauf von Fintechs ihr Produktangebot modernisieren wollen.Die Wertschöpfungskette in zehn Jahren könnte durchaus so aussehen, dass die herkömmlichen Banken eine Vielzahl von Fintech-Ideen und -unternehmen in ihr Geschäftsmodell integriert haben. Dies muss nicht zum Nachteil des Verbrauchers sein, denn Regulierungskosten sind zu einem großen Teil auch Aufwendungen zum Schutze von Anlegern und Verbrauchern.—-Zuletzt erschienen:- Vermögensverwalter stehen vor Umbruch (27. August)- BBVA will Technologiekonzern werden (26. August) —-Volker Baas, Partner für Banken- und Investmentrecht, Taylor Wessing